Aufkommensgarantie

Da auch die Höhe des Steuersatzes nicht garantiert wird, ist die in Absatz 2 des bisherigen Artikels 106 GG festgelegte Aufkommensgarantie zugunsten der Länder entbehrlich.

Die Verfassung sollte sich auf die steuerrechtlichen Regelungen beschränken, die einer Änderung durch einfaches Bundesgesetz wirklich entzogen sein sollen und die notwendig sind, damit Ländern und Gemeinden ein angemessenes Steueraufkommen und die erwünschte Steuerautonomie gesichert sind. Zu diesem Zweck werden im folgenden nur noch die Steuern auf das Einkommen, den Umsatz und den Grundbesitz besonders geregelt, für die bestimmte verfassungsrechtliche Festlegungen erwünscht erscheinen (Artikel 106 - 106b). Im Übrigen würde dann durch (einfache) Bundesgesetze und - in Grenzen - durch Landesgesetze entschieden, welche Steuern erhoben werden und welchen Körperschaften sie zufließen (s. Artikel 106c). Sollte diese Neuregelung verwirklicht werden, würden die in Artikel 106 (alt) Abs. 1 und 2 aufgeführten Steuern und sonstigen Abgaben, soweit sie nicht schon abgeschafft sind, vorerst unverändert weiterbestehen.

Der - verfassungsrechtlich nicht mehr festgelegte - Zufluss des Steueraufkommens wäre insoweit durch ein übergreifendes (einfaches) Gesetz oder in den einzelnen Steuergesetzen zu regeln (Artikel 106 Abs. 2 und 106a Abs. 2). Dabei wäre auch der Ausgleichsbetrag für den Personennahverkehr (jetzt Artikel 106a GG, der entfallen soll) zu berücksichtigen.

In Artikel 106 (alt) Abs. 3 wird die Regelung in den Sätzen 1 bis 3 über die Verteilung der Einkommen- und Umsatzsteuer durch die neuen Artikel 106 und 106a ersetzt. An die Stelle von Artikel 106 (alt) Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 1 (Maßstab für die Umsatzsteuerverteilung) würde Artikel 106e treten. Der Fall, den Artikel 106 (alt) Abs. 4 Satz 2 und 3 betrifft, wird nach der in Artikel 104a Abs. 2 (neu) vorgesehenen Kostenpflicht des Bundes nur noch selten vorkommen; dann aber wird Artikel 104a Abs. 3 (neu) eingreifen.

Artikel 106 (alt) Abs. 5 (Gemeindeanteil an der Einkommensteuer) wird durch Artikel 106 (neu) ersetzt.

Die Regelung der Realsteuern in Artikel 106 (alt) Abs. 6 Satz 1 bis 3 wird, soweit sie die Grundsteuer betrifft, durch Artikel 106b ersetzt. Die Gewerbesteuer würde unter die allgemeine Regelung des Artikel 106c fallen. Damit würde die seit langem diskutierte Reform dieser Steuer verfassungsrechtlich ermöglicht. Die in Artikel 106 (alt) Abs. 6 Satz 4 und 5 vorgesehene Gewerbesteuerumlage würde im Rahmen von Artikel 106c durch einfaches Bundesgesetz weiterhin geregelt werden können, solange dafür noch Bedarf besteht. Artikel 106 (alt) Abs. 6 Satz 6 wird durch Artikel 106d ersetzt.

Auch der Inhalt von Artikel 106 (alt) Abs. 7 wird durch Artikel 106d übernommen.

Der in Artikel 106 (alt) Abs. 8 vorgesehene Ausgleich für vom Bund veranlasste Sonderbelastungen einzelner Länder oder Gemeinden kann, soweit nicht Artikel 104a Abs. 2 (neu) eingreift, nach Artikel 104a Abs. 3 (neu) bewirkt werden. Zwar besteht dort kein Rechtsanspruch, aber es kann wohl davon ausgegangen werden, dass der Bund auch aufgrund einer Ermessensregelung zum Ausgleich von Sonderlasten bereit sein wird. Da eine solche Regelung durch Gesetz zu treffen wäre, wäre sie für die Öffentlichkeit besser kontrollierbar.

