Tierschutzgesetzes

Die Vorschriften des 5. Abschnitts (§§ 7 bis 9 a) sowie der §§ 6, 10, 11, 11 b, 15, 15 a und 16 des Tierschutzgesetzes enthalten Regelungen über Eingriffe und Behandlungen an Tieren im Rahmen von Forschung und Lehre.

§ 7 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes lautet: „(1) Tierversuche im Sinne dieses Gesetzes sind Eingriffe oder Behandlungen zu Versuchszwecken

1. an Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für diese Tiere oder

2. am Erbgut von Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für die erbgutveränderten Tiere oder deren Trägertiere verbunden sein können."

Diese Formulierung stellt klar, dass auch Eingriffe am genetischen Material befruchteter Eizellen oder Embryonen den rechtlichen Stellenwert eines Tierversuchs haben, sofern sie zu Versuchszwecken durchgeführt werden und bei den an dem Eingriff mittelbar oder unmittelbar einbezogenen Tieren zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führen können.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes sind für die tierschutzrechtliche Einordnung von Behandlungen und Eingriffen als Tierversuch zwei Kriterien maßgeblich:

- Eingriffe oder Behandlungen erfolgen zu Versuchszwecken mit dem Ziel des Erkenntnisgewinns zu einem noch nicht hinreichend gelösten Problem, und

- für die Tiere besteht die Gefahr einer Beeinträchtigung in Form von Schmerzen, Leiden oder Schäden.

Daher fallen nicht unter die Tierversuche insbesondere:

- Eingriffe und Behandlungen zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken im Rahmen der kurativen tierärztlichen Tätigkeit;

- Entnahmen von Organen oder Geweben für wissenschaftliche Untersuchungen von zuvor unbehandelten Tieren;

- Eingriffe und Behandlungen zu Demonstrationszwecken bei der Aus-, Fort- oder Weiterbildung;

- Eingriffe und Behandlungen im Rahmen der Herstellung von Produkten, zum Beispiel von Impfstoffen oder Sera;

- Auf- oder Einbringen wie Übertragen zum Beispiel von Parasiten auf Tiere zur „Aufbewahrung" dieser Organismen;

- Tötungen unvorbehandelter Tiere zur anschließenden Organentnahme.

Nach Inkrafttreten des Tierschutzgesetzes ergaben sich zunächst bei der Anwendung dieser Vorschriften Abgrenzungsprobleme, die jedoch mittlerweile weitgehend gelöst sind.

Auch in Berlin hat die o. g. Legaldefinition vielfältige Abgrenzungsprobleme hervorgerufen, wie zum Beispiel die Frage der Zulässigkeit und rechtlichen Einordnung der Verwendung von Mäusen zur Gewinnung monoklonaler Antikörper, eine Frage, die zudem in vielen Ländern der Bundesrepublik Deutschland unterschiedlich eingeschätzt wurde. So vertrat man in einem Bundesland die Auffassung, dass es sich dabei um keinen Tierversuch im gesetzlichen Sinne handle. SenGesSoz hat für das Land Berlin derartige Manipulationen als Tierversuch im Sinne des Tierschutzgesetzes angesehen, dieses Verfahren jedoch ­ angesichts verfügbarer In-vitro-Ersatzmethoden zur Produktion monoklonaler Antikörper ­ als nicht mehr zeitgemäß mit Wirkung ab einem bestimmten Stichtag vollständig verboten.

