Einwohnern umfassen sollte möglichst in jedem Bezirk eine Tagesklinik realisiert werden

Die klinisch ­ teilstationäre Behandlung Empfehlungen der Expertenkommission: „Die Krankenhausbehandlung psychisch Kranker sollte in Tageskliniken erfolgen, wenn immer dafür die Voraussetzungen gegeben sind. Dabei ist anzustreben, dass pro 100 000 bis 150 000

Einwohner mindestens 20 Tagesklinikplätze im Rahmen des Gesamtbedarfs an Betten krankenhausbehandlungsbedürftiger psychisch erkrankter Menschen bereit gestellt werden."

Mit Stand 31. Dezember 1995 gab es im Land Berlin 397 ordnungsbehördlich genehmigte tagesklinische Betten. Bezogen auf die Bevölkerung zum 31. Dezember 1994 ergibt dies eine Bettenmeßziffer von 0,1 auf 1 000 Einwohner. Bezogen auf die Prognosebevölkerung für das Jahr 1998 ergibt sich unter Zugrundelegung von 20 tagesklinischen Betten auf 125 000 Einwohner ein Bedarf von mindestens 568 Betten/Plätzen. Eine darüber hinausgehende Umwandlung von voll- in teilstationäre Kapazitäten ist vorgesehen.

In den Versorgungsregionen, die 2 Bezirke mit jeweils ca. 100 000 Einwohnern umfassen, sollte möglichst in jedem Bezirk eine Tagesklinik realisiert werden. Bei Bezirken mit mehr als Einwohnern wird empfohlen im Rahmen der Regionalplanungen zu prüfen, ob mehrere Standorte für Tageskliniken realisierbar sind.

Institutsambulanzen Empfehlungen der Expertenkommission: „Grundsätzlich sollte jede psychiatrische Krankenhauseinrichtung mit Versorgungsverpflichtung über eine Institutsambulanz verfügen. Sie haben als Schwerpunkt Nachsorgeaufgaben für Krankenhausentlassene, für schwer psychisch Gestörte und Rückfallgefährdete zu übernehmen. Außerdem haben sie gegenüber zugewiesenen psychisch Kranken screening-Funktionen wahrzunehmen, um notwendige Aufnahmen zu veranlassen bzw. unnötige Hospitalisierung zu vermeiden."

Im Land Berlin wurde erreicht, dass neben den psychiatrischen Fachkrankenhäusern alle Allgemeinkrankenhäuser mit psychiatrischen Fachabteilungen und Pflichtversorgungsauftrag eine Befugnis zur institutsambulanten Behandlung erhalten haben.

Die bisherigen Erfahrungen im Land Berlin haben gezeigt, daß die Angliederung der Ambulanzfunktion an die Tageskliniken insbesondere unter dem Aspekt der bezirklichen Versorgungsnähe und der Kooperation und Abstimmung mit den weiteren Angeboten im Bezirk sinnvoll ist. Beim Aufbau der regionalen Pflichtversorgung ist dabei ihre Aufgabe im Zusammenwirken des Gesamtangebots, insbesondere in Abstimmung mit den Aufgaben des Sozialpsychiatrischen Dienstes, festzulegen.

Niedergelassene Nervenärzte und Psychotherapeuten

Insbesondere unter dem Aspekt der ambulanten Versorgung der chronisch psychisch Kranken empfiehlt die Expertenkommission den Aufbau „gemeindepsychiatrisch orientierter Nervenarztpraxen". In ihnen ist die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen entsprechend den Betreuungs- und Behandlungsbedürfnissen der chronisch Kranken anzustreben.

Diese Angebotsform konnte bislang auf Grund fehlender Abrechnungsmöglichkeiten nicht realisiert werden. Insbesondere unter dem Aspekt, dass die Anzahl der chronisch psychisch Kranken in der jeweiligen Versorgungsregion durch die Enthospitalisierung deutlich steigen wird, muss es ein besonderer Schwerpunkt der differenzierten Planungen in den Versorgungsregionen (Bezirken) sein, die Kompetenz und Verantwortung der niedergelassenen Nervenärzte und Psychotherapeuten in das regionale Gesamtversorgungssystem einzubinden.

Zur Berechnung der Bedarfsgerechtigkeit bei der Niederlassung von Ärzten hat der Bundesausschuß Ärzte/Krankenkassen im März 1993 eine neue Bedarfsplanungsrichtlinie festgelegt.

Dabei ist von einer Bedarfsdeckung bei einem Nervenarzt auf 12 864 Einwohnern je Planungsraum auszugehen. Bezogen auf das Land Berlin liegt die Nervenarztdichte deutlich über dem Sollwert. So wurden entsprechend den Vorgaben des GSG im Jahr 1994 für 10 Bezirke Zulassungsbeschränkungen im nervenärztlichen Bereich festgelegt. Die Verteilung der Nervenärzte auf die Bezirke ist dabei sehr unterschiedlich. So schwankt der Versorgungsgrad zwischen 202,9 % (Charlottenburg) und 55 % (Marzahn) zum Stand 15. Juli 1994. Die Planungskompetenz liegt dabei bei der Kassenärztlichen Vereinigung.

An der psychotherapeutischen Versorgung nahmen 1993 insgesamt 1 236 Therapeuten teil, die sich in 373 ärztliche und 671 nichtärztliche Therapeuten gliedern. Über eine Bedarfsdeckung an psychotherapeutischen Angeboten sagt allein diese Summenzahl nur wenig aus. Zum jetzigen Zeitpunkt können zu dieser Thematik jedoch keine abschließenden Aussagen gemacht werden.

