Die Verwendung der im Stellenplan 1995 ausgewiesenen Stellen ohne Ausbildungspositionen vgl
Prognosewerten bei 80 v. H. Der Rechnungshof verkennt nicht, dass wegen des Fehlens gesicherter Grundlagen im Ostteil der Stadt zuverlässige Prognosen schwierig waren. Dennoch hätten die Stellenforderungen der Oberfinanzdirektion für die Finanzämter gegenüber der Dienstkräfteanmeldung für 1995/1996 oder spätestens bei den Haushaltsberatungen reduziert werden müssen. Die Stellenzahl ist deshalb den tatsächlichen Fallzahlen anzupassen. Die nicht benötigten Personalmittel sind im Rahmen der Haushaltswirtschaft einzusparen.
Die Verwendung der im Stellenplan 1995 ausgewiesenen Stellen ohne Ausbildungspositionen (vgl. H. des Stellenplans) einschließlich Reserven (Stellen ohne Aufgabengebiete) gemeldet. Eine stichprobenartige Prüfung dieser Unterlagen ergab, dass Stellen teilweise schon seit 1992 unbesetzt waren. In den Quartalsmeldungen über freie Stellen, die für den Unterausschuß „Stellenplan" des Hauptausschusses bestimmt waren, hat die Oberfinanzdirektion die Daten nicht korrekt aufgezeigt. Hierdurch hat der Unterausschuß „Stellenplan" unzutreffende Beratungsunterlagen erhalten. Die Senatsverwaltung für Finanzen rechtfertigte ihr vom Rechnungshof beanstandetes Verhalten mit einer irrtümlichen Auslegung der Meldegrundlagen. Sie hat inzwischen zugesagt, die freien Stellen vom 1. Januar 1996 an richtig aufzugliedern.
Zum Zeitpunkt der Prüfung durch den Rechnungshof wurden
Reservestellen vorgehalten (vgl. T 454). Davon entfallen 399,5 Reservestellen auf die Finanzämter im Ostteil Berlins als Folge der unzutreffend prognostizierten Fallzahlen; sie sind nach Mitteilung der Oberfinanzdirektion wie folgt verwendet worden:
- vorübergehende Besetzung mit Überhangkräften des Landesamtes für Verteidigungslasten: 27 Stellen
- Ausfinanzierung von Stellen des ehemaligen Stellenplans A (bis einschließlich September 1996) sowie Unterstützung der Finanzkassen: 129,5 Stellen
- ungenutzte Reserve zur planmäßigen Anstellung von Beamten/-innen: 226 Stellen
Lediglich die verbleibenden 17 Stellen waren für den künftigen Wegfall vorgesehen.
Die Steuerverwaltung hat argumentiert, dass die Stellen Teil des bewilligten Gesamtbedarfs waren und somit zur personalwirtschaftlichen Dispositionsmasse gehörten. Dem steht der haushaltsrechtliche Grundsatz entgegen, wonach nur die zur Erfüllung der Aufgaben Berlins benötigten Mittel in den Haushalt eingestellt werden dürfen (§ 6 LHO). Da dies wegen der Unwägbarkeiten der Prognose nicht von vornherein möglich war, hätte es selbstverständlich sein müssen, im Zuge der laufenden Personalwirtschaft die Konsequenzen, z. B. durch interne Stellensperren, zu ziehen.
457Angesichts der großen Zahl ohnehin vorhandener freier Stellen mit in den Geschäftsverteilungsplänen nachgewiesenen Aufgabengebieten ist es nicht nachvollziehbar, warum die Steuerverwaltung auch auf die Reservestellen zurückgegriffen hat. Zusätzliche Aufgabengebiete dürfen nur eingerichtet werden, wenn die Beschäftigung der dafür vorgesehenen Dienstkräfte zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist.
Nach Nr. 1.8 AV zu § 49 LHO sind Abweichungen und Ergänzungen gegenüber den Stellenplänen nur zulässig, wenn zwingende dienstliche Gründe vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn stellenwirtschaftliche Maßnahmen unbedingt notwendig sind, um den geordneten Gang der Verwaltung sicherzustellen. Diese Voraussetzungen waren nicht erfüllt. Der Rechnungshof fordert daher die Senatsverwaltung für Finanzen und die Oberfinanzdirektion auf, den gesamten Reservepool von 449 Stellen, für den bei der Bewilligung erkennbar kein Bedarf bestand, unverzüglich haushaltswirksam aufzulösen. Dadurch könnte der Haushaltsansatz um mindestens 31,4 Mio. DM Personalausgaben verringert werden.