Um die Einsatzmöglichkeiten der verfügbaren In-vitro-Ersatzmethoden zur Produktion monoklonaler Antikörper zu konkretisieren und eine bundeseinheitliche Handhabung der von Berlin initiierten Diskussion herbeizuführen, fand 1989 in Berlin auf Einladung von ZEBET (der Zentralstelle für die Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch beim ehemaligen Bundesgesundheitsamt ­ heute: Bundesamt für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, Berlin-Marienfelde) ein Sachverständigengespräch statt. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Produktion monoklonaler Antikörper in vivo nur noch in folgenden Fällen als unerläßlich betrachtet wird:

1. Gewinnung monoklonaler Antikörper für die Diagnostik oder Therapie beim Menschen in Notfällen;

2. „Rettung" von Hybridomen, wenn diese in der Zellkultur nicht mehr wachsen oder wenn sie infiziert sind;

3. Erarbeitung neuer wissenschaftlicher Fragestellungen.

Tierschutzrechtlich sind die genannten Fälle nach den Ergebnissen dieses Sachverständigengesprächs wie folgt zu beurteilen:

- Zu 1.:

Die Gewinnung monoklonaler Antikörper dient in diesem Fall keinem Versuchszweck; daher handelt es sich nicht um einen Tierversuch im Sinne des § 7 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes. Da den Tieren hierbei länger anhaltende Schmerzen zugefügt werden, liegt unter Umständen ein Verstoß gegen § 17 Nr. 2 Buchstabe b des Tierschutzgesetzes vor; allerdings wird in einem Notfall ein rechtfertigender Notstand nach § 34 des Strafgesetzbuches anzunehmen sein, so dass der Eingriff nicht rechtswidrig wäre.

- Zu 2. und 3.: In beiden Fällen handelt es sich um Tierversuche im Sinne des § 7 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes. Diese Versuche sind genehmigungspflichtig nach § 8 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes. Im 2. Fall ist eine Genehmigung allerdings nur möglich, wenn die monoklonalen Antikörper für ein Forschungsvorhaben gewonnen werden und nicht zur Abgabe an Dritte bestimmt sind.

Monoklonale Antikörper zur Abgabe an Dritte dürfen nach den Ergebnissen dieses Sachverständigengesprächs nur noch in vitro gewonnen werden, da die In-vivo-Methode zur Herstellung monoklonaler Antikörper nicht mehr dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. Sofern dennoch das Ascites-Verfahren angewendet wird, liegt ein Verstoß gegen § 17 Nr. 2

Buchstabe b oder gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 des Tierschutzgesetzes vor.

Mittlerweile wurden In-vitro-Systeme (Bioreaktoren) entwikkelt, mit deren Hilfe monoklonale Antikörper in erforderlicher Qualität und Menge hergestellt werden können, so dass auf die Verwendung dieser sogenannten Ascites-Mäuse für die Produktion der Antikörper tatsächlich verzichtet werden kann.

3. Die Vorgaben des Tierschutzgesetzes für Tierversuche: Unerläßlichkeit und ethische Vertretbarkeit

Nach dem Tierschutzgesetz dürfen Tierversuche nur durchgeführt werden, wenn sie zum Vorbeugen, Erkennen oder Behandeln von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden oder körperlichen Beschwerden bei Mensch oder Tier, zur Erkennung von Umweltgefährdungen oder für die Grundlagenforschung unerläßlich sind und der verfolgte Zweck nicht durch andere Methoden oder Verfahren erreicht werden kann. Es ist dabei abzuwägen, ob die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Versuchstiere im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind. Versuche mit länger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden dürfen nur durchgeführt werden, wenn dies für wesentliche Bedürfnisse von Mensch oder Tier notwendig ist. Tierversuche zur Entwicklung oder Erprobung von Waffen sind verboten. Das Verbot gilt grundsätzlich auch für Tierversuche zur Entwicklung von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln und dekorativen Kosmetika.

Der Bundesrat hatte bei seiner Zustimmung zu dem vom Deutschen Bundestag vorgelegten Tierschutzgesetz im Jahre 1986 die nachstehende Entschließung gefaßt: „Der Bundesrat geht bei seiner Zustimmung davon aus, dass im Vollzug des § 8 des Tierschutzgesetzes an die wissenschaftlich begründete Darlegung der Genehmigungsvoraussetzungen strenge Anforderungen gestellt werden. Die wissenschaftliche Darlegung muß den Verwaltungsbehörden die Grundlage für einen zuverlässigen Schluß auf das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen liefern. Die Verwaltungsbehörde darf sich selbst nicht auf die bloße formelle Prüfung, etwa ob der Genehmigungsantrag durch wissenschaftliche Gutachten belegt ist, beschränken. Sie hat sich vielmehr mit aller Gewissenhaftigkeit und unter Heranziehung der ihr zugänglichen Erkenntnisquellen zu überzeugen, dass die materiellen Voraussetzungen für den Tierversuch vorliegen."

