Biozid-Produkte besser kennzeichnen - Verbraucher/innen richtig informieren!

Über die Eigenschaften der Wirkstoffe von Biozid-Produkten und deren Risiken lassen sich bisher in vielen Fällen keine sicheren Angaben machen. Jedoch kann man sagen, dass jeder Einsatz von Biozid-Produkten potenziell mit einem gewissen Risiko für Mensch und Umwelt verbunden ist, insbesondere, wenn Anleitungen zur sachgerechten Verwendung fehlen oder nicht befolgt werden.

Die Europäische Union hat deshalb die Biozid- und Zubereitungsrichtlinien 98/8/EG und 1999/45/EG aufgestellt, die vorschreiben, welche Elemente die Kennzeichnungen der BiozidProdukte enthalten müssen.

Die Verbraucherzentrale NRW e.V. prüfte im April 2005 anhand von 75 Holzschutzmitteln, ob und in welchem Ausmaß die Vorgaben durch die EU umgesetzt wurden und ob durch die Umsetzung ein vorbeugender, gesundheitlicher Verbraucherschutz gewährleistet ist. Die Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass die Kennzeichnungsvorgaben nur bei 20 % der vorliegenden Etiketten vollständig umgesetzt worden war. Von diesen waren ausschließlich zwei sachlich und werbungsfrei (der „Prisma Holzschutzgrund" der Meffert AG und der „Sadolin Aqua Base Holzschutzgrund" der Akzo Deko GmbH).

Aus Sicht der Verbraucherzentrale sind die wesentlichen Kritikpunkte zum einen die irreführende, übertreibende oder verharmlosende Werbung, zum anderen das häufige Fehlen von Angaben zur ordnungsgemäßen Entsorgung sowie zu Erste-Hilfe- und Schutzmaßnahmen.

Außerdem missachten viele Hersteller auf Kosten und Gefahr der Verbraucherinnen und Verbraucher die EU-Richtlinien, um ihre Biozid-Produkte verharmlosend darzustellen, indem sie zum Beispiel wichtige Informationen zur Sicherheit für den/die Benutzer/in durch die Verwendung einer zu kleinen Schriftgröße auf den ersten Blick unerkennbar machen und es versäumen, Giftnotrufnummern und Gefahrensymbole anzufügen.

Zudem werden vielfach keine Angaben zum Verwendungszweck und der Aufwandsmenge der Holzschutzmittel gemacht. So wird zum Beispiel verschwiegen, dass das Behandeln von Laubholz mit Biozid-Produkten unnötig ist, genauso wie der Gebrauch in Innenräumen. Einige Anbieter werben sogar für die Anwendung im Innenraum, obwohl das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) warnt, Holzschutzmittel innen zu benutzen.

Das Fazit der Verbraucherzentrale NRW e.V. lautet, dass die Richtlinien der EU zwar gut seien, es aber zu viele Lücken in der Umsetzung gebe und es deshalb Aufgabe der Regierung sei, einzugreifen.

Auch im Februar 2006 hatte NRW-Verbraucherschutzminister Eckhard Uhlenberg gemeldet, dass viele Biozid-Produkte falsch gekennzeichnet sind.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung hinsichtlich einer möglichen Gesundheitsgefährdung der Verbraucherinnen und Verbraucher durch Biozid-Produkte vor, die im Innenraum verwendet werden?

2. Was unternimmt die Landesregierung gegen die Hersteller/innen in NRW, die auf Kosten und Gefahr der Verbraucherinnen und Verbraucher die EU-Richtlinien missachten, um ihre Biozid-Produkte verharmlosend darzustellen?

3. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, dass die in NRW ansässigen Chemiehersteller es als Vorteil ansehen, schädliche Biozide durch für den Menschen und die Umwelt unschädliche Stoffe zu ersetzen?

4. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um die Verbraucherinnen und Verbraucher in NRW über das Risikopotential von Biozid-Produkten zu informieren?

5. In welchem Maße setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass auf Landes- und Bundesebene die Forschung zur Risikobewertung bzw. zum Einsatz alternativer, für den Menschen und die Umwelt unschädlicher Stoffe sowie ein Verbot dieser als "sehr giftig" eingestuften Chemikalien vorangetrieben wird?

Antwort des Ministers für Umwelt und Naturschutz vom 4. Juli 206 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales:

Zur Frage 1:

Insbesondere die unsachgemäße Anwendung biozidhaltiger Produkte im Innenraum kann zu einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit führen. In den jährlich erscheinenden „Ärztlichen Mitteilungen bei Vergiftungen" des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) werden immer wieder Vergiftungsfälle beschrieben, die in erster Linie darauf zurückgeführt werden können, dass die entsprechenden Anwendungsvorschriften nicht oder nur teilweise beachtet werden. Davon unabhängig weist das BfR darauf hin, dass solche Produkte (insbesondere Insektizide) prinzipiell nicht unkritisch verwendet werden sollten. Vor allem der prophylaktische Gebrauch dieser Mittel sollte unbedingt vermieden werden.