Eine stichprobenartige Prüfung der Stellenkartei ergab, daß die als Reservestellen für die neuen Finanzämter geführten Planstellen des höheren Dienstes überwiegend mit Angestellten der VGr. IX b bis V b (vergleichbar einfacher bis gehobener Dienst) besetzt sind oder zeitweise besetzt waren. Dies legt den Schluß nahe, dass derartige Reservestellen zeitweise besetzt werden, um sie in der „Meldung über freie Stellen" nicht angeben zu müssen. Die stellenwirtschaftliche Praxis der Oberfinanzdirektion macht deutlich, dass die Stellen für ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr benötigt werden.
Abgeordnetenhaus von Berlin 3. Wahlperiode Drucksache 13/390
Im übrigen haben die regelmäßig auch von der Oberfinanzdirektion zu erwirtschaftenden pauschalen Minderausgaben bei den Personalausgaben nicht zu personalwirtschaftlichen Einschränkungen geführt, weil im wesentlichen auf freie Stellen zurückgegriffen wurde, für die zum großen Teil ohnehin kein Bedarf bestand (vgl. T 454 und T 455). Auch diese Handlungsweise belegt, dass weitere erhebliche Personalmittel eingespart werden können. Die Steuerverwaltung hat bisher versäumt, ausgabenmindernde Sachverhalte, z. B. gegenüber den Prognosezahlen rückläufige Fallzahlenentwicklungen, nach Nr. 1.2 AV zu § 7 LHO bei der Aufstellung des Haushaltsplan-Entwurfs zu berücksichtigen. Sie hat damit die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit außer acht gelassen. Der Rechnungshof fordert von der Senatsverwaltung für Finanzen, dies unverzüglich im Rahmen der Haushaltswirtschaft nachzuholen.
Der aufgrund der Vereinigung Berlins und des Aufbaus der sieben neuen Finanzämter erforderliche erhöhte Ausbildungsbedarf führte zu einer kontinuierlichen Verstärkung der Ausbildungsmittel (vgl. T 451). Von den 2 272 Ausbildungspositionen (ohne einfacher Dienst und Büroanwärter) im Haushaltsplan 1995 wurden jedoch nur 1 572 (69 v. H.) Ausbildungspositionen in Anspruch genommen. So wurden 1993 bis 1995 insgesamt nur 650 statt 720 Anwärter des gehobenen Dienstes und 1994 bis 1995 nur 251 statt 555 Anwärter des mittleren Dienstes eingestellt. Die übrigen Ausbildungspositionen verteilen sich auf Beamte zur Anstellung im höheren, gehobenen und mittleren Dienst. Nr. 4.2 AV zu § 17 LHO).
Die Oberfinanzdirektion muss stärker ihre Möglichkeiten nutzen, durch eigene Untersuchungen in den Finanzämtern effektivere und wirtschaftlichere Strukturen sowie Arbeitsabläufe durch Vollzugskritik zu schaffen (vgl. T 467 und T 473). Ungeachtet bereits eingeführter Vereinfachungen im Verfahren der Finanzkassen fordert der Rechnungshof die Senatsverwaltung für Finanzen auf, aufgabenkritisch zu prüfen, ob eine Zentralisierung aller 23 Finanzkassen (zur Zeit
Stellen) unter Einbeziehung der IT wirtschaftlicher ist. In Hamburg werden die Kassengeschäfte für alle Finanzämter von einer Zentralkasse wahrgenommen. Weitere Stelleneinsparungen sind in den Fachbereichen bei einer Weiterführung der technischen Ausstattung für das System der „dezentral wirkenden Computerleistung" in den Berliner Finanzämtern (DCL-Verfahren) möglich. Der Rechnungshof fordert die Senatsverwaltung für Finanzen auf, die Organisation der Finanzämter aufgabenkritisch mit dem Ziel haushaltswirksamer Straffungen zu prüfen.
In einer Arbeitsgruppe „Personalbemessung in der Steuerverwaltung der Länder" wird für die Finanzämter eine neue Personalbedarfsberechnungsformel mit bundeseinheitlichem Personalbedarfsberechnungs-Muster erarbeitet, die noch 1996 wirksam werden soll. Durch deren Anwendung und den Wegfall der bisherigen Berliner Besonderheiten sind Reduzierungen vorhersehbar. Inwieweit für den Ostteil Berlins ggf.die Erkenntnisse des Arbeitskreises zur Personalbemessung in den neuen Ländern zu berücksichtigen sein werden, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht entschieden. Der Rechnungshof erwartet, dass eventuelle Zuschläge grundsätzlich nur wegen weiterhin bestehender unterschiedlicher Rechtslagen vorübergehend gewährt werden.