Artikel 106 (alt) Abs. 9 kann entfallen, wenn Artikel 106e Satz 2 die vorgeschlagene Fassung erhält.

b) Zu Artikel 105 (neu):

Die Vorschrift fasst ohne inhaltliche Änderungen Artikel 105 (alt) Abs. 1 und Artikel 106

(alt) Abs. 1 (Vorspann) und Abs. 1 Nr. 1 zusammen. Der Frage, ob Finanzmonopole überhaupt noch vorgesehen werden sollten (derzeit existiert nur noch das Branntweinmonopol), wird hier nicht nachgegangen.

c) Zu Artikel 106 (neu):

Der vorgeschlagene neue Artikel 106 würde alle verfassungsrechtlichen Vorschriften über die Steuern vom Einkommen enthalten, also sowohl die Gesetzgebungskompetenz als auch die Aufkommensverteilung regeln. Der hier verwendete verfassungsrechtliche Begriff der Steuer auf das Einkommen schließt die Lohnsteuer, die veranlagte Einkommensteuer, nicht veranlagte Steuern vom Ertrag und die Körperschaftsteuer ein. Entsprechend den Vorschlägen aus der Finanzwissenschaft würde den Ländern eine begrenzte Autonomie bei der Bestimmung der Steuerhöhe eingeräumt. Außerdem würde, über Artikel 106 Abs. 5 (alt) hinausgehend, ein solches Recht erstmals auch den Gemeinden garantiert.

Vorgesehen ist in Absatz 2 ein "Grundlagengesetz". Dieses muss das zu versteuernde Einkommen (etwa im Sinne von § 2 Abs. 5 EStG) regeln und - nach der Einkommenshöhe gestaffelte - Messbeträge, in die bei der Einkommensteuer der natürlichen Personen die Steuerprogression einzuarbeiten wäre, festlegen. Auch der Anteil einer jeden Gemeinde würde dann (anders als nach der derzeitigen Regelung des Gemeindefinanzreformgesetzes) mit steigendem Einkommen ihrer Einwohner progressiv ansteigen, was aber nur folgerichtig sein dürfte. Weiter muss das Grundlagengesetz die Steuererhebung einschließlich des Quellenabzuges (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) regeln.

Von der Einkommensteuer der natürlichen Personen müsste der Länder- und Gemeindeanteil jeweils dem Wohnsitzland bzw. der Wohnsitzgemeinde zufließen. Dies wäre in dem "Grundlagengesetz" zu bestimmen. Auch der Gemeindeanteil sollte wohl von den Finanzämtern eingezogen werden. Der zusätzliche Erhebungsaufwand lässt sich mit Hilfe der EDV in Grenzen halten. Wird die Steuer der Arbeitnehmer wie bisher als Lohnsteuer vom Arbeitgeber einbehalten, muss dieser je nach Steuergläubiger und Wohnsitz des Arbeitnehmers unterschiedliche Hebesätze anwenden. Dies ist aber keine wesentliche Erschwernis, wenn die Lohnsteuerkarte die drei Hebesätze (und auch schon ihre Summe) ausweist. Die Lohnsteuer, die an das Finanzamt abzuführen ist, ergibt sich, indem man aus der Steuertabelle den Messbetrag abliest und diesen mit der Summe der Hebesätze multipliziert.

Bei der Körperschaftsteuer wird - wie auch schon bisher - eine Zerlegung der Messbeträge auf die Betriebsstätten der Unternehmen erforderlich werden. Da die Körperschaftsteuer auf ausgeschüttete Gewinne heute nur noch einen Quellenabzug der Einkommensteuer der Anteilseigner darstellt, müsste sie an deren Wohnsitzländer und -gemeinden abgeführt werden.

Wenn die Messbeträge nur nach der "Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen" festgelegt werden dürfen, würde das Grundlagengesetz keine Vergünstigungen mit Subventionscharakter enthalten. Derartige Vergünstigungen (wegen der Verletzung des Bruttoprinzips sind sie an sich stets bedenklich) würden nach Abs. 3 Satz 2 Bund und Länder und ggf. die Gemeinden nur zu Lasten ihres eigenen Steueranteils gewähren dürfen. Auch dies ist erforderlich, um den Grundsatz der Einheit (Konnexität) von Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung konsequent zu verwirklichen, denn Steuerverzichte stehen Ausgaben gleich. Solche Vergünstigungen würden in der Regel als Abzüge von der Steuerschuld in Betracht kommen. Jedoch könnten sie, soweit der Gleichheitsgrundsatz dem nicht entgegensteht, auch in der Form eines Abzuges von der (nach dem Grundlagengesetz ermittelten) Besteuerungsgrundlage bemessen werden, der sich dann aber nur auf den Steueranteil der Körperschaft auswirken darf, die die Vergünstigung gewährt.

Der vorgeschlagene Absatz 4 ermöglicht es, Bund, Ländern und Gemeinden einen Rahmen für die Bemessung ihrer Hebesätze vorzugeben. Dieser könnte sich anfangs nach dem Verhältnis richten, in dem die Einkommensteuer (Lohnsteuer und veranlagte Einkommensteuer) gegenwärtig Bund, Ländern und Gemeinden zufließt (42,5 : 42,5 : 15).

Die höchstzulässigen Hebesätze wären so festzusetzen, dass Bund, Länder und Gemeinden ihre gegenwärtigen Einnahmen aus der Einkommensteuer jeweils bei Bedarf um einen nicht nur unbedeutenden Betrag heraufsetzen können. Auf längere Sicht könnten, zugleich mit einer Reform der Gewerbesteuer und des kommunalen Finanzausgleichs, die Grenze für die gemeindlichen Hebesätze erhöht und zugleich die Finanzautonomie und -verantwortung der Gemeinden gestärkt werden.

Soweit die Zinseinkünfte getrennt vom übrigen Einkommen besteuert und nicht mit der Einkommensteuer verrechnet werden, müsste der Landes- und Gemeindeanteil dieses Aufkommens wohl der Gebietskörperschaft zukommen, in der die Bankfiliale ihren Sitz hat. Denkbar wäre auch, dieses Aufkommen nur Bund und Ländern oder nur dem Bund zuzuteilen. Gleiches könnte auch für die Körperschaftsteuer in Betracht kommen, wenn die Beteiligung der Gemeinden mit zu großem Verwaltungsaufwand verbunden sein sollte. Dann könnte an Absatz 4 der folgende Satz angefügt werden: "Ein solches Gesetz kann für bestimmte Arten von Steuerpflichtigen und bestimmte Einkunftsarten die Bemessung der Steuer und die Verteilung des Aufkommens abweichend von den Absätzen 2 und 3 regeln; diese müssen jedoch ihre Gültigkeit für das überwiegende Steueraufkommen behalten."

d) Zu Artikel 106a (neu):

Die gegenwärtig erhobene Steuer vom Umsatz (Umsatzsteuer in Form der Mehrwertsteuer einschließlich Einfuhrumsatzsteuer) ist zwar nach der Einkommensteuer die zweitwichtigste Steuer. Sie eignet sich aber nicht für eine eigenverantwortliche Festsetzung durch Länder oder Gemeinden. Der vorgeschlagene Artikel 106a, ergänzt durch Artikel 106e, übernimmt daher ohne wesentliche inhaltliche Änderung die bisherige Regelung in Artikel 105 Abs. 2 (Gesetzgebungskompetenz) und Artikel 106 Abs. 3 und 4 sowie Artikel 107 Abs. 1 Satz 4 (Aufkommensverteilung). Die in Artikel 106 Abs. 3 und 4 GG aufgenommenen Einzelregelungen zur Verteilung des Umsatzsteueraufkommens (einschließlich des Familienleistungsausgleichs) wären künftig durch einfaches Bundesgesetz ­ mit Zustimmung des Bundesrates ­ zu treffen (Artikel 106a Abs. 2). Sofern ein Hinweis auf den Umsatzsteueranteil der Gemeinden (Artikel 106 Abs. 5a GG) aufgenommen werden soll, der dann ebenfalls durch einfaches Bundesgesetz zu bestimmen wäre, könnte Absatz 2 durch den Klammerzusatz ergänzt werden.

Auf die im bisherigen Artikel 107 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 vorgesehenen Ergänzungsanteile für finanzschwache Länder kann verzichtet werden, da der hiermit bewirkte Ausgleich unmittelbar durch Artikel 107 (Finanzausgleich und Ergänzungszuweisungen) erreicht werden kann. Gegen die Ergänzungsanteile ist auch einzuwenden, dass sie den ohnehin schwer durchschaubaren Mechanismus des Finanzausgleichs noch unübersichtlicher machen.