Gescheiterte Fusion von IKK Südwest, AOK Saarland und AOK Rheinland-Pfalz

Vorbemerkung der Fragestellerin: „Die lange geplante Fusion der Krankenkassen IKK Südwest, AOK Saarland und AOK Rheinland Pfalz zur „Gesundheitskasse Südwest" ist Anfang September 2011 mit dem Beschluss des IKKVerwaltungsrates, den Antrag auf Fusion zurückzuziehen, vorerst gescheitert. Der Zusammenschluss hätte für Versicherte und Mitglieder viele Vorteile gehabt. Eine gemeinsame Kasse mit 1,9 Millionen Versicherten, mehr als 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie einem Etat von rund fünf Milliarden Euro wäre entstanden. Die gemeinsame Organisation hätte zum regionalen Marktführer und zur leistungsfähigsten Kasse der Region werden können. Sowohl eine bessere Durchmischung der Versichertenstruktur als auch entstehende Vorteile bei Verhandlungen mit Pharmaunternehmen, Trägern von Krankenhäusern oder Ärzteorganisationen lagen im Interesse der saarländischen Versicherten. Als Grund für das Scheitern der Fusion wurde ein Streit um das beim Marktauftritt zu verwendende Logo der angestrebten „Gesundheitskasse Südwest" angegeben. Der Öffentlichkeit ist es schwer zu vermitteln, dass eine seit mehr als zwei Jahren geplante Fusion lediglich am Streit über das Logo einer Krankenkasse gescheitert sein soll."

Vorbemerkung der Landesregierung:

Mit Schreiben vom 07.07.2011 haben die IKK Südwest sowie die AOK Saarland die Genehmigung der freiwilligen Vereinigung mit der AOK Rheinland-Pfalz beantragt.

§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGB V räumt Ortskrankenkassen die Möglichkeit ein, sich auf Beschluss ihrer Verwaltungsräte miteinander zu vereinigen ­ und zwar auch über das Gebiet eines Landes hinaus. Gleiches gilt gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch für Innungskrankenkassen. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht nur um eine länderübergreifende, sondern auch um eine kassenartenübergreifende Fusion, die jedoch gemäß § 171a Abs. 1 Satz 1 SGB V ebenfalls zulässig ist.

Voraussetzung für eine freiwillige Vereinigung sind gleichlautende Beschlüsse der Verwaltungsräte der jeweiligen an der Vereinigung beteiligten Krankenkassen (§ 171a Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit §§ 160 Abs. 1 Satz 1, 144 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Die Fusionsbeschlüsse der IKK Südwest sowie der AOK Saarland wurden von der für beide Kassen zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz des Saarlandes, mit Bescheid vom 08.07.2011 genehmigt, der diesbezügliche Beschluss der AOK Rheinland-Pfalz von deren rheinland-pfälzischen Aufsichtsbehörde, dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Demografie, ebenfalls genehmigt.

In einem zweiten Prüfungs- und Genehmigungsschritt hatte die für die Fusionskasse zuständige Aufsichtsbehörde die Satzung der Fusionskasse und deren Vereinbarung über die Rechtsbeziehungen zu Dritten zu genehmigen, die Mitglieder der Organe zu berufen und den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem die Vereinigung wirksam wird (§§ 171a Abs. 1 Satz 3, 144 Abs. 3 SGB V). Da die neue Fusionskasse nach dem übereinstimmenden Willen der drei an der Vereinigung beteiligten Kassen ihren Sitz in Eisenberg (Rheinland-Pfalz) haben sollte, war das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz zuständige Behörde. Diese genehmigte mit Bescheid vom 12.08.2011 die Vereinigung der AOK Rheinland-Pfalz mit der AOK des Saarlandes und der IKK Südwest zum 01. Januar 2012.

Die Mutmaßung, die Fusion sei an Differenzen hinsichtlich des Marktauftritts gescheitert, wird von der Landesregierung nicht geteilt. Gemäß § 171a Abs. 1 Satz 3 SGB V haben die Krankenkassen im Falle einer kassenartenübergreifenden Vereinigung ihrem Fusionsantrag eine Erklärung beizufügen, welche Kassenartzugehörigkeit aufrecht erhalten bleiben soll. Die drei an der Fusion beteiligten Kassen hatten sich einvernehmlich für die Kassenart der allgemeinen Ortskrankenkassen entschieden. Diese Entscheidung für die Kassenart der allgemeinen Ortskrankenkassen sollte nach dem Willen der beiden AOKen auch im Marktauftritt der neuen Fusionskasse ihren Ausdruck finden.

In seiner Sitzung am 05. September 2011 hat der Verwaltungsrat der IKK Südwest beschlossen, „dass die IKK Südwest nicht im Wege einer freiwilligen Vereinigung nach § 171a i. V. m. §§ 143, 144 sowie 160 SGB V mit der AOK - Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz und der AOK - Die Gesundheitskasse im Saarland fusionieren wird".In diesem Zusammenhang wurden die Vereinigungsbeschlüsse vom 14.12.2010 und 07.07.2011 zurückgenommen. Als Grund gab der Vorsitzende des Verwaltungsrates der IKK Südwest in einem Schreiben an Frau Ministerin Malu Dreyer sowie an Herrn Minister Georg Weisweiler „die Ihnen bekannten Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Gestaltung des Marktauftritts" an.

