Lärmschutzmaßnahmen im Umfeld von Flughäfen

Der Senat wird aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus bis zum 30. November 1996 einen Bericht über die Maßnahmen der Reduzierung der Lärmbelastung für Anwohner/-innen von Flughäfen vorzulegen, insbesondere über

- Anzahl und räumliche Verteilung der für gesetzlich vorgeschriebene Lärmschutzmaßnahmen in Frage kommenden Wohnungen;

- den Grad der Ausstattung der vom Fluglärm betroffenen Wohnungen mit Lärmschutzvorrichtungen;

- die Höhe und die Art der Verwendung der zur Verfügung gestellten Mittel für passiven Lärmschutz in den jeweiligen Umfeldbereichen;

- Umfang und Inhalt der Zusammenarbeit mit Behörden des Landes Brandenburg und des Bundes zur Reduzierung der Lärmbelastung.

Hierzu wird berichtet: Gesetzlich vorgeschrieben sind bauliche Schallschutzmaßnahmen bisher nur am Flughafen Berlin-Tegel. Dies beruht auf der historischen Entwicklung der Flughäfen in der Region Berlin. An den Flughäfen Berlin-Tempelhof und Berlin-Schönefeld sind freiwillige Schallschutzmaßnahmen in unterschiedlichem Umfang durchgeführt worden. Die Lärmschutzbereiche nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm vom 30. März 1971 (BGBl. I S. 282), zuletzt geändert durch Art. 39 des Zweiten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 16. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2441), sind für die Flughäfen Berlin-Tempelhof und Berlin-Schönefeld bisher vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) noch nicht festgesetzt worden. Der Lärmschutzbereich für den Flughafen Berlin-Tegel wird gegenwärtig vom BMU überprüft.

Die Maßnahmen an den drei Flughäfen beruhen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und sind daher nur sehr bedingt vergleichbar. Eine abschließende Bewertung wird erst möglich sein, wenn die Überprüfung des Lärmschutzbereiches für Tegel abgeschlossen ist und die Lärmschutzbereiche für Tempelhof und Schönefeld durch den BMU festgesetzt worden sind. Termine dafür sind dem Senat noch nicht bekannt. Es kann daher nur ein Überblick über die Situation an den einzelnen Flughäfen gegeben werden. Eine detailliertere Darstellung ist nicht möglich, da die Akten über die im Bereich von Tegel und Tempelhof durchgeführten Maßnahmen bei der Investitionsbank Berlin (früher Wohnungsbaukreditanstalt), über die die Maßnahmen abgewikkelt wurden, nicht mehr verfügbar sind. Es wird noch darauf hingewiesen, dass die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr nur die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde für die Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Tempelhof ist. Für den Flughafen Berlin-Schönefeld, der ganz überwiegend im Land Brandenburg liegt, ist das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg die zuständige Genehmigungsund Aufsichtsbehörde.

I. Berlin-Tegel Rechtsgrundlage für die baulichen Schallschutzmaßnahmen war das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in Berlin vom 7. Februar 1975 (GVBl. S. 671), das am 3. Oktober 1990 außer Kraft getreten ist. Seitdem gilt nur noch das Bundesgesetz zum Schutz gegen Fluglärm vom 30. März 1971, das vor dem 3. Oktober 1990 in seinem materiellen Inhalt in Berlin nicht galt.

Das Berliner Gesetz sah wegen der innerstädtischen Lage der Flughäfen im Gegensatz zum Bundesgesetz nachträglichen Schallschutz für die vorhandene Wohnbebauung im gesamten Lärmschutzbereich (LSB, die Grenze liegt bei einem äquivalenten Dauerschallpegel (Leq) > 67 dB [A]) vor, während nach dem Bundesgesetz für Altbauten nur Schallschutz in der inneren Zone 1 des LSB (Grenze Leq > 75 dB [A]) gewährt wird. Bauverbote im LSB wurden durch § 5 des Gesetzes analog zum Bundesgesetz geregelt. Danach dürfen Wohnungen in der Zone 1 nicht errichtet werden, in der Zone 2 nur, wenn sie besonderen Schallschutzanforderungen genügen. Krankenhäuser, Schulen, Altenheime und ähnliche in gleichem Maße schutzbedürftige Einrichtungen dürfen im gesamten Lärmschutzbereich nicht errichtet werden.

Der LSB für den Flughafen Tegel wurde durch Rechtsverordnung des Senats von Berlin vom 4. Juni 1976 (GVBl. S. 1242) festgesetzt. Die Verordnung gilt gem. § 2 Abs. 8 Ziffer 1 des Gesetzes zur Überleitung von Bundesrecht nach Berlin (West) vom 25. September 1990 (BGBl. I, S. 2106) als bundesrechtliche Verordnung zu § 4 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm fort. Zur Durchführung der Maßnahmen wurden die Verordnung über bauliche Schallschutzanforderungen nach dem Fluglärmgesetz Berlin (GVBl. S. 2591) und die Verordnung über die Erstattung von Kosten für bauliche Schallschutzmaßnahmen nach dem Fluglärmgesetz Berlin vom 9. November 1976 (GVBl. S. 2593) erlassen.

