Jugendamt

Was tut der Senat, um Schein-Vaterschaftsanerkennungen zur Erlangung ausländerrechtlicher Vorteile zu verhindern?

Die Bundesjustizministerin hat angekündigt, den Missbrauch durch ScheinVaterschaften besser bekämpfen und eine entsprechende Gesetzesergänzung einbringen zu wollen. Danach soll es Jugendämtern befristet möglich sein, Vaterschaften anzufechten, wenn der Verdacht besteht, dass diese nur zum Schein erklärt wurden, um das Ausländerrecht zu umgehen. Nach Angaben der Ministerin würde künftig in der Praxis zunächst die Ausländerbehörde tätig werden. Diese würde dann, falls es einen Verdacht gibt, dass über eine Scheinvaterschaft ein Aufenthaltsrecht erschlichen werden soll, das Jugendamt einschalten. Das Amt müsse sich dann mit einem Anfechtungsantrag an das Familiengericht wenden. Dieses müsse dann prüfen, ob der Mann eine Beziehung zu dem Kind hat oder der leibliche Vater des Kindes ist. Nicht betroffen von einer entsprechenden Regelung seien selbstverständlich binationale Paare, bei denen sich der Mann um das Kind kümmert ­ es erzieht, betreut oder Unterhalt zahlt.

Nach Angaben der Bundesjustizministerin sei folgender Fall typisch: Die Mutter eines Kindes ist Ausländerin und muss Deutschland verlassen. In dieser Situation erkennt ein deutscher Mann ­ manchmal für Geld ­ die Vaterschaft an, obwohl er weder der leibliche Vater ist noch eine soziale Beziehung zu dem Kind hat. Das Kind erhalte dann die deutsche Staatsbürgerschaft und eine Aufenthaltserlaubnis. Diesen Missbrauch gelte es zu verhindern. Es handele sich generell um Fälle, in denen das Familienrecht missbraucht werde, um Aufenthaltstitel und eventuell auch Sozialleistungen zu erschleichen.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Nach geltender Rechtslage kann regelmäßig weder die zweckwidrige Vaterschaftsanerkennung noch der damit verbundene Staatsangehörigkeitserwerb und auch nicht der hierauf beruhende Erwerb von Aufenthaltsrechten wirksam verhindert werden. Da die Vaterschaftsanerkennung nach der geltenden Gesetzeslage nicht die biologische Vaterschaft des anerkennenden Mannes voraussetzt, handelt es sich auch nicht um „Scheinvaterschaftsanerkennungen" sondern um wirksame Vaterschaftsanerkennungen, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Durch die Vaterschaftsanerkennung erlangt etwa das Kind einer ausländischen Mutter unabhängig von deren Aufenthaltsstatus die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn der anerkennende Mann deutscher Staatsangehöriger ist. Die Mutter des dann deutschen Kindes hat in der Folge einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, der sich aus der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes ergibt. Da das Vorgehen sich im Rahmen der geltenden Gesetze hält, ist es auch strafrechtlich in der Regel nicht relevant (vgl. im Übrigen Drs. 17/455).

Nachdem sich Hinweise aus ausländerbehördlichen Verfahren gehäuft hatten, dass Vaterschaften ohne erkennbare Bindungen zum Kind gezielt zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken anerkannt wurden, wurde auf Veranlassung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) im Zeitraum von 1. April 2003 bis zum 31. März 2004 zu diesem Thema eine bundesweite Erhebung durchgeführt, die für Hamburg zu folgenden Ergebnissen geführt hat: Frage Anzahl der Fälle

1. In wie vielen Fällen ist eine Aufenthaltsgenehmigung an die unverheiratete ausländische Mutter eines deutschen Kindes erteilt worden?

2. In wie vielen der unter Ziffer 1. aufgeführten Fälle war die Mutter zum Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig?

In wie vielen der unter Ziffer 2. aufgeführten Fälle beruht die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes auf einer Vaterschaftsanerkennung durch einen Deutschen?

In wie vielen der unter Ziffer 2. aufgeführten Fälle beruht die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes auf einer Vaterschaftsanerkennung durch einen Ausländer?

In wie vielen Fällen haben ausländische Männer, ohne im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung zu sein, die Vaterschaft für ein deutsches oder ausländisches Kind, das im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung ist, anerkannt und eine Aufenthaltserlaubnis (§ 23 Abs. 1 Nr. 3, § 22 AuslG) oder eine Duldung beantragt?

In wie vielen der unter 4.1. aufgeführten Fälle wurde den Vätern zur Ausübung der Personensorge oder zur Vermeidung einer besonderen Härte eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Duldung erteilt?

Die IMK hat in den erhobenen Fallzahlen zwar keinen Beleg dafür gesehen, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um zweckwidrige Vaterschaftsanerkennungen handelte, die Zahlen jedoch als starkes Indiz für eine nicht unerhebliche Zahl von Missbrauchsfällen betrachtet. Aus der Beteiligung der übrigen Fachministerkonferenzen hat sie zudem den Schluss gezogen, dass die wenigen nach dem geltenden Recht bestehenden Handlungsmöglichkeiten wenig praxistauglich sind und nicht Erfolg versprechend eingesetzt werden können.