Die Prüfung der ethischen Vertretbarkeit kann in einzelnen Fällen erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Die Tierschutzkommission beim BML hat hierzu 1990 folgendes Votum einstimmig abgegeben: „Die Tierschutzkommission bittet den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten darauf hinzuwirken, daß in den alten und neuen Bundesländern bei der Beratung und Entscheidung über die Genehmigung von Tierversuchen neben der wissenschaftlichen Begründung auch die gesetzlich geforderte ethische Abwägung (§ 7 Abs. 3 des Tierschutzgesetzes) in angemessener Weise beachtet wird. Um dies zu erreichen, empfiehlt die Kommission,

- dass in den beratenden Kommissionen nach § 15 Abs. 1 und 3 des Tierschutzgesetzes dem ethischen Aspekt die notwendige Aufmerksamkeit beigemessen und das entsprechende Ergebnis im Protokoll festgehalten wird; bei der Abwägung ist der Grundsatz anzuwenden:

Je schwerer der Eingriff zu Lasten der Versuchstiere, desto größer muss das Gewicht der ihn legitimierenden Gründe sein;

- dass der offenkundig gewordene Informationsbedarf der an der Beratung und an der Genehmigung beteiligten Personen durch das Angebot von jährlichen Weiterbildungsveranstaltungen seitens des Bundes und der Länder befriedigt wird; um diese Anforderung auch langfristig zu erfüllen ist es erforderlich, die entsprechenden Fragen der ethischen Abwägung zunehmend in die Ausbildung von Veterinär- und Humanmedizin sowie Biologie einzubeziehen."

In Berlin ist diesem Anliegen u. a. durch die Berufung einer Universitätsprofessorin für Ethik in die Tierversuchskommission Rechnung getragen.

Allerdings stößt die gesetzlich geforderte ethische Abwägung, ob der angestrebte Erkenntnisgewinn die Zufügung möglicher Schmerzen, Leiden oder Schäden für die Versuchstiere nach ethischen Grundsätzen rechtfertigt, an die Schranke des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit (Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes).

Auf Grund eines in Berlin beantragten, sehr umstrittenen Tierversuchsvorhabens haben sich die Verwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht mit der Frage beschäftigt, ob der tierschutzgesetzliche Prüfauftrag, Unerläßlichkeit und ethische Vertretbarkeit eines Tierversuchsvorhabens zu bewerten, mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nach Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes im Einklang steht:

Bei zwei Anträgen auf Genehmigung von Tierversuchsvorhaben an Affen bewerteten sowohl die nach dem Tierschutzgesetz eingerichtete, SenGesSoz beratende Tierversuchskommission als auch die Behörde selbst die den Tieren zuzufügende wiederholte mehrstündige Fixierung in Primatenstühlen als außerordentlich belastend. Bei Zugrundelegung gegenwärtiger ethischer Maßstäbe sah die Behörde keine Rechtfertigungsmöglichkeit der zu erwartenden Belastungen der Versuchstiere durch den angestrebten Erkenntnisgewinn. Unabhängig davon wurde von SenGesSoz jedoch die Bedeutung der Untersuchungen für die Grundlagenforschung anerkannt.

Gegen die Ablehnung der Tierversuchsvorhaben klagte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht. Dieses setzte das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vor, ob § 7 Abs. 3 des Tierschutzgesetzes insoweit mit der Wissenschaftsfreiheit aus Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz vereinbar ist, als danach Tierversuche an Wirbeltieren nur durchgeführt werden dürfen, wenn sie ehtisch vertretbar sind.