463Welche Auswirkungen die neuen Personalbedarfsberechnungs-Muster im einzelnen haben werden, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Unabhängig davon zeigen die Feststellungen des Rechnungshofs die Wichtigkeit zutreffender Berechnungen des Personalbedarfs und ihrer sachgerechten Fortschreibung. Der Rechnungshof erwartet, dass neben den Finanzämtern auch die Oberfinanzdirektion anteilmäßig Stellen einspart, zumal ihr Stellenbestand von 1990 bis 1994 ebenfalls kontinuierlich gestiegen ist (vgl. T 451) und sich Einsparungen in den Finanzämtern in der Regel auch auf den Aufgabenumfang der Oberfinanzdirektion auswirken. Der Rechnungshof fordert die Senatsverwaltung für Finanzen auf, gemeinsam mit der Oberfinanzdirektion die mit der neuen Personalbedarfsberechnung erwarteten Stelleneinsparungen in der Steuerverwaltung Berlins unverzüglich spätestens jedoch im Haushalt 1997 zu realisieren.
Die Senatsverwaltung für Finanzen wird aufgefordert,
- die 449 Reservestellen unverzüglich haushaltswirksam aufzulösen,
- die Differenz zwischen Ansatz und Inanspruchnahme der Ausbildungsmittel durch eine bedarfsorientierte Fortschreibung zu bereinigen,
- die Organisation der Finanzämter verstärkt aufgabenkritisch mit dem Ziel haushaltswirksamer Straffungen zu prüfen,
- nach Vorliegen des Ergebnisses der neuen Personalbedarfsberechnung unverzüglich personalwirtschaftliche Maßnahmen für die Finanzämter und die Oberfinanzdirektion einzuleiten, dabei sind alle nicht mehr benötigten Stellen mit Wegfallvermerken zu versehen und entsprechende Auswirkungen auf den Stellenplan in die Haushaltsberatungen im Rahmen der Dienstkräfteanmeldung 1997 einzubeziehen.
Der Schriftwechsel ist noch nicht abgeschlossen.
(2) Deutliche Verschlechterung der Arbeitsergebnisse der Berliner Steuerverwaltung
Die Finanzämter im Westteil der Stadt haben bei steigenden Fallzahlen deutlich weniger Steuererklärungen abschließend bearbeitet als bisher. Die Anzahl der Bearbeitungsfälle im Veranlagungsbereich mit hohen Steuernachzahlungen ist merklich gestiegen. Auch hat sich der Prüfungsturnus der Betriebsprüfungen bei allen Größenklassen deutlich verlängert. Verzögerte Steuerfestsetzungen und eine geringere Prüfungsintensität führen zu vermeidbaren Steuerausfällen. Die Steuerverwaltung ist aufgefordert, durch gezielte Maßnahmen vorhandene Personalressourcen aufzudecken und in den bedeutsamen Arbeitsgebieten einzusetzen. Sie hat die von ihr zu erbringenden Aufgaben zu gewichten und, falls erforderlich, auch Personal gezielter und finanzamtsübergreifend einzusetzen.
Die Steuerverwaltung hat in den letzten Jahren mit erheblichen Anstrengungen im Ostteil Berlins neue Finanzämter aufgebaut. Der Rechnungshof hat die Auswirkungen auf den Arbeitsstand und die Arbeitsqualität der den Aufbau unterstützenden Finanzämter im Westteil der Stadt untersucht. Er hat seine Untersuchungen bei den Finanzämtern Steglitz, Tempelhof, Tiergarten und Zehlendorf insbesondere auf die für das Steueraufkommen besonders bedeutsamen Arbeitsgebiete der Veranlagungs- und Betriebsprüfungsstellen erstreckt.