Die nach § 171a Abs. 1 Satz 3 SGB V obligatorische Entscheidung für eine bestimmte Kassenart, die rechtliche Tragweite und die Irreversibilität dieser Entscheidung sind nach den Erkenntnissen der Landesregierung zwischen den Fusionskassen offensichtlich unterschiedlich interpretiert worden, was letztlich dazu geführt hat, dass die IKK Südwest ihren Vereinigungsbeschluss wieder zurückgenommen hat. Diese divergierenden Rechtsauffassungen über die künftige Kassenartzugehörigkeit der Fusionskasse ­ und nicht etwa ein Streit über die graphische Gestaltung des künftigen Marktauftritts ­ haben nach Erkenntnissen der Landesregierung zum Scheitern der Fusionsverhandlungen geführt.

Wer war an den Fusionsverhandlungen beteiligt?

In welchem Umfang waren Vertreterinnen und/oder Vertreter der Landesregierung in die Gespräche über die geplante Fusion eingebunden?

Welche Positionen haben sie im Falle einer Einbindung vertreten und wie wurden die Einflussversuche von den anderen Verhandlungsparteien aufgenommen? An welchen Stellen wurden Erfolge bzw. Misserfolge erzielt? Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über etwaige weitere Streitfragen aus den Verhandlungen, abgesehen von der Frage des Logos?

Zu Frage 1: Freiwillige Vereinigungen von Krankenkassen setzen gleichlautende Beschlüsse der Verwaltungsräte der an der Vereinigung beteiligten Krankenkassen voraus. Demzufolge waren an den Fusionsverhandlungen die Verwaltungsräte sowie die Vorstände der drei fusionswilligen Krankenkassen beteiligt. Auf Einladung der rheinland-pfälzischen Aufsichtsbehörde fanden ­ beginnend im Februar 2010 ­ mehrere Besprechungen auf Fachebene statt, an der neben den Vorständen der drei fusionsbereiten Kassen, Vertretern der Aufsichtsbehörden in Rheinland-Pfalz und im Saarland auch Vertreter des AOK Bundesverbandes teilnahmen. Ziel dieser Besprechungen war es, die Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens mit den beteiligten Kassenvertretern möglichst frühzeitig zu besprechen.

In mehreren Gesprächen mit den Vorständen und Verwaltungsratsvorsitzenden der drei an der Fusion beteiligten Krankenkassen haben Frau Ministerin Malu Dreyer und Herr Minister Georg Weisweiler sich über den jeweiligen Stand der Fusionsverhandlungen informieren lassen. In diesen Gesprächen wie auch in einer Reihe von Einzelgesprächen mit einzelnen Akteuren des Vereinigungsprozesses haben Frau Ministerin Dreyer wie auch Herr Minister Weisweiler immer wieder erklärt, dass die Chance ergriffen werden sollte, im Saarland und in Rheinland-Pfalz eine starke regionale Krankenkasse zu schaffen.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen.

Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Rolle der Verwaltungsräte der drei Einzelkassen in den Verhandlungen?

Zu Frage 2: Krankenkassen können sich auf Beschluss ihrer Verwaltungsräte freiwillig vereinigen (§§ 144 Abs. 1 Satz 1, 150 Abs. 1 Satz 1, 160 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Das für Krankenkassen geltende Organisationsrecht weist somit deren Verwaltungsräten die zentrale Rolle im Prozess der freiwilligen Vereinigung zu. Die Verwaltungsräte ­ und nur diese können eine freiwillige Vereinigung beschließen. Diese Beschlussfähigkeit kann von niemand anderem ­ auch nicht von den Aufsichtsbehörden der an der Fusion beteiligten Kassen ­ wahrgenommen werden.

Wie schätzt die Landesregierung das Scheitern der Fusion politisch ein? Wo liegen nach Auffassung der Landesregierung die Gründe für das Scheitern?

Zu Frage 3: Der Entschluss, eine Vereinigung mit einer anderen Kasse einzugehen, ist ­ wie in der Antwort zu Frage 2 dargestellt wurde - das alleinige Recht des Verwaltungsrates einer Kasse. Ebenso verhält es sich mit dem Widerruf eines bereits getroffenen Vereinigungsbeschlusses. Beide Entscheidungen können von der Aufsichtsbehörde der Kasse lediglich auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Der Aufsichtsbehörde steht es nicht zu, diese Rechtskontrolle mit politischen Zielvorstellungen zu überfrachten, selbst wenn diese unter Versorgungsgesichtspunkten sinnvoll und wünschenswert erscheinen. Diese Überlegungen würden den der Aufsichtsbehörde eingeräumten rechtsaufsichtlichen Prüfungsrahmen überschreiten und deren Entscheidung damit angreifbar machen.

Wie in der Vorbemerkung dargestellt worden ist, war nach Einschätzung der Landesregierung eine zwischen den Fusionspartnern bestehende unterschiedliche Rechtsauffassung über die Rechtsqualität der Entscheidung für die Kassenart der allgemeinen Ortskrankenkassen ursächlich für den Widerruf des Vereinigungsbeschlusses durch die IKK Südwest.

Plant die Landesregierung Initiativen, um darauf hinzuwirken, dass die Fusionsverhandlungen wieder aufgenommen werden? Wenn ja, welche? Wie steht die Landesregierung zu der Aufforderung von IKK-Chef Frank Spaniol an die Ministerpräsidentin des Saarlandes und den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, sich aktiv in die Verhandlungen einzubringen?

Zu Frage 4: Sollten die beiden Parteien die Gespräche wieder aufnehmen, wird die Landesregierung diese wie auch in der Vergangenheit positiv begleiten.