Die IMK hat daraufhin Anfang Oktober 2004 die Bundesministerin der Justiz gebeten, einen Gesetzesvorschlag zur Schaffung eines befristeten Anfechtungsrechts für einen Träger öffentlicher Belange bei Vaterschaftsanerkennungen im Bürgerlichen Gesetzbuch vorzubereiten. Im November 2005 hat sich die Justizministerkonferenz dem angeschlossen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. In wie vielen Fällen wurde in Hamburg in 2003, 2004 und 2005 (bis heute) eine Aufenthaltsgenehmigung an eine unverheiratete ausländische Mutter eines deutschen Kindes erteilt?

2. Wie viele Mütter waren hiervon zum Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung jeweils ausreisepflichtig (absolut/prozentual)?

3. In wie vielen Fällen beruhte in 2003, 2004 und 2005 (bis heute) der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes auf einer Vaterschaftsanerkennung durch einen Deutschen?

4. Wie hoch lag im gleichen Zeitraum jeweils mithin der entsprechende Anteil der Vaterschaftsanerkennungen durch einen Deutschen für das Kind einer unverheirateten und zugleich ausreisepflichtigen Ausländerin?

5. In wie vielen Fällen haben in 2003, 2004 und 2005 (bis heute) in Hamburg ausländische Männer, ohne im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung zu sein, die Vaterschaft für ein deutsches oder ausländisches Kind, das im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung ist, anerkannt und eine Aufenthaltserlaubnis (§ 23 Abs. 1 Nr. 3, § 22 AusIG bzw. nach der entsprechenden Norm des AufenthG) oder eine Duldung beantragt?

Daten hierzu werden nicht regelmäßig statistisch erfasst, im Übrigen siehe Vorbemerkung.

6. Welche Schlüsse zieht der Senat aus den erfragten Zahlen? Wie bewertet der Senat das sich ­ hieraus jedenfalls andeutende ­ Problem der Schein-Vaterschaften zur Erlangung ausländerrechtlicher Vorteile?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst.

7. Inwieweit können die erfragten Zahlen belegen, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um eine zweckwidrige Vaterschaftsanerkennung handelt, d. h. ohne dass eine leibliche oder soziale Beziehung zum Kind gegeben ist?

Siehe Vorbemerkung.

8. Sieht der Senat insoweit die Möglichkeit

a) der Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung,

b) einer Entziehung des Sorgerechts, um durch eine Pflegschaft die Vaterschaft anzufechten,

c) der Unterhaltsheranziehung

d) der Strafverfolgung nach § 170 StGB als geeignete Instrumente gegen Schein-Vaterschaften an? Inwieweit hat Hamburg davon Gebrauch gemacht?

9. Welche weiteren Handlungsmöglichkeiten sieht der Senat nach geltendem Recht, um Schein-Vaterschaften entgegenzuwirken? Inwieweit haben die zuständigen Behörden in Hamburg bislang mit welchem Ergebnis davon Gebrauch gemacht?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst. Daten werden hierzu statistisch nicht erfasst, im Übrigen siehe Vorbemerkung.

10. In welcher Weise kann eine Schein-Vaterschaft zur Erlangung ausländerrechtlicher Vorteile für die Beteiligten oder evtl. Vermittler/Hintermänner/Schleuser strafrechtliche Folgen haben?

Das Vorliegen von Straftatbeständen kann nur an konkreten Einzelfällen geprüft werden. Im Übrigen beantwortet der Senat hypothetische Fragen grundsätzlich nicht.

11. Inwieweit wurden in 2002, 2003, 2004 und 2005 in diesem Zusammenhang mit welchem Ergebnis in Hamburg Ermittlungsverfahren eingeleitet (bitte auflisten)?

Die zur Beantwortung der Frage benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Einzelfallauszählung ist in der zur Bearbeitung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.

12. Existiert insoweit ein Lagebild der Polizei? Wie stellt sich dieses dar? Wie stellt sich die Erkenntnislage hinsichtlich der kriminellen Strukturen bei der Vermittlung von Schein-Vaterschaften in Hamburg dar?

Nein.

13. Wie stellt sich aus Sicht des Senats insgesamt das Ausmaß der ausländerrechtlich bzw. strafrechtlich relevanten Schein-Vaterschaften in Hamburg dar?

14. Sieht der Hamburger Senat insoweit gesetzgeberischen Handlungsbedarf? Wenn ja, welchen konkret und was hat er hierzu wann und mit welchem Ergebnis unternommen bzw. was wird er wann unternehmen?

Wenn nein, warum nicht?

15. Wie bewertet der Senat die Ankündigung einer Gesetzesinitiative durch die Bundesjustizministerin?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst.