Ein starres Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem sei nicht vernünftig

Ein Mehr an Bildung werde neben dem Arbeitsmarkt auch für die Bewältigung der sozialen Probleme erforderlich sein, die der Demografische Wandel mit sich bringe. Um dies zu erreichen, müsse der Bildungsbegriff der Schulen gestärkt werden, d. h. er müsse neu definiert werden. Es müsse klargestellt werden, was für lebenslanges Lernen gebraucht werde, aber auch, was für die Lösung sozialer Probleme nötig sei. Dazu gehöre auch das nötige Rüstzeug, um z. B. mit Kindern umzugehen.

Für die weiterbildenden Schulen seien neue Organisationsformen, Curricula und Qualitätsentwicklung anzustreben.

Ein starres Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem sei nicht vernünftig. Vielmehr müssten individuelle Lösungen gefunden werden. Dazu sei eine größere Autonomie der einzelnen Schulen hilfreich.

Von folgenden Leitthesen könne ausgegangen werden:

1. Bildungsarmut ist ein gesellschaftspolitisches und bildungspolitisches Problem. Zum Abbau bedarf es gemeinsamer Konzepte beider Politikbereiche (u. a. müsse die Erziehungsfähigkeit von Eltern unterstützt werden).

2. Bildungsarmut manifestiert sich als Bildungsbenachteiligung im gegenwärtigen Schulsystem. Sie trifft hauptsächlich Kinder aus bildungsarmen Gruppen.

Die Schule arbeite Benachteiligungen nicht auf, sondern bestätige sie. Zahlreiche Lehrer forderten die Schüler nicht hinreichend, weil sie davon ausgingen, dass die Schüler an ihrer Schulform diese Leistungen ohnehin nicht erbringen könnten. Bei Hauptschulschullehrern sei eine höhere Fachlichkeit zu fordern. Im Studium müsse darauf geachtet werden, dass das Fachwissen so vermittelt werde, wie es für die Schule relevant sei.

3. Leistungsfunktion des Schulsystems und Bildungsgerechtigkeit könnten nicht getrennt voneinander betrachtet werden.

Soweit es um Ganztagsschulen gehe, müssten diese allein dem Bildungsauftrag der Schule dienen. Die Ganztagsschule könne wesentlich mehr der Aufmerksamkeitskurve der Schüler entsprechen und zu einer Rhythmisierung des Unterrichts beitragen. Entscheidend für guten Unterricht sei Vertrauen. Dieses lasse sich in einer Ganztagsschule zwischen Schülern und Lehrer besser aufbauen. Insbesondere sei von Vorteil, dass bei der Hausaufgabenförderung eine bessere Kontrolle auf die Sinnhaftigkeit von Hausaufgaben stattfinde. Insoweit könne auf die Erfolge des privaten Nachhilfeunterrichts verwiesen werden.

4. Eingangs- und Durchgangsselektivität ist im deutschen Schulsystem besonders hoch.

Das ist ursächlich auf strukturell vermittelte Bewusstseinslagen der Lehrer und damit korrespondierender pädagogischer Überzeugungen und Handlungsmuster zurückzuführen.

5. Bildungsarmut ist auf Bildungsbenachteiligung zurückzuführen, aber nicht jede Bildungsbenachteiligung führt zu Bildungsarmut. Bildungsbenachteiligung ist häufig auf Bewusstseinslagen der Lehrer zurückzuführen.

In der Oberstufe und der Universität sei in Deutschland faktisch eine Einheitsschule eingeführt. Für den universitären Bereich sei dringend die Durchführung einer PISA-Studie notwendig. Ab der Oberstufe finde praktisch keine Selektion mehr statt. Insbesondere in den Universitäten sei mit Ausnahme der Rechtswissenschaften kaum eine Selektion unter den Studenten festzustellen. In einigen Studiengängen liege die Durchschnittsnote sogar bei „1".

Bei allen Reformen sei darauf zu achten, dass eine Erfolgskontrolle und eine Spezialförderung (z. B. für Ängstliche, Konzentrationsschwache, Hochbegabte etc.) erfolge.

Hinsichtlich der Lehrerbildung sei insbesondere die Nachwuchsgewinnung problematisch.

Hier müssten schon in einem sehr frühen Studienstadium psychologische Eingangstests für Lehrer eingeführt werden. Ein großer Anteil der Lehrer gehöre zum sog. „Schonungstyp", der bereits im Studium Strategien entwickele, um mit möglichst wenig Arbeit im Schulsystem zu überleben. Was in anderen Berufsgruppen einzelne schwarze Schafe seien, seien im Lehrerberuf ganze Herden.

d) Anhörung vom 14.09.

Die Sachverständige Dr. Anne Otto, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Saarbrücken, hat in das Thema „Weiterbildung" eingeführt. Sie hat dargelegt, die Weiterbildungsquote in Deutschland sei im internationalen Vergleich sehr niedrig. Dies habe insbesondere für Geringqualifizierte, Ältere und Personen mit Migrationshintergrund zu gelten.

Wolle man Weiterbildungsaktivitäten in den jeweiligen Zielgruppen verstärken, so stünden folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

1. Individuelle Weiterbildung Grund für die Nichtteilnahme an Weiterbildung sei u.a. mangelnde Information über Angebote und Nutzen von Qualifizierung. Hier könne eine aktive Weiterbildungsberatung, z.B. durch Betriebsbesuche, mehr Transparenz schaffen.

