Der Zeitrahmen bei der Gesetzeseinbringung ist der SPD-Fraktion und mir persönlich recht sauer aufgestoßen

Frau Beer hatte ebenfalls schon die Fortbildung angesprochen. In einem relativ knappen Zeitrahmen von etwa zwei Monaten ­ dann tritt das Gesetz in Kraft ­ soll es zumindest Stück für Stück an den Schulen im Land umgesetzt werden. Wie kann das Ihrer Meinung nach geschehen? Wie können Lehrerräte in der Zeit bis zur Umsetzung beziehungsweise möglichst zeitnah fortgebildet werden? Welche Ressourcen sind dafür notwendig? Wann sollte das aus Ihrer Sicht passieren?

Der Zeitrahmen bei der Gesetzeseinbringung ist der SPD-Fraktion und mir persönlich recht sauer aufgestoßen. Das Gesetzgebungsverfahren ist ziemlich übereilt. Es hat noch nicht einmal dafür gereicht, dass die Landesregierung den Gesetzentwurf selber einbringt, sondern das mussten die Koalitionsfraktionen tun, die heute nicht sehr zahlreich vertreten sind. Der vorliegende Gesetzentwurf ist im Grunde genommen eine leere Hülle. Er trägt einen tollen Titel, den wir alle unterschreiben können. Wie kann aus Ihrer Sicht ein Gesetz an einer Schule funktionieren, das im Grunde genommen nichts regelt bis auf die Installation des Lehrerrats? Die Beantwortung der wirklich spannenden Frage, was Schulleitungen in Zukunft machen sollen, schiebt der Entwurf auf eine Rechtsverordnung, die zumindest mir noch nicht bekannt ist.

Teilen Sie die Auffassung des einen oder anderen Experten in seiner schriftlichen Stellungnahme, dass dieses Gesetz ohne Kenntnis der Rechtsverordnung eigentlich gar nicht vom Landtag beschlossen werden dürfte?

Abschließend möchte ich noch eine Frage an alle Experten richten: Ist der vorliegende Gesetzentwurf, der sich auf die Dienstvorgesetzteneigenschaft und als Pendant dazu auf den Lehrerrat beschränkt, aus Ihrer Sicht eine würdige und ausreichende Konsequenz dessen, was Sie heute über das Modellprojekt Selbstständige Schule berichtet haben?

Klaus Kaiser (CDU): Zunächst herzlichen Dank an alle Expertinnen und Experten für die Berichte. Auch für unsere Fraktion war es sehr instruktiv.

Ich möchte die Frage nach dem Zeitdruck aufgreifen und nehme gerne alle Kritik auf mich, weil sich die Regierungskoalition verpflichtet fühlt, zum 1. August 2008 eine vernünftige Rechtsgrundlage in Form eines verabschiedeten Gesetzes vorzulegen.

Deshalb haben wir ein relativ gedrängtes Abstimmungsverfahren. Aber ich glaube, wir sind es der Rechtssicherheit für die Selbstständigen Schulen schuldig.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Schulleitern, die in ihren Statements darauf hingewiesen haben, dass zum 1. August 2006 eine Entlastung der Schulleitungszeit um eine Stunde stattgefunden hat. Landesweit waren es 230 Stellen. Vorher gab es also schon im Modellversuch eine Entlastung für die Schulen.

Bei dem, was Herr Link gesagt hat ­ das hat nichts direkt mit der Anhörung zu tun ­, muss man danach schauen, was gesetzlich und was über Verordnungen zu regeln ist. Die Rechtsgrundlage der Selbstständigen Schule war kein Gesetz, sondern die VOSS, also eine Verordnung, Herr Link. Das Gleiche gilt für Frau Beer. Vielleicht müssen wir noch einige Grundlagen zur Staatsbürgerkunde nachtragen. Es ist wenig sinnvoll, Frau Beer, mehr Eigenverantwortlichkeit für die Schulen zu fordern und das über Gesetze regeln zu wollen, durch die Anpassungsprozesse am schwierigsten möglich sind. Denn wir alle wissen, wie schwierig es ist, Gesetzesänderungen vorzunehmen.

Es ist viel einfacher, und man ist viel flexibler, wenn man es auf dem Verordnungsweg macht ­ insbesondere bei Organisationsprozessen, die sich entwickeln. Das ist aus den Stellungnahmen der Experten deutlich geworden. Deshalb stehen wir heute gemeinsam vor der Frage, was gesetzlich zu regeln ist; das betrifft den im Gesetzentwurf angesprochen Punkt. Das Zweite ist die Überleitung der Selbstständigen Schule in die eigenverantwortliche Schule, die sinnvollerweise durch eine Verordnung geregelt wird. Das möchte ich vorweg sagen, damit nicht der falsche Eindruck entsteht, es gäbe nur ein leeres Gerippe, wie Herr Link sagte. Die Äußerungen von Frau Beer waren ähnlich. Es geht nicht so sehr darum, formale Prozesse zu beschreiben, sondern inhaltlich die Substanz der Selbstständigen Schule in die eigenverantwortliche Schule überzuleiten. Das ist in den Stellungnahmen deutlich geworden.

Trotzdem ergeben sich für mich Fragen an die Expertinnen und Experten. Die Fortsetzung der Modellregionen ist vom Philologenverband kritisiert worden. Ich wüsste gerne von den Vertretern der Modellregionen, ob Sie Alternativen zum angedachten Verfahren sehen, die Modellregionen zunächst weiterzuführen, um damit landesweite Schneeballeffekte zu erreichen.

