Einsatz eines "Sparkommissares" in der Stadt Waltrop

Im Jahre 2005 muss die Hälfte der kreisangehörigen und kreisfreien Kommunen in NRW ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen, ein Viertel der Kommunen hat keinen genehmigten Haushalt mehr. Der härteste mögliche Eingriff der Aufsichtsbehörden ist die Bestellung eines Beauftragten im Sinne des § 124 der GO NRW, der die Aufgaben der Gemeinde auf ihre Kosten wahrnimmt. Bislang wurde dieser „Sparkommissar" aber in NRW noch nicht eingesetzt, auch weil hier mit erheblichen Rechtsproblemen und mit Klagen der betroffenen Gemeinden zu rechnen ist.

Die neue nordrhein-westfälische Landesregierung hat in Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung nun ein neues Aufsichtsinstrument entwickelt, das deutschlandweit zum ersten Mal in der Stadt Waltrop seit Januar 2006 erprobt wird. Die Landesregierung hat auf der Grundlage des § 124 GO als Verwaltungsakt einen Berater für die Bürgermeisterin der Stadt Waltrop bestellt, der der Bezirksregierung gegenüber weisungsgebunden ist. Aufgabe des Beraters ist es, gemeinsam mit dem Waltroper Verwaltungsvorstand einen Haushaltsplan 2006 aufzustellen und drei Jahre die Stadt intensiv zu „begleiten", um am Ende wieder ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept vorweisen zu können, also mittelfristig wieder den Haushaltssausgleich darstellen zu können. Der Berater hat laufend über die erzielten Fortschritte einem Aufsichtsforum unter Leitung der Bezirksregierung zu berichten. Die Kosten der Berater trägt gemäß § 124 die Stadt Waltrop (nach bisherigen Angaben ca. 70.000 Euro jährlich). Darüber hinaus sind ihm Räumlichkeiten im Rathaus zur Verfügung zu stellen, damit der Berater vor Ort kontinuierlich Konsolidierungsimpulse geben kann. Zwar müssen die von ihm entwickelten Konsolidierungsmaßnahmen schließlich im Stadtrat verabschiedet werden, aber für den Fall, dass dieser die Empfehlungen nicht umsetzen will, haben die Aufsichtsbehörden den Einsatz von „richtigen" Beauftragten nach § 124 GO NW in Waltrop angekündigt, der die Geschäfte des Rates nahezu komplett übernimmt.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Warum wurde die Stadt Waltrop für den Einsatz des bestellten Beraters von der Landesregierung ausgewählt, obwohl auch andere Kommunen extrem hohe Fehlbeträge im Verwaltungshaushalt ausweisen?

2. Nach welchen Kriterien, bzw. mit welcher Begründung geschah dies?

3. Warum muss die bereits jetzt extrem hoch verschuldete Stadt Waltrop die Kosten für diesen von der Landesregierung bestellten Berater allein tragen?

4. Was sind die konkreten Ziele des Einsatzes des bestellten Beraters?

5. Werden die Ergebnisse dieses Eingriffs in die kommunale Selbstverwaltung wissenschaftlich evaluiert oder ist zumindest eine Dokumentation geplant?

Antwort des Innenministers vom 20. März 2006 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister:

Vorbemerkung:

Die Bezirksregierung Münster hat im Auftrag des Innenministeriums des Landes Nordrhein Westfalen mit Verfügung vom 11. Januar 2006 analog zur Regelung des § 124 GO NRW einen Berater der Hauptverwaltungsbeamtin der Stadt Waltrop bestellt.