Zur allgemeinen Beurteilung der Biozid-Konzentrationen in Innenräumen können Vergleichswerte aus Innenraumluft-Untersuchungen herangezogen werden. Auf Basis dieser Werte kann abgeschätzt werden, ob erhöhte Belastungen vorliegen, die möglicherweise entsprechende expositionsmindernde Maßnahmen nach sich ziehen sollten.

Zur Frage 2:

Auch dieses Jahr werden schwerpunktmäßig Biozid-Produkte durch die dem Geschäftsbereich des MUNLV unterstehenden Behörden im Handel überprüft. Für den Vollzug des Chemikalienrechts sind in NRW z.Zt. folgende Behörden zuständig:

Für Hersteller und Verwender: Staatliche Ämter für Arbeitsschutz

Für Einzelhandel: Kreisordnungsbehörden

Im Übrigen: Staatliche Ämter für Umweltschutz

Der Schwerpunkt der Biozid-Vollzugsaktion 2006 liegt auf folgenden Produktgruppen:

- Flächendesinfektionsmittel

- Insektenstrips

- Käfigdesinfektionsmittel

- Rattengift

- Raumluftsprays

- Schwimmbadchemikalien

Die beauftragten Kreisordnungsbehörden sowie einige Staatliche Umweltämter bzw. das StAfUA OWL überprüfen bei jeweils 3-5 Einzel- bzw. Großhändlern das gesamte Sortiment im Hinblick auf Kennzeichnung, Verpackung, Verkehrsfähigkeit und Werbung. Diese Aktion läuft zurzeit; Ergebnisse sind im Spätsommer/Herbst zu erwarten.

Bei festgestellten Mängeln, wozu auch verharmlosende Bezeichnungen zählen, werden entsprechende Maßnahmen durch die zuständigen Behörden ergriffen.

Zur Frage 3:

Maßnahmen, bei denen flächendeckend alle Chemiehersteller angesprochen werden, finden nicht statt.

Den im Rahmen der staatlichen Aufsicht auffällig gewordenen Herstellern / Inverkehrbringern wird deutlich gemacht, dass die Verwendung weniger bedenklicher Stoffe neben den Verbesserungen für die Arbeitnehmer auch Verbesserungen für die Umwelt und Vorteile bei der Vermarktung mit sich bringen.

Für weniger gefährliche Stoffe ist der Aufwand zum Schutz der Arbeitnehmer geringer und die Vermarktung lässt sich einfacher und kostengünstiger gestalten, da z. B. bestimmte Restriktionen beim Inverkehrbringen entfallen.

Zur Frage 4:

Zur Information der Verbraucher/innen werden verschiedene Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit genutzt. Beispielsweise ist vorgesehen, im Verbraucherschutzbericht über die Ergebnisse der Schwerpunktüberwachungsaktion zu informieren. (Dieser Verbraucherschutzbericht ist erstmalig im Jahr 2003 erschienen; die nächste Ausgabe ist für 2006 geplant.) Auch das Internet-Angebot des MUNLV soll genutzt werden, um Verbraucher/innen über präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Schädlingsbefall zu informieren und ihnen Entscheidungshilfen für die Auswahl von Biozid-Produkten an die Hand zu geben.

Zusätzlich zum Bericht über die Ergebnisse der Überwachungsaktion in NRW haben wir uns dafür eingesetzt, dass ein gemeinsamer Bericht aller Bundesländer, die Biozid-Produkte schwerpunktmäßig überprüft haben, der Umweltministerkonferenz vorgelegt und anschließend veröffentlicht wird. So können andere Bundesländer unsere Erfahrungen nutzen und gleichzeitig wird die Öffentlichkeit informiert.

Ausdrücklich begrüßen wir es, wenn Hersteller bereits jetzt den Verwendungszweck sowie eine Gebrauchsanweisung und Informationen zur Aufwandsmenge auf dem Biozid-Produkt angeben, obwohl dies gesetzlich erst nach der Zulassung vorgeschrieben ist.

Zur Frage 5:

Für giftige und sehr giftige Stoffe und Zubereitungen gelten restriktive Vorschriften bei der Abgabe an Verbraucher/innen. Die Einhaltung dieser Vorschriften, beispielsweise Abgabe nur nach Beratung und entsprechender Sachkunde des Personals, werden ebenfalls durch die dem Geschäftsbereich des MUNLV zugeordneten Behörden überwacht.

Für die gesundheitliche Bewertung und Einstufung von Biozid-Wirkstoffen und BiozidProdukten ist das Bundesinstitut für Risikobewertung zuständig.

Zukünftig wird eine Liste von Wirkstoffen mit niedrigem Risikopotenzial für den Einsatz in Biozid-Produkten im Anhang IA der Biozid-Richtlinie zur Verfügung stehen.

Grundsätzlich sind Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von Chemikalien nur auf EU-Ebene möglich. Die Landesregierung hat sich deshalb wiederholt im Bundesrat gegenüber der Bundesregierung dafür eingesetzt, dass solche Verbote für besonders bedenkliche Stoffe festgeschrieben werden bzw. dass weitere Untersuchungen zum Risikopotential durchgeführt werden, so zuletzt zu Perfluoroktansulfonsäure und ihren Derivaten (PFOS, BR-Drs. 899/05 (Beschluss)) und zu Polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK, BR-Drs. 190/06 (Beschluss)).