Herr Dr. Blana sprach in seiner Stellungnahme die Funktion von Lehrerrat und Steuerungsgruppe an. Für mich wäre wichtig, weitere Informationen darüber zu bekommen, wie das zu definieren wäre. Diese Frage richtet sich nicht nur an Sie, Herr Dr. Blana, sondern auch an andere Experten, die Erfahrungen mit der Selbstständigen Schule gesammelt haben. Wie würden Sie das austarieren? Wie muss so etwas geregelt werden? Ist es sinnvoll, auf Erfahrungen einzelner Schulen zurückzugreifen, oder ist es sinnvoll, das zentral zu regeln? Das hat mit der späteren Organisationsentwicklung zu tun.

Herr Katzy hat die Kapitalisierung angesprochen. Stimmen Sie mir zu, dass das Land Nordrhein-Westfalen nicht hingehen kann, für gleiche Leistungen ­ seien sie vom pädagogischen Personal oder von anderen Professionen ­ unterschiedlich zu zahlen? Wäre es nicht sinnvoll, durch das back-office des Landes Nordrhein-Westfalen einheitliche Standards zu garantieren?

Aus den Stellungnahmen konnte man unterschiedliche Stufen der Euphorie nachvollziehen, was die Selbstständigkeit angeht. Für uns als politisch Entscheidende ist wichtig zu wissen, wie der Übergangszeitraum bis zum Jahr 2012 zu interpretieren ist. Die eine Sache ist, es organisatorisch in den Griff zu bekommen. Die zweite ist die damit verbundene wichtige Frage nach den Ressourcen. Für uns ist wichtig zu wissen, ob es sich dabei um einen vernünftigen Übergangszeitraum handelt. Mich interessieren sowohl die Positionen der Modellschulen, als auch die der anderen Experten, die außen vor stehen. ­ Die Massage in Bezug auf den Fortbildungsbedarf habe ich verstanden; das brauchen wir nicht zu vertiefen. Ute Schäfer (SPD): Auch ich danke allen Expertinnen und Experten ganz herzlich. ­

Ich möchte in Erinnerung rufen, warum der Gesetzentwurf heute auf der Tagesordnung steht. Prof. Battis hatte eine Lücke in unserem Schulgesetz festgestellt, die geschlossen werden muss. Das war der Auslöser dafür, Herr Kaiser, warum wir bestimmte Dinge in Gesetzesform kleiden. Wir haben diesen Prozess in Bezug auf die zeitliche Einengung mitgetragen.

Allerdings brauchen wir keine Rechtsbelehrung von Ihnen; Sie sagten, wir sollten uns erst einmal sachkundig machen. Einige Dinge nicht gesetzlich, sondern über Verordnungen zu regeln, ist sicherlich richtig. Aber ich glaube, allen Anwesenden wäre wohler, wenn man wüsste, was in der Rechtsverordnung steht, über die Sie sprechen. Das wird eingefordert. Es ist wieder einmal ein Zeichen dafür, dass in Nordrhein-Westfalen der zweite Schritt vor dem ersten getan wird. Man hätte wissen müssen, was für Schulleiter und Schulleiterinnen geregelt werden soll, bevor man die Dienstvorgesetzteneigenschaften überträgt.

Nach allem, was ich in dieser Anhörung wahrgenommen habe, müssten die Fraktionen von CDU und FDP tatsächlich überlegen, den Gesetzentwurf in dieser Form zurückzuziehen. ­ Die massive Kritik, die Ihnen unterbreitet worden ist, haben Sie wahrscheinlich gar nicht gehört. In diesem Gesetz ist nichts zur Entlastung der Personen geregelt, die mit zusätzlichen Aufgaben bedacht werden, also die Lehrerräte und die Schulleitungen.

In diesem Gesetz ist auch nichts zur Konnexität geregelt. Darauf bezieht sich meine erste Frage an die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände: Was muss in Bezug auf die Konnexität ganz konkret geregelt sein, damit Sie einem solchen Gesetzentwurf zustimmen würden? Was muss getan werden, um es sauber und ordentlich zu regeln?

Meine zweite Frage richtet sich an Herrn Lohre. Fast zeitgleich haben wir den Bericht über Selbstständige Schulen in regionalen Bildungslandschaften bekommen. Viele Experten haben in dieser Anhörung gesagt, dass die eigentlichen Punkte im pädagogischen Freiraum, die die Selbstständige Schule ausmachen, nicht geregelt werden. Haben sich die Fraktionen von CDU und FDP im Vorfeld dieses Berichts mit jemandem auseinandergesetzt, der die Berichte wohl so gut wie kein anderer kennt?

Hat es ein Beratungsgespräch gegeben, bevor man sich an ein solches Thema heranmacht?

Ich habe von den Experten gehört, dass weder die Konnexität, noch die Entlastung von Lehrerräten und Schulleitungen geregelt ist. Was an pädagogischem Freiraum eingefordert wird, ist nicht für alle Schulen geregelt; vieles bleibt nebulös. Deshalb bringt dieser Gesetzentwurf tatsächlich nicht die Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit von Schulen im Lande voran, sondern schafft nur neue Aufgaben ohne Ressourcen.

Vorsitzender Wolfgang Große Brömer: Einige Experten sind namentlich angesprochen worden, bei anderen Fragestellungen konnten sich alle angesprochen fühlen. ­ Zuerst hat sich Herr Katzy gemeldet.