Einkommensrechtliche und steuerliche Behandlung von Aufwandsentschädigungen ehrenamtlich tätiger Mitbürgerinnen und Mitbürger

Vorbemerkung des Fragestellers: „Bezüglich der Behandlung von Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten ergeben sich hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen Unterschiede zwischen dem SGB II und dem SGB XII."

Wie erfolgt die Umsetzung dieser abweichenden Regelungen in der Praxis der Anrechnung von Einkommen im Saarland

a) in Bezug auf die Anrechnung von Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit

aa) in gemeinnützigen bzw. mildtätigen Vereinen?

bb) für andere ehrenamtliche Tätigkeiten, die nicht öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterliegen?

b) in Bezug auf die Anrechnungen von Aufwandsentschädigungen für Tätigkeiten, die öffentlich rechtlichen Regelungen unterliegen, insbesondere kommunale und politische Ehrenämter?

Zu Frage 1: Im Rechtsbereich des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) wurden bisher Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten unter den Bedingungen des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II als zweckbestimmte Einnahmen in aller Regel anrechnungsfrei gelassen. Dabei wurden in der Praxis durch die Bundesagentur für Arbeit und den zugelassenen kommunalen Trägern u.a. folgende Einnahmen als zweckbestimmte Einnahmen, die einem anderen Zweck als das Arbeitslosengeld II/Sozialgeld dienen, angesehen:

· Aufwandsentschädigungen für Mitglieder kommunaler Vertretungen und Ausschüsse,

· steuerfreie Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen für öffentliche Dienste im Rahmen des tatsächlichen Aufwandes,

· steuerfreie Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit nach § 3 Nr. 26 EStG (z.B. Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer) bzw. Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit im gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Bereich bis zur Höhe des Freibetrages nach § 3 Nr. 26a EStG,

· Aufwandsentschädigungen im Rahmen sonstiger ehrenamtlicher Tätigkeiten (z.B. freiwillige Feuerwehr). Unberücksichtigt bleiben diese zweckbestimmten Einnahmen, auch wenn sie anderen Zwecken dienen als die Leistungen nach dem SGB II, jedoch nur, soweit sie die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären. Dies wäre der Fall, wenn durch die Einnahmen die individuellen Verhältnisse des Empfängers derartig verändert werden, dass sich der Hilfebedarf im Monat des Zuflusses deutlich verringert. Die Entscheidung über die Höhe der Zuwendung, ab der die Lage des Empfängers von Leistungen nach dem SGB II so günstig beeinflusst wird, dass diese nicht mehr gerechtfertigt wären, ist von dem zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Einzelfall zu treffen.

Eine Prüfung, ob zweckbestimmte Einnahmen, die einem anderen Zweck als das Arbeitslosengeld II/Sozialgeld dienen, als Einkommen zu berücksichtigen sind, weil daneben Leistungen nach dem SGB II ungerechtfertigt wären („Gerechtfertigkeitsprüfung"), ist entbehrlich, wenn die Einnahmen einen Betrag in Höhe einer halben monatlichen Regelleistung (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II) nicht übersteigen. Dies gilt für jedes Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft separat, wenn mehrere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zweckbestimmte Einnahmen haben. Die Gerechtfertigkeitsprüfung ist auch anzustellen, wenn sowohl in § 3 Nr. 26 EStG als auch in § 3 Nr. 26a EStG genannte Tätigkeiten ausgeübt werden.

Erfüllt die konkrete Ausgestaltung des kommunalen Ehrenamtes dagegen die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der Sozialversicherung (z.B. Ortsvorsteher, ehrenamtliche Beigeordnete) oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit, findet auf die gewährte Entschädigung die Freibetragsregelung in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 30 SGB II sowie § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II („Grundfreibetrag") Anwendung.

Im Rechtsbereich des Zwölften Buches Soziagesetzbuch (SGB XII) sind in der Verwaltungspraxis der Träger der Sozialhilfe bisher nur wenige Einzelfälle aufgetreten. Sie betrafen die einkommensrechtliche Behandlung steuerfreier Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit in gemeinnützigen bzw. mildtätigen Vereinen sowie für andere ehrenamtliche Tätigkeiten, die nicht öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterliegen.