Das Bundesverfassungsgericht lehnte eine Sachentscheidung ab, da das Verwaltungsgericht die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung der tierschutzgesetzlichen Vorschriften nicht ausreichend geprüft habe. Insbesondere sei eine Auslegung möglich, die sich am Wortlaut des § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a des Tierschutzgesetzes orientiert, wonach die ethische Vertretbarkeit des Tierversuchs wissenschaftlich begründet dargelegt, nicht jedoch ­ wie vom Verwaltungsgericht Berlin angenommen ­ nachgewiesen werden müsse. Wissenschaftliche Bedeutung und ethische Vertretbarkeit eines beantragten Versuchsvorhabens dürfen daher nur im Rahmen einer qualifizierten Plausibilitätskontrolle der Darlegungen des Antragstellers geprüft werden, so daß dem Antragsteller für die Sachentscheidung nicht ohne weiteres außerwissenschaftliche Beurteilungsmaßstäbe aufgedrängt werden könnten.

Auf Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts erging am 7. Dezember 1994 die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, den Ablehnungsbescheid aufzuheben und dem Kläger die tierschutzrechtliche Genehmigung für seine Tierversuche zu erteilen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, daß „... im Hinblick auf die ethische Vertretbarkeit der Tierversuche ... eine Auslegung der gesetzlichen Regelung des Genehmigungsverfahrens dahin möglich ist, dass die Genehmigung erteilt werden muß, wenn der experimentierende Wissenschaftler die für die Bejahung der ethischen Vertretbarkeit maßgeblichen Umstände (Art und Ausmaß der für die Tiere entstehenden Belastungen einerseits und Bedeutung des Versuchszwecks andererseits) wissenschaftlich begründet dargelegt hat".

Damit macht das Gericht die Genehmigung von der wissenschaftlich begründeten Darlegung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 des Tierschutzgesetzes, nicht aber von deren tatsächlicher Erfüllung, abhängig. Eine andere Auslegung der im Tierschutzgesetz festgeschriebenen Genehmigungsvoraussetzungen wäre nach Ansicht des Gerichts, wobei es sich auch vom Beschluß des Bundesverfassungsgerichts leiten ließ, „mit hoher Wahrscheinlichkeit" verfassungswidrig.

Auf Grund der eindeutigen Rechtslage wurde seitens des Berliner Senats auf das Einlegen eines Rechtsmittels (Berufung an das Oberverwaltungsgericht) verzichtet.

4. Tierschutz als Staatsziel in Grundgesetz und Verfassung von Berlin

Nach der zuvor erläuterten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und des Verwaltungsgerichts Berlin sind auf Grund dieses Berliner Präzedenzfalles Zulassungsbehörden für Tierversuche nur noch berechtigt, Anträge auf Genehmigung wissenschaftlicher Forschung mit Tieren dahingehend zu beurteilen, ob der Antragsteller plausibel dargelegt hat, dass wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten und das Vorhaben ethisch vertretbar ist. Zu prüfen, ob diese Voraussetzungen tatsächlich nicht nur vom Antragsteller behauptet werden, sondern tatächlich vorliegen, ist Zulassungsbehörden auf Grund der oben genannten Entscheidungen verwehrt.

Dadurch wird deutlich, wie dringend notwendig es ist, das Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaftsfreiheit und Tierschutz auf der Ebene des Grundgesetzes, also in der Verfassung selbst, endgültig zu lösen.

Dieses Verfahren hat daher ­ auch im Zusammenhang mit dem Ergebnis des Eilverfahrens des VGH Kassel zu behördlichen Befugnissen bei Anzeigen nach § 10 des Tierschutzgesetzes ­ die Forderung nach Aufnahme des Staatsziels „Tierschutz" in die Verfassungen des Bundes und der Länder nicht nur auf seiten der Tierschutzorganisationen stärker werden lassen. Zahlreiche Bürger haben sich mit entsprechenden Eingaben auch an SenGesSoz gewandt.