Die Gesamtbearbeitungszeit bei den Einkommensteuerfestsetzungen für 1991 hat sich bei den untersuchten Veranlagungsstellen im Vergleich zu 1987 teilweise erheblich verlängert. Lagen zwischen Erklärungseingang und Steuerfestsetzung für 1987 mindestens 54 und höchstens 98 Tage, so belief sich die Zeitspanne für 1991 auf 73 bis 134 Tage. Fiskalisch bedeutsame Steuerfälle mit Steuernachzahlungen zwischen 5 000 DM und 1,5 Mio. DM, deren Zahl in den letzten Jahren zudem stetig angestiegen ist, wiesen sogar durchschnittliche Bearbeitungszeiten von 144 Tagen auf. Der rechtzeitigen Steuerfestsetzung und der im Einzelfall an die zu erwartende Einkommensentwicklung angepaßten Steuerfestsetzung kommt wegen der Haushaltslage (vgl. T 26) eine besondere Bedeutung zu. Dies haben die untersuchten Finanzämter nicht in ausreichendem Maße beachtet.
Neben den Steuerfestsetzungen in aufkommensstarken Bereichen kommt der Betriebsprüfung besondere Bedeutung zu. Sie gewährleistet für finanziell bedeutsamere Steuerfälle die ordnungsgemäße Besteuerung und führt in der Regel auch zu höheren Steuernachforderungen. In der Praxis hat sich bei der Betriebsprüfung die Prüfungsintensität allerdings spürbar verringert. Sie hat sich bei den vier Finanzämtern 1994 im Vergleich zu 1988 bei allen Größenklassen ausnahmslos mehr als halbiert. Der statistisch durchschnittliche Prüfungsturnus bei Großbetrieben beträgt statt 2,9 Jahre nunmehr 7,1 Jahre.
Diese Finanzämter prüfen Mittelbetriebe statt alle 9,1 Jahre nur noch alle 21,1 Jahre. Ein Kleinstbetrieb muss theoretisch statt bisher alle 64,6 Jahre nur noch alle 133,6 Jahre mit einer Betriebsprüfung rechnen. Der schlechte Bearbeitungsstand ist insbesondere in dem seit Jahren anhaltenden Personalfehlbestand begründet, der seine Ursache auch darin hat, dass die Stellensituation im Veranlagungsbereich nach Zahl und Wertigkeit günstiger ist als im Betriebsprüfungsbereich. Die Zahl der am Jahresende vorhandenen Stellen für Betriebsprüfer bei den Finanzämtern im Westteil der Stadt ist in den Jahren 1990 bis 1994 mit 617 Stellen fast unverändert geblieben.
Demgegenüber hat sich die Zahl der vorhandenen Prüfer von auf 377 verringert. Damit ist die Zahl der unbesetzten Stellen von 108 auf 240 gestiegen. Dieser Zustand ist unbefriedigend. Er führt im Ergebnis dazu, dass Steueransprüche des Staates nicht aufgedeckt werden und die präventive Wirkung der Betriebsprüfung verlorengeht. Hier ist die Steuerverwaltung aufgefordert, sinnvolle Maßnahmen insbesondere organisatorischer Art zu ergreifen (vgl. T 461).
Für diese Entwicklung gibt es noch weitere Ursachen. So erforderte der zügige Aufbau einer funktions- und leistungsfähigen Steuerverwaltung im Ostteil der Stadt in den vergangenen Jahren große Anstrengungen. Eine gleichmäßige Anwendung des Steuerrechts in beiden Teilen Berlins war für ein schnelles Zusammenwachsen und die Schaffung einheitlicher wirtschaftlicher Lebensverhältnisse unumgänglich. Die von den Finanzämtern im Westteil der Stadt in unterschiedlichem Umfang geleistete personelle und sächliche Verwaltungshilfe hat die unterstützenden Finanzämter mitunter selbst in eine kritische Arbeits- und Personallage gebracht.