Hintergrund hierfür ist die äußerst problematische Haushaltslage der Stadt Waltrop. Bereits seit 1993 kann die Stadt ihre gesetzliche Verpflichtung zum Haushaltsausgleich nicht mehr erfüllen. Erstmals im Jahr 2001 und danach durchgehend ab 2003 konnte das Haushaltssicherungskonzept nicht mehr kommunalaufsichtlich genehmigt werden. Die im Haushaltssicherungskonzept 2005 aufgezeigten Konsolidierungsfristen lagen weit über den nach der Gemeindeordnung genehmigungsfähigen Zeiträumen. Die Planungen der Stadt für das Haushaltssicherungskonzept 2006 gehen von einer weiteren Verschiebung der Zeiträume in die Zukunft aus. Der ursprüngliche Verwaltungsentwurf des Haushalts 2006 sah für den Verwaltungshaushalt Ausgaben in Höhe von 81,5 Mio. (einschließlich der Fehlbeträge aus Vorjahren) bei Einnahmen in Höhe von rund 36,7 Mio. vor. Der geplante Fehlbedarf belief sich danach auf 44,8. Mio.. Die Ausgaben sollten die Einnahmen um mehr als das Doppelte übersteigen. Besorgnis erregend ist vor allem der sehr hohe Kassenkreditstand der Stadt Waltrop. Nach der amtlichen Kassenstatistik des LDS beliefen sich die Kassenkredite zum 30. September 2005 auf rund 58,6 Mio.. Darüber hinaus liegt die Stadt Waltrop auch hinsichtlich ihrer Investitionsschulden deutlich über dem durchschnittlichen Schuldenstand vergleichbar großer kreisangehöriger Gemeinden.

Die Bestellung eines Beraters ist kommunalaufsichtlich dringend geboten, um die Stadt Waltrop bei der Erarbeitung einer Konzeption zur nachhaltigen Haushaltskonsolidierung zu unterstützen. Die Dauer des Vertragsverhältnisses ist zunächst bis zum 31. Dezember 2006 angelegt und verlängert sich jeweils um ein Kalenderjahr, wenn das Vertragsverhältnis nicht mit einer Frist von einem Monat bis zum Jahresende gekündigt wird.

Die Bestellung eines externen Beraters ist gegenüber der Einsetzung eines Beauftragten nach 124 GO NRW ein geringerer Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde. Die

Aufsichtsbehörden haben sich deshalb unter Anwendung der gleichen Tatbestandsvoraussetzung im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für diesen Weg entschieden.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2:

Neben der Höhe der aufgelaufenen Altfehlbeträge und der bedenklichen Fehlbedarfsentwicklung haben bei der Entscheidung über die Maßnahme auch andere finanzwirtschaftliche Daten eine Rolle gespielt. Insbesondere ergibt der Stand der Kassenkredite in Verbindung mit der Höhe der Investitionsschulden ein äußerst kritisches Bild über die Finanzlage der Stadt Waltrop. Keine andere Kommune in Nordrhein-Westfalen verfügt über eine annähernd gleich hohe Kassenkreditquote. Trotz vielfältiger kommunalaufsichtlicher Einzelmaßnahmen ist es der Stadt Waltrop bislang nicht gelungen, die in der Gemeindeordnung normierten Haushaltsgrundsätze einzuhalten und die Haushaltskonsolidierung einzuleiten. Der ursprüngliche Entwurf für den Haushalt 2006 ließ wirksame Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung nicht erkennen. Vielmehr zeichnete sich ein weiteres Ansteigen des Haushaltsdefizits ab, sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen würden.

Zur Frage 3:

Die Bestellung des Beauftragten erfolgt in Analogie zur Regelung des § 124 GO NRW, die auch die Verpflichtung zur Kostentragung durch die Gemeinde vorsieht.

Zur Frage 4:

Die Bestellung des Beraters verfolgt mehrere Ziele. Kurzfristig ist ein neuer Verwaltungsentwurf für den Haushalt 2006 zu erarbeiten, der die bisherige Fehlbetragsentwicklung erkennbar stoppt. Mittelfristig ist ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept zur nachhaltigen Haushaltskonsolidierung anzustreben.

Zur Frage 5:

Nein.