In die überarbeitete Verfassung von Berlin, die am 8. Juni 1995 vom Abgeordnetenhaus beschlossen worden ist, in der Volksabstimmung vom 22. Oktober 1995 Zustimmung gefunden hat und am 23. April 1995 verkündet worden ist, ist folgender Artikel 31 neu aufgenommen worden:

Artikel 31:

(1) Die Umwelt und die natürlichen Lebensgrundlagen stehen unter dem besonderen Schutz des Landes.

(2) Tiere sind als Lebewesen zu achten und vor vermeidbarem Leiden zu schützen.

Damit sind alle Behörden Berlins verpflichtet, stetig auch auf den Schutz der Tiere hinzuwirken.

Eine Lösung im Verfassungskonflikt des Grundgesetzes zwischen Wissenschaftsfreiheit (also Forschungs- und Lehrfreiheit, was eine freie Wahl der Forschungs- und Bildungsziele wie auch der Mittel zu diesen Zielen beinhaltet) ist mit dieser Staatszielbestimmung in der Berliner Verfassung bedauerlicherweise nicht verbunden.

Im Gegensatz zum Umweltschutz hat das von vielen vertretene Anliegen, den Tierschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen, aus grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Überlegungen im Deutschen Bundestag nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit gefunden.

In der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat, im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages und in der Sitzung des Bundestages vom 30. Juni 1994 ist die Frage streitig geblieben, ob der Tierschutz in selbständiger Form in das Grundgesetz aufgenommen werden sollte oder ob es einer solchen gesonderten Gewährleistung in der Verfassung nicht bedarf. Bei diesem Streit ging es jedoch weniger um das grundsätzliche Schutzbedürfnis der Tiere als solches. Es ging mehr um die Frage, ob nicht schon die einfachgesetzlichen Grundlagen der deutschen Tierschutzgesetzgebung, die in der Welt als vorbildlich gelten, ausreichend sind und ob nicht die Vielfalt von zu schützenden Tieren und Tierhaltungen einerseits sowie die hohe Komplexität der vielfältigen Schutzgüterabwägungen andererseits, in die sich auch jeder Tierschutz eingebunden sieht, eine gesonderte Verfassungsgewährleistung ausschließen. Weitgehende Einigkeit besteht in der grundsätzlichen Anerkennung der Schutzbedürftigkeit auch der Tiere als Teil der Schöpfung, deren grundlegende Achtung und Bewahrung allen Menschen aufgegeben ist.

In einer Entschließung des Deutschen Bundestages vom 30. Juni 1994 wird betont, dass mit der vom Bundestag verabschiedeten Aufnahme der Staatszielbestimmung Umweltschutz in das Grundgesetz ein grundlegender Schritt zur auch verfassungsrechtlichen Verfestigung der Verantwortung von Staat und Gesellschaft für die Achtung und Bewahrung der „natürlichen Lebensgrundlagen" vollzogen worden ist. Danach gehören zu den „natürlichen Lebensgrundlagen" nicht nur Pflanzenwelt, Luft, Boden und Wasser, sondern die gesamte Schöpfung, also auch das Tier und alles organische Leben auf dieser Erde. In diesem Sinne wird in der Entschließung bekräftigt, dass die Staatszielbestimmung Umweltschutz auch den Tierschutz prinzipiell mit umfaßt. Der Schutz der Tiere ist danach im Rahmen des Schutzes der „natürlichen Lebensgrundlagen" Staat und Gesellschaft im Rahmen ihrer jetzt auch verfassungsrechtlich bekräftigten ökologischen Grundverantwortung mit aufgegeben.

Für die Tierschutzrechtsetzung bedeutet dies, dass es vorrangig darauf ankommt, dieser Verantwortung durch konkrete, unmittelbar anwendbare und praktikable Regelungen in möglichst effektiver Weise nachzukommen. Hierzu ist es erforderlich, das Tierschutzrecht kontinuierlich und sachgerecht weiterzuentwickeln.