So sind von den Finanzämtern im Westteil Berlins in den Jahren 1991 bis 1994 insgesamt 484 Dienstkräfte, hiervon Beamte, zu den neuen Finanzämtern abgeordnet bzw. versetzt worden. Besonders negative Folgen hatte der Wechsel der Mitarbeiter des gehobenen Dienstes, weil diese als Sachbearbeiter bzw. Betriebsprüfer für die Funktionsfähigkeit der besonders bedeutsamen Bereiche eines Finanzamtes (Veranlagungsstelle, Betriebsprüfungsstelle) unverzichtbar sind. Von den versetzten Beamten gehörten 240 dem gehobenen Dienst und hiervon immerhin 147 Dienstkräfte den Besoldungsgruppen A 11 und höher an. Die Steuerverwaltung hatte die Mehrzahl dieser Dienstkräfte mit „gut" oder „sehr gut" beurteilt. Die Finanzämter im Westteil der Stadt haben damit einen Teil leistungsstarker Dienstkräfte, die vielfach in Beförderungsämter gewechselt sind, verloren. Dieser Dienstkräftewechsel hat bei den abgebenden Finanzämtern zu einer spürbaren Verminderung der Leistungskraft insbesondere in den zuvor genannten wichtigen Finanzamtsbereichen geführt. Die Zahl der aus dem Dienst der Steuerverwaltung auf eigenen Wunsch entlassenen und der zu anderen Verwaltungen versetzten Dienstkräfte hat 1987 bis 1990 jährlich nur zwischen 10 und 18 Dienstkräfte aus dem gehobenen Dienst betragen. Diese Zahl ist bis 1992 zunächst auf 52 gestiegen, inzwischen jedoch wieder rückläufig. Auch haben im Vergleich zu früheren Jahren mehr Nachwuchskräfte, die ihre Ausbildung erst kurz zuvor erfolgreich abgeschlossen hatten, die Steuerverwaltung verlassen. Diese wären jedoch dringend zum Ausgleich des Dienstkräftewechsels an die neuen Finanzämter benötigt worden. Wegen des sinkenden Ausbildungsbedarfs wird auf T 460 verwiesen.
Bei den untersuchten vier Finanzämtern sind in den Jahren 1990 bis 1993 im Durchschnitt etwa 30 v. H. der in den wichtigen Finanzamtsbereichen eingesetzten besonders qualifizierten Beamten des gehobenen Dienstes ausgeschieden. Ein Finanzamt mußte sogar einen Weggang von 54 v. H. der Sachbearbeiter im gehobenen Dienst in den Bereichen Veranlagung und Betriebsprüfung hinnehmen. Die betroffenen vier Finanzämter haben den Personalverlust bisher noch nicht ausgeglichen.
470Auch die ständig wachsenden Fallzahlen im Westteil der Stadt erhöhen die Zahl der unerledigten Fälle. Beispielsweise ist allein die Zahl der zur Einkommensteuer heranzuziehenden Steuerpflichtigen von Ende 1988 von rund 217 000 um etwa 25 v. H. auf rund 271 000 zum Stichtag 31. Dezember 1995 gestiegen. Gleichzeitig ist die Zahl der Lohnsteuerfälle um etwa 70 000 gesunken (u. a. durch gesetzlich veränderte Freibeträge und Antragsgrenzen). Die Finanzämter haben es bisher nur eingeschränkt vermocht, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Auch die Steuerverwaltung hat bisher keinen zentralen Ausgleich zwischen den einzelnen Bereichen herbeigeführt. Darüber hinaus ist die Zahl der erledigten Einkommensteuerfestsetzungen seit 1988 bis 1993 kontinuierlich gesunken. Von 1994 an ist es den Finanzämtern zwar gelungen, diese negative Entwicklung zu bremsen, die erzielten Zuwächse reichen aber lediglich aus, die 1988 erzielten Erledigungszahlen wieder zu erreichen. Das genügt jedoch nicht, um die Fallzahlenzuwächse auszugleichen.
Für diese ungünstige Entwicklung sind auch die Kompliziertheit des Steuerrechts und seine permanenten Änderungen ursächlich. Allein in den letzten zehn Jahren sind über hundert Änderungsgesetze zu den wichtigsten Steuergesetzen erlassen worden. So hat der Gesetzgeber beispielsweise das erst im Oktober 1995 verkündete Jahressteuergesetz 1996 bereits im Dezember 1995 durch das „Gesetz zur Ergänzung des Jahressteuergesetzes 1996 und zur Änderung anderer Gesetze" geändert. Davon betroffen sind 28 Gesetze mit über
Einzelregelungen. Zwischenzeitlich wird ein weiteres Änderungsgesetz vorbereitet. Eine solche Verfahrensweise führt dazu, dass sich der Steuerbeamte bei der Bearbeitung des Steuerfalls erst mit dem für das jeweilige Kalenderjahr maßgeblichen Recht vertraut machen muß. Seine Bereitschaft, sich bereits im Vorfeld der Fallbearbeitung generell mit neuen Rechtsvorschriften auseinanderzusetzen, sinkt, wenn er erfahren muß, dass ein Steuergesetz, kaum erlassen, häufig kurzfristig wieder geändert wird. Dies verzögert die konkrete Fallbearbeitung.