Hilfreich seien daneben zielgruppenspezifische Weiterbildungsangebote, da Lern- und Motivationshemmnisse sowie die Angst vor Misserfolg von der Teilnahme an Weiterbildung abhielten. Weiterbildungsangebote müssten daher auf die spezifischen Bedürfnisse einzelner Gruppen (z.B. Sprachprobleme bei Ausländern) zugeschnitten sein.

Weiterhin sei eine Verbesserung der Rahmenbedingungen des Lernens vor allem für Personen mit Kindern zu fordern. Hier sei z. B. an Fortbildungsveranstaltungen am Vormittag zu denken.

Um lebenslanges Lernen zu ermöglichen, müssten auch entsprechende finanzielle Ressourcen geschaffen werden. Vor allem für bildungsferne Gruppen seien Bildungsinvestitionen problematisch, da diese kaum finanzielle Rücklagen bilden könnten. Als Teillösungen böten sich hier „Bildungssparen" oder die steuerliche Anerkennung von Aufwendungen für Weiterbildung an.

Auch eine Verstärkung der informellen, arbeitsintegrierten Weiterbildung führe zu einer Ausweitung von Weiterbildungsaktivitäten. Hier seien die Zugangsbarrieren gering, weswegen sich in Studien nur geringe Unterschiede zwischen der Weiterbildungsbeteiligung verschiedener Gruppen zeigten. Vor allem für kleine und mittlere Betriebe sei arbeitsplatznahes Lernen attraktiv, da es für diese mit geringeren Kosten verbunden sei.

2. Betriebliche Weiterbildung

Auch was die betriebliche Weiterbildung angehe, so sei eine Verstärkung der informellen Weiterbildung und der Weiterbildungsberatung wünschenswert. Das geringe Weiterbildungsengagement von Betrieben beruhe u.a. auf dem Fehlen von systematischen Personal- bzw. Qualifikationsbedarfsanalysen sowie auf der falschen Einschätzung zur Relevanz von Qualifikationen. Hier könne es hilfreich sein, spezielle Beratungsmaßnahmen für Unternehmen durchzuführen, wie sie in anderen europäischen Ländern bereits umgesetzt würden.

An weiteren Möglichkeiten böten sich an: Weiterbildungsnetzwerke, Lernzeitkonten, Weiterbildung in der Zeitarbeit.

Die Sachverständige hat sich zu der Frage geäußert, ob tatsächlich der in der Öffentlichkeit z. T. wahrgenommene Ingenieurmangel in Deutschland existiert oder zu erwarten ist. Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Neueinstellungen in den Ingenieurberufen heute häufiger als früher mit Schwierigkeiten verbunden seien, da die geforderten berufsfachlichen Kenntnisse fehlten. Ein genereller Ingenieurmangel könne jedoch nicht festgestellt werden. Dieser betreffe vielmehr einzelne Fachbereiche der Ingenieurwissenschaften. Besonders gesucht seien Maschinenbau-, Elektro- und Wirtschaftsingenieure. Lediglich 11 % der neu eingestellten Ingenieure seien jedoch aus der Arbeitslosigkeit heraus eingestellt worden. Hier manifestiere sich, dass es oft an den geforderten fachlichen Qualifikationen fehle. Mittelfristig werde jedoch durch die Folgen des Demografischen Wandels eine zunehmende Knappheit an Ingenieuren in Deutschland eintreten. Dem müsse durch verstärkte Aktivitäten im Bereich des Weckens von Interesse für technische Berufe, insbesondere bei Frauen, begegnet werden.

Die höhere Arbeitslosigkeit von weiblichen Ingenieuren sei auf Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zurückzuführen. Hier fehle es häufig an der nötigen Mobilität.

Die Sachverständige Heike Hartinger, Festo-Lernzentrum GmbH Saar, St. Ingbert, hat aus Sicht der Unternehmen in die Herausforderungen des Demografischen Wandels für die Hoch- und Berufsschulen eingeführt.

Sie hat erklärt, aus Sicht der Unternehmen stellten sich folgende Herausforderungen: Angesichts sinkender Geburtenzahlen müsse eine Lösung für die Deckung des Bedarfs an Arbeitskräften gefunden werden.

Die längere Lebensarbeitszeit mache ein lebenslanges Lernen erforderlich. Frauen seien künftig als Arbeitskraft gefragt. Dies verlange aber eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Zunehmend mehr Schüler hätten einen Migrationshintergrund, weswegen eine bessere Integration und bessere Bildungschancen für diese Bevölkerungsgruppe nötig seien.

Eine steigende Zahl von Erwerbsfähigen ohne Berufsabschluss mache angesichts des durch den Demografischen Wandel ausgelösten Arbeitskräftemangels Qualifizierungsaktivitäten für diese Personengruppe erforderlich.

Innerhalb der Bildungslandschaft bestehe eine schlechte Vernetzung. Hier sei mehr Kooperation zwischen den verschiedenen Lernstandorten von Schule über Berufs- und Hochschule bis hin zu den Unternehmen zu fordern.