5. Tierschutzbeauftragte § 8 b des Tierschutzgesetzes verpflichtet Einrichtungen, in denen Tierversuche an Wirbeltieren durchgeführt werden, zur Bestellung eigener fachlich qualifizierter Tierschutzbeauftragter.

Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes vom 1. Juli 1988 präzisiert die Anforderungen an die fachliche Qualifikation, an die innerbetriebliche Stellung sowie das Aufgabengebiet dieses Personenkreises.

Auch wenn sie Mitarbeiter der Einrichtung sind, dürfen Tierschutzbeauftragte wegen der Erfüllung ihrer Aufgabe nicht benachteiligt werden. Jedoch findet diese Vorschrift in der Praxis offensichtlich nicht immer Berücksichtigung. Weitere Probleme bei der Aufgabenwahrnehmung können sich für Tierschutzbeauftragte ergeben, wenn sie nur nebenberuflich beschäftigt oder für mehrere Einrichtungen gleichzeitig zuständig sind. Um in seinem Aufgabenbereich erfolgreich tätig sein zu können, ist der Tierschutzbeauftragte entscheidend auf das gleichgerichtete Interesse und Engagement der Trägereinrichtung angewiesen.

Die Erfahrungen in Berlin haben gezeigt, dass die Tätigkeit der Tierschutzbeauftragten die Zusammenarbeit zwischen der Behörde und Versuchsanstellern wesentlich erleichtert und erheblich verbessert und dadurch bereits im Vorfeld tierschutzrechtliche Probleme erkannt und gegebenenfalls ausgeräumt werden können.

In Berlin haben sich die Tierschutzbeauftragten in einem Arbeitskreis organisiert, um Erfahrungen und Informationen auszutauschen, fachliche Stellungnahmen zu bestimmten Problemen zu erarbeiten und Fortbildungsveranstaltungen zu organisieren.

6. Genehmigung von Tierversuchen

Nach dem Tierschutzgesetz gilt der Grundsatz, dass alle Tierversuchsvorhaben genehmigungspflichtig sind. Ausnahmen von der Genehmigungspflicht bestehen nur für

- Tierversuche an Wirbellosen,

- Tierversuche, die nach anderen Rechtsvorschriften oder auf Grund richterlicher oder behördlicher Anordnung nach näherer Maßgabe des § 8 Abs. 7 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes ausdrücklich vorgeschrieben sind, sowie für

- einige Tierversuche mit spezifisch eingegrenzter Methodik und Zielsetzung (§ 8 Abs. 7 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes). Solche Tierversuche sind nur anzeigepflichtig.

Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes vom 1. Juli 1988 präzisiert unter den Nummern 1 bis 4 die Vorschriften des Fünften Abschnitts des Tierschutzgesetzes mit dem Ziel, den Vollzug dieser Vorschriften seitens der zuständigen Landesbehörden einheitlich zu gestalten. Zu diesem Zweck werden beispielsweise die für ein Genehmigungs- oder Anzeigeverfahren erforderlichen Angaben katalogisiert sowie verbindliche Richtlinien und Fristen für die Bearbeitung dieser Unterlagen festgelegt.

Dieses Genehmigungsverfahren ist hochgradig verwaltungsaufwendig: Die wissenschaftlich begründete Darlegung im Genehmigungsantrag

- des gegenwärtigen, durch fachwissenschaftliche Publikationen unterlegten Forschungsstandes,

- des angestrebten Erkenntnisgewinns,

- der Eignung des beabsichtigten Versuchsmodells,

- der Eignung der vorgesehenen Versuchstierart,

- der Übertragbarkeit von am Tiermodell gewonnenen Erkenntnissen auf die Fragestellung beim Menschen,

- der nicht weiter zu vermindernden Anzahl eingesetzter Tiere,

- der biometrisch begründeten Versuchsplanung,

- der Eignung der vorgesehenen Versuchsprotokolle,

- der nicht weiter verringerbaren zu erwartenden Belastungen (Schmerzen, Leiden oder Schäden in Intensität und Dauer) für die Versuchstiere.