Im LSB des Flughafens Tegel sind von 1975 bis 1983 ca. 14 000

Wohnungen für rund 135 Mio. DM geschützt worden. Kostenträger war die Berliner Flughafen-Gesellschaft (BFG). Effektiv wurden die Kosten von den Gesellschaftern der BFG ­ damals Berlin und Bund ­ getragen, da die BFG in den roten Zahlen war. Regelmäßige Überprüfungen bis 1990 ergaben keine Notwendigkeit für eine Neufestsetzung des Lärmschutzbereiches. Erstattet wurden die Kosten für schalldämmende Fenster, Balkontüren und ggfs. auch andere Bauelemente, um in Aufenthalts- und Schlafräumen ein Bauschalldämm-Maß von mindestens 50 dB in der Schutzzone 1 (lediglich 25 Wohnungen) und 45 dB in der Schutzzone 2 zu gewährleisten. Lüftungseinrichtungen waren darin nicht enthalten. Ob der LSB nach der Überprüfung durch den BMU verändert werden muß, lässt sich zur Zeit noch nicht beantworten.

Darüber hinaus gewährte der Senat nach den Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Modernisierung und Instandsetzung vom Wohnraum-Programmteil „Stadtweite Maßnahmen" (ModInst RL 93 ­ stadtweit) vom 12. März 1993 (ABl. Nr. 16 S. 892) Zuschüsse für den Einbau schalldämmender Fenster in einer erweiterten Planungszone 3 (Leg > 62 dB [A]) nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Insgesamt wurden bisher rund 5 Mio. DM zur Verfügung gestellt. Weil durch die vorliegenden Anträge die verfügbaren Fördermittel wesentlich überschritten sind, werden für das Programmjahr 1996 seit Ende März keine neuen Anträge angenommen. Inwieweit dieses Programm in den kommenden Jahren fortgesetzt werden kann, hängt von der Haushaltslage ab.

II. Berlin-Tempelhof

Der Flughafen Tempelhof trug bis 1975 die Hauptlast des Berlin-Flugverkehrs. Tegel war zunächst nur als Ergänzungsflughafen vorgesehen. Deshalb wurden dort 1969 bis 1974 im Vorgriff auf gesetzliche Maßnahmen nach den „Richtlinien über die Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen in der Umgebung des Flughafens Tempelhof" vom 7. Juli 1970 (ABl. S. 776; Neufassung vom 5. Juli 1972 ABl. S. 1097) 7 560

Wohnungen mit einem Kostenaufwand von ca. 48 Mio. DM geschützt. Die Kosten trug das Land Berlin. Für die Abgrenzung des Lärmschutzbereichs war ein Gutachten der Technischen Universität Berlin zugrunde gelegt worden. Danach wurde pragmatisch ein Bereich mit einem Leq > 69 dB(A) festgelegt, um die am stärksten betroffenen Wohngebiete zu schützen. Erstattet wurden die Kosten für Schallschutzfenster und ggfs. auch andere Bauelemente mit einem Schalldämmaß zwischen 40 und 47 dB (je nach Lage und Betroffenheit), nicht jedoch für Lüftungseinrichtungen.

Als Folge des Transitabkommens vom 3. Juni 1972 gingen die Fluggastzahlen in den folgenden Jahren drastisch zurück. Als im Juni 1974 feststand, dass der gesamte Berlin-Flugverkehr ab 1975 über den Flughafen Tegel abgewickelt werden kann, wurde das Schallschutzprogramm in der Umgebung des Flughafens Tempelhof abgebrochen. Regelmäßige Überprüfungen des sehr geringen militärischen und zivilen Verkehrs bis 1990 ergaben keine Notwendigkeit für die Festlegung eines Lärmschutzbereiches.

Seit dem 3. Oktober 1990 wird der Flughafen Tempelhof wieder stärker für den zivilen Luftverkehr genutzt. Der BMU hat daher das Verfahren zur Berechnung des Lärmschutzbereiches nach dem Bundesfluglärmgesetz durchgeführt.

Die Festsetzung des LSB steht unmittelbar bevor. Der Entwurf liegt dem Senat vor. Der LSB wird erheblich kleiner als der Bereich nach den alten Richtlinien, so dass anzunehmen ist, daß keine neuen Maßnahmen erforderlich werden. Das muss jedoch noch im einzelnen geprüft werden. Deshalb ist auch Tempelhof bisher nicht in die ModInst-Richtlinien einbezogen worden.

III. Berlin-Schönefeld

Der LSB ist noch nicht rechtsverbindlich festgesetzt worden.

Die Flughafen Schönefeld GmbH (FBS) hat 1991 durch das Umweltbundesamt einen vorläufigen LSB berechnen lassen auf der Grundlage von Verkehrsprognosedaten des Jahres 1999, die aber nach neueren Einschätzungen erst deutlich später erreicht werden. In der Zone 1 des LSB befinden sich keine Wohnungen.

