Ausführungsvorschrift zur Strafprozessordnung

§ 60a Gerichtsärzte:

(1) Zu Gerichtsärzten im Sinne des § 87 Absatz 2 der Strafprozessordnung können mit deren Einverständnis niedergelassene oder andere approbierte Ärztinnen und Ärzte bestellt werden, die hierfür persönlich geeignet sind und die erforderliche Sachkunde besitzen. Den zu Gerichtsärzten im Sinne des § 87 Absatz 2 der Strafprozessordnung bestellten Ärztinnen und Ärzten kann mit deren Einverständnis die Befugnis zur Ausübung bestimmter weiterer gerichtsärztlicher Tätigkeiten übertragen werden, soweit sie neben der persönlichen Eignung auch über die hierfür erforderliche Sachkunde verfügen.

(2) Die in Absatz 1 genannten Ärztinnen und Ärzte sind im Rahmen ihrer Bestellung befugt und verpflichtet, alle Aufträge auszuführen, die ihnen seitens der Staatsanwaltschaft Saarbrücken oder ihren Ermittlungspersonen oder eines saarländischen Gerichts erteilt worden sind.

(3) Zuständig für die Bestellung zum Gerichtsarzt im Sinne des § 87 Absatz 2 der Strafprozessordnung sowie für die Übertragung der Befugnis zur Ausübung weiterer gerichtsärztlicher Tätigkeiten ist das Ministerium der Justiz im Benehmen mit dem Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz sowie, wenn der Arzt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land steht, im Einvernehmen mit der obersten Dienstbehörde.

(4) Die Dienstaufsicht über die in Absatz 1 genannten Ärztinnen und Ärzte steht in gerichtsärztlichen Angelegenheiten dem Ministerium der Justiz im Benehmen mit dem Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz sowie, wenn der Arzt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land steht, im Benehmen mit der obersten Dienstbehörde zu.

- 4 (5) Auf die Bestellung gemäß Absatz 1 sowie deren Rücknahme oder Widerruf ist das Saarländische Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden.

(6) Etwaige Verwaltungsvorschriften über die Bestellung gemäß Absatz 1 sowie deren Rücknahme oder Widerruf erlässt das Ministerium der Justiz im Benehmen mit dem Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz."

Artikel 2:

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

- 5 Begründung:

A. Allgemeines:

Gemäß § 87 Absatz 2 StPO sind Leichenöffnungen von zwei Ärzten vorzunehmen, von denen einer Gerichtsarzt oder Leiter eines öffentlichen gerichtsmedizinischen oder pathologischen Instituts oder ein von diesem beauftragter Arzt des Instituts mit gerichtsmedizinischen Fachkenntnissen sein muss. Aber auch jenseits der Leichenöffnung gilt im Strafverfahrensrecht der Grundsatz, dass zu beauftragende Sachverständige über eine öffentlich ­ rechtliche Legitimation verfügen sollen, so dass Gutachtenaufträge grundsätzlich nur an „öffentlich bestellte" Sachverständige vergeben werden sollen (§§ 161a Absatz 1 Satz 1, 73 Absatz 2 StPO). Diese Grundsätze gelten auch in den übrigen Gerichtsbarkeiten und Verfahrensordnungen (§ 404 Absatz 2 ZPO, § 30 Absatz 1 FamFG, 98 VwGO, 46 ArbGG, 118 Absatz 1 SGG).

Die öffentlich ­ rechtliche Legitimation von Sachverständigen wird durch „öffentliche Bestellung" bewirkt. Eine Rechtsgrundlage zur öffentlich-rechtlichen Bestellung von Sachverständigen auf Gebieten der Rechtsmedizin existiert im saarländischen Landesrecht nicht. Die im Bundesrecht vorgesehene Möglichkeit der Bestellung von „Gerichtsärzten" (vgl. § 87 Absatz 2 StPO), von der etwa der Freistaat Bayern oder das Bundesland Baden-Württemberg in verschiedenartiger Ausgestaltung Gebrauch gemacht haben, bleibt im Saarland ungenutzt, so dass ­ etwa im Bereich der Leichenöffnung - grundsätzlich nur der Leiter des Rechtsmedizinischen Instituts oder des Instituts für Pathologie und von diesen beauftragte Ärzte des Instituts mit gerichtsmedizinischen Fachkenntnissen als Sachverständige in Betracht kommen.