Nach § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind bei der Berechnung der Einkünfte in Geld oder Geldeswert, die nach § 82 Abs. 1 SGB XII zum Einkommen gehören, alle Einnahmen ohne Rücksicht darauf, ob sie zu den Einkommensarten des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören und ob sie der Steuerpflicht unterliegen, zugrunde zu legen. Der die Sozialhilfe prägende Grundsatz der Individualität verlangt, dass der Träger der Sozialhilfe einzelfallbezogen prüft, wie hoch der Entgeltanteil und der Aufwandsanteil bei der Aufwandsentschädigung ist. Nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII ist der Teil der Aufwandsentschädigung vollständig frei zu lassen, der die pauschale Abgeltung der mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen beinhaltet. Nach § 82 Abs. 3 SGB XII ist von dem restlichen Teilbetrag bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ferner ein Betrag in Höhe von 30 v.H., höchstens aber 50 v.H. des Eckregelsatzes frei zu lassen. Darüber hinaus kann in begründeten Fällen auch ein höherer Betrag abgesetzt werden, wenn besondere Gründe vorliegen.

Anders als im Rechtsbereich des SGB II sind als zweckbestimmte Einnahmen nur Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, als Einkommen zu berücksichtigen und nur so weit, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient (§ 83 Abs. 1 SGB XII). Sofern eine steuerfreie Entschädigung für eine ehrenamtliche Tätigkeit auf privatrechtlicher Grundlage geleistet wird, ist diese Regelung nicht anwendbar.

Gibt es für die unterschiedlichen Fallkonstellationen (Leistungen nach SGB II und SGB XII, öffentliche vs. nicht-öffentliche Ehrenämter) unterschiedliche Anrechnungsgrenzen bezüglich eventueller anrechnungsfreier Beträge?

Wie stellt sich das konkret dar?

Wie hoch sind die jeweiligen Freibeträge?

Gibt es bezüglich der oben dargestellten Zusammenhänge im Bereich des Saarlands schriftliche bzw. verbindliche Richtlinien, Dienstanweisungen und Verfahrensvorschriften?

Zu Frage 2: Siehe Antwort zu Frage 1.

Neben den fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit zum SGB II gibt es im Bereich des Saarlandes keine weiteren Richtlinien, Dienstanweisungen und Verfahrensvorschriften zur einkommensrechtlichen Behandlung von Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlich tätige Mitbürgerinnen und Mitbürger im Leistungsbezug nach dem SGB II. Im Rechtsbereich des SGB XII gibt es keine verbindlichen Richtlinien, Dienstanweisungen und Verfahrensvorschriften im Sinne der Fragestellung.

Wie beurteilt die Landesregierung allgemein die Tatsache, dass die Regelungen des SGB II und des SGB XII in diesen Punkten unterschiedliche Regelungen enthalten? Welche Überlegungen gibt es ggf. seitens des Saarlandes zu einer dementsprechenden Bereinigung, z. B. im Hinblick auf eine Bundesratsinitiative?

Zu Frage 3: Das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch beinhaltet eine Vereinheitlichung der einkommensrechtlichen Behandlung von Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement im SGB II und SGB XII. Erhält eine leistungsberechtigte Person mindestens aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind, ist ein Betrag von (bis zu) 175 monatlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen (§ 11b Abs. 2 neu- SGB II, § 82 Abs. 3 -neu- SGB XII).

Der Bundesrat hat am 25.2.2011 dem vom Deutschen Bundestag am 3.12.2010, 11.2.2011 und 25.2.2011 verabschiedeten Gesetz zugestimmt (BR-Drs. 109/11).

Die Landesregierung begrüßt diese Vereinheitlichung. Wir brauchen eine Gesellschaft, in der sich Menschen für andere einsetzen und dadurch zum Gemeinwohl beitragen.

Den arbeitsuchenden Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfängern ermöglicht die Wahrnehmung ehrenamtlicher Aufgaben Eigenschaften wie Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Stetigkeit, Selbstbewusstsein und gesellschaftliches Ansehen zu vertiefen oder zu erwerben und hierdurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Wertvoll sind ehrenamtliche Tätigkeiten aber auch für Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger, denen aufgrund von Alter, persönlichen Beeinträchtigungen und Leistungsdefiziten vielfach soziale Anerkennung fehlt. Dem individuellen Teilhabebedürfnis am Leben in der Gemeinschaft kann mit der Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit Rechnung getragen werden.