In der Zone 2 hat die FBS bis 1996 rund 4 Mio. DM für freiwillige Schallschutzmaßnahmen an 230 Wohnhäusern (ganz überwiegend Ein- und Zweifamilienhäuser) und drei Kindertagesstätten aufgewendet. Damit sind die besonders betroffenen Bereiche geschützt worden. Das etappenweise Vorgehen der FBS ist gerechtfertigt, da der jetzige Verkehr nur etwa 1/3 des für 1999 prognostizierten Verkehrs ­ der Grundlage für den vorläufigen LSB ­ beträgt. Der aktuellen Belastungssituation wird durch die bisher durchgeführten Maßnahmen Rechnung getragen.

Die Förderung durch die FBS hat das Schutzziel, im Rauminnern einen Lärmpegel von 55 dB (A) nicht zu überschreiten. In Anlehnung an die auf Grund von § 9 Abs. 4 des Bundesfluglärmgesetzes erlassene Verordnung vom 11. August 1977 (BGBl. I S. 1553) ist für die Erstattung der Kosten ein Höchstbetrag von 130,- DM pro m2 Wohnfläche festgelegt worden. In den äußeren Bereichen der Zone 2 beträgt der Höchstbetrag 100,- DM pro m2 Wohnfläche. Diese Beträge reichen im allgemeinen aus, um das angestrebte Schutzziel zu erreichen.

Das Programm soll in den kommenden Jahren mit dem Anstieg des Verkehrs fortgesetzt werden und hängt von der Bereitstellung der Mittel im Wirtschaftsplan der FBS und der Bestätigung durch die Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH (BBF) ab. Der Senat kann diese freiwilligen Schallschutzmaßnahmen nicht durchsetzen. Er wird sich jedoch über seine Vertreter in den Aufsichtsräten der FBS und BBF dafür einsetzen, um eine Gleichbehandlung von Tegel und Schönefeld sicherzustellen.

Nach den ModInst-Richtlinien 93 „Stadtweite Maßnahmen" sind in der Umgebung des Flughafens Schönefeld Wohnungen förderungsfähig, die im Lande Berlin in einem Gebiet liegen, das flächenmäßig der im Flächennutzungsplan in der Umgebung des Flughafens Tegel ausgewiesenen Fluglärm-Planungszone 3

(Leq > 62 dB [A]) vergleichbar ist. Dafür wurden bisher rd. 1,1 Mio. DM für Maßnahmen in den Bezirken Treptow und Köpenick bereitgestellt. Ein vergleichbares Programm auf Brandenburger Seite existiert bisher nicht. Die Fortsetzung dieses Programms in den kommenden Jahren hängt wie bei Tegel von der Haushaltslage ab.

Der BMU hat inzwischen auch für Schönefeld das Verfahren zur Berechnung des Lärmschutzbereiches nach dem Bundesfluglärmgesetz auf der Basis der maximalen Start- und Landebahnkapazität des Flughafens (152 000 Flugbewegungen pro Jahr) durchgeführt. Bei durchschnittlicher Auslastung der Luftfahrzeuge können je nach Flugzeuggröße somit ca. 13 bis 16 Mio. Passagiere pro Jahr transportiert werden. Der Entwurf des Lärmschutzbereiches liegt vor und befindet sich zur Zeit in der Gemeindeanhörung. In dem Bereich liegen nach Schätzung der FBS ca. 800

Wohnhäuser (ganz überwiegend Ein- und Zweifamilienhäuser).

Die Angaben zu Schönefeld beziehen sich auf den Ist-Zustand des Start- und Landebahnsystems. Bei einem Ausbau mit einer weiteren Start- und Landebahn ist im Planfeststellungsverfahren zu erwarten, dass Auflagen für bauliche Schallschutzmaßnahmen festgelegt werden, die weit über die Erfordernisse des Fluglärmgesetzes hinausgehen.

IV. Maßnahmen zur Reduzierung der Lärmbelastung werden zwischen den zuständigen Behörden in Berlin und Brandenburg sowie des Bundes im Rahmen ihrer regelmäßigen Konsultationen ständig erörtert und abgestimmt. Das gilt auch für die Festlegung von Betriebsbeschränkungen für die Berliner Flughäfen.

Die Fluglärmkommissionen für Tegel und Tempelhof sowie für Schönefeld arbeiten zusammen. Die Vorsitzenden sowie Vertreter der Genehmigungsbehörden nehmen regelmäßig auch an den Sitzungen der jeweils anderen Kommission teil. Einmal im Jahr findet eine gemeinsame Sitzung beider Kommissionen statt.

Die Länder arbeiten mit dem Bund außerdem ständig im BundLänder-Fachausschuß Luftfahrt zusammen, wo Fragen der Lärmbelastung und Lärmreduzierung ebenfalls einen Schwerpunkt der Diskussion bilden.

Wir bitten den Beschluß dennoch als erledigt anzusehen.