Die Bedürfnisse der staatsanwaltschaftlichen und gerichtlichen Praxis und das Beschleunigungsgebot erfordern indes, dass ­ nicht zuletzt bei steigenden Verfahrenszahlen ­ eine hinreichende Zahl qualifizierter Sachverständiger mit öffentlicher Legitimation zur Verfügung steht. Diesem Ziel kann durch die Schaffung einer landesrechtlichen Rechtsgrundlage zur Bestellung von „Gerichtsärzten" Rechnung getragen werden. Dabei ist im Bestellungsverfahren sicherzustellen, dass eine hinreichende Grundlage für das mit dem Bestellungsakt verbundene öffentliche Vertrauen besteht, was erfordert, dass die zu bestellende Ärztin/der zu bestellende Arzt über die erforderliche Sachkunde und die persönlichen Eignungsvoraussetzungen für die Beleihung mit der Funktion des „Gerichtsarztes" verfügt.

B. Im Einzelnen:

Zu Artikel 1: § 60a Absatz 1 regelt in den Sätzen 1 und 2 die Bestellung von Ärztinnen und Ärzten zu Gerichtsärzten im Sinne des § 87 Absatz 2 StPO sowie die Übertragung der Befugnis zur Ausübung bestimmter weiterer gerichtsärztlicher Tätigkeiten (wie z. B. toxikologische, molekulargenetische, verkehrsmedizinische oder sexualmedizinische Untersuchungen). Dabei sind § 60a Absatz 1 Sätze 1 und 2 als Befugnisnormen konzipiert und sollen kein subjektiv-öffentliches Recht begründen. Ein Antragsteller, der die Bestellung gemäß § 60a Absatz 1 Sätze und/oder 2 beantragt, hat zwar nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts einen Anspruch auf Bescheidung seines Antrages, er hat aber keinen einklagbaren Anspruch auf Zugang zur Tätigkeit des Gerichtsarztes oder sonstiger gerichtsärztlicher Tätigkeiten. Vielmehr steht es dem zuständigen Ministerium frei, ob und in welchem Umfang es von der ihm eingeräumten Befugnis zur Bestellung Gebrauch macht.

- 6 Auf der Tatbestandsseite fordern § 60a Absatz 1 Sätze 1 und 2, dass die zu bestellende Person niedergelassene/r oder approbierte/r Ärztin oder Arzt sein muss; das Innehaben einer kassenärztlichen Zulassung ist demgegenüber keine materielle Bestellungsvoraussetzung. Ferner muss die zu bestellende Person „persönlich geeignet" sein und in fachlicher Hinsicht die „erforderliche Sachkunde" besitzen. Beide Merkmale sind im öffentlichen Recht eingeführte, justiziable Rechtsbegriffe (vgl. zur persönlichen Eignung etwa: § 6 WaffG, § 6 BNotO; zur „erforderlichen Sachkunde": § 42 Absatz 1

AGGVG-BW). Durch die Prüfung der persönlichen Eignung soll unter anderem gewährleistet werden, dass die zu bestellende Person geschäftsfähig ist sowie physischen, psychischen und charakterlichen Anforderungen an die Ausübung der Gutachtertätigkeit erfüllt. Die erforderliche Sachkunde besitzt, wer Fachärztin oder Facharzt für Rechtsmedizin ist und über hinreichende praktische Erfahrungen auf dem jeweils ihm zugewiesenen Tätigkeitssegment verfügt. Da die Bestellung gemäß § 60a Absatz 1 Satz 2 sich auf „bestimmte" gerichtsärztliche Tätigkeiten zu beziehen hat und nicht pauschal erfolgen darf, hat sich auch die Sachkundeprüfung auf das jeweils übertragene Gebiet zu beziehen.

Die Bestellung zum Gerichtsarzt gemäß § 87 Absatz 2 StPO sowie die Einräumung der Befugnis zur Ausübung bestimmter weiterer gerichtsärztlicher Tätigkeiten ist ein Verwaltungsakt, der den Adressaten zugleich begünstigt und beschwert, da der Adressat mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Ausführung erteilter Gutachtenaufträge belastet wird (vgl. § 60a Absatz 2). Daher setzt die Bestellung das widerrufliche Einverständnis der zu bestellenden Person voraus.

Die Zuständigkeit zur Bestellung liegt korrespondierend zu den jeweiligen Ressortkompetenzen beim Ministerium der Justiz im Benehmen mit dem Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz.

Da die Bestellung einen Beleihungsakt darstellt und den Adressaten der Bestellung zur Ausübung einer öffentlich legitimierten Tätigkeit befugt und verpflichtet, wird er der Dienstaufsicht unterstellt, deren sachliche Zuständigkeit mit den Bestellungskompetenzen korrespondiert. Ein Anspruch auf Gutachtenerteilung wird durch die Bestellung nicht begründet.

Auf das Verfahren der Bestellung sowie deren Rücknahme oder Widerruf findet das Saarländische Verwaltungsverfahrensgesetz Anwendung. Sollte sich der Erlass von Verwaltungsvorschriften als notwendig erweisen, so werden diese vom Ministerium der Justiz im Benehmen mit dem Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz erlassen.

Zu Artikel 2:

Dieser Artikel regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.