Psychiatrische Krisen- und Notfallversorgung

Die Expertenkommission weist die Krisenversorgung nicht als eigenständigen Baustein des Versorgungssystems aus. Sie betont jedoch die Notwendigkeit des Aufbaus eines notfallpsychiatrischen- und Kriseninterventionsdienstes, der auch für akute Krisen bei Abhängigkeitskranken zuständig ist.

Die bisherigen Erfahrungen im Land Berlin bestätigen die Notwendigkeit einer regional ausgerichteten Kriseninterventionsfunktion insbesondere zu den Zeiten, an denen die Angebote des Versorgungsverbundes (mit Ausnahme des klinisch-stationären Bereichs) nicht erreichbar sind. Die psychiatrische Krisen- und Notfallversorgung in Berlin ist insbesondere auch unter dem Aspekt des massiven Ausbaus der betreuten Wohnformen als Ersatz für die Kapazitätsrücknahme im stationären Bereich flächendeckend zu gestalten.

Sie ist dabei nicht als zusätzliche Versorgungsinstitution zu etablieren, sondern im verbindlichen Zusammenwirken aller am regionalen Versorgungssystem Beteiligten zu entwickeln. Da bei einer Vorgabe von 6 Regionsstandorten für die ambulante psychiatrische Krisen- und Notfallversorgung, bezogen sowohl auf die Bevölkerungszahl als auch die Fläche des jeweiligen Einzugsgebietes, die fachlich empfohlenen Größenordnungen für einen regional ausgerichteten Krisendienst weit überschritten werden, muß durch organisatorische, technische und logistische Maßnahmen sichergestellt werden, dass innerhalb eines Zeitraums von deutlich weniger als einer Stunde eine Vorortintervention der diensthabenden Mitarbeiter möglich ist.

Auf Grund der hohen Ansprüche an Flexibilität, Verläßlichkeit und landesweit flächendeckender Qualität der Leistung wird empfohlen, die Wahrnehmung der psychiatrischen Krisen- und Notfallversorgung einem Anbieter zu übertragen und die Aufgabe landesweit auszuschreiben.

Pflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen Kapazitäts- und Angebotsplanung erfolgen, soweit sie durch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales steuerbar sind, im Bereich stationärer Pflegeeinrichtungen (wie die gesamte Wohnstättenplanung) nach regionalen Gesichtspunkten (bisher Bezirke). Über die Investitionsplanung können historisch entstandene regionale Disparitäten nur langfristig ausgeglichen werden.

Einen regionalisierten Pflichtversorgungsauftrag wie im gemeindepsychiatrischen Versorgungssystem gibt es bei den vollstationären Pflegeeinrichtungen nicht. Die Planungszuständigkeit liegt auch für den vollstationären Pflegebereich bei der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Sie erfolgt unter Beteiligung der Bezirke und des Landespflegeausschusses nach § 92 Abs. 1 des XI Buches Sozialgesetzbuch bzw. nach § 3 des Gesetzes zur Planung und Förderung von Pflegeeinrichtungen vom 19. Oktober 1995.

Grundsätzlich sind die vollstationären Pflegeeinrichtungen in die pflegerische Betreuung psychisch erkrankter aber nicht krankenhausbehandlungsbedürftiger Menschen mit einzubeziehen.

In Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Expertenkommission ist dabei der integrierten Versorgung von psychisch und somatisch erkrankten Menschen der Vorzug vor dem Aufbau von speziellen Heimen für chronisch schwer gestörte und verwirrte Kranke zu geben.

Für die Gruppe der psychisch kranken und pflegebedürftigen Menschen sollte dabei im Sinne der regionalisierten Pflichtversorgung bei vorliegender Pflegebedürftigkeit ein Platz in einer vollstationären Pflegeeinrichtung in der Region gefunden werden, in der die Person vor Eintritt der Pflegebedürftigkeit gelebt hat. Davon abweichende Wünsche der pflegebedürftigen Person sind dabei selbstverständlich zu berücksichtigen.

In den stationären Pflegeeinrichtungen müssen hierfür insbesondere die entsprechenden personellen Voraussetzungen geschaffen werden und ergänzende stützende Maßnahmen, wie gerontopsychiatrische Beratung der Pflegedienstleitungen und gerontopsychiatrische Konsiliarbetreuung, verfügbar sein (siehe Psychiatriebericht Berlin, Teil 1 ­ Strukturelle Rahmenplanung ­).

Die Qualität der Versorgung wird dabei neben der Qualität der jeweiligen Pflegeleistung auch von der regionalen Kooperation des psychiatrischen Fachversorgungssystems mit den Anbietern vollstationärer pflegerischer Betreuung in den Regionen abhängen. Daher empfiehlt sich bei der Erarbeitung der bezirklichen Altenhilfepläne schon eine sehr frühzeitige enge Abstimmung und Einbeziehung der Belange der pflegebedürftigen psychisch kranken Menschen aus dem jeweiligen Bezirk.

Für den Personenkreis, der auf Grund seiner Erkrankung langfristig pflegebedürftig sein wird, jedoch immer wieder auch einer intensiven medizinischen Behandlung bedarf, die in einer vollstationären Pflegeeinrichtung durch die konsiliarische Tätigkeit von niedergelassenen Ärzten nicht in ausreichendem Maße geleistet werden kann, ist im Rahmen der Fortschreibung des Psychiatrieentwicklungsprogramms zu prüfen, inwieweit eine Anzahl von Krankenhausbetten für diesen Personenkreis mit über die Pflegekasse zu finanzieren ist, um permanente Verlegungen zu vermeiden.

Pflege und Betreuung in Einrichtungen für psychisch Kranke

Auch wenn die vollstationären Pflegeeinrichtungen grundsätzlich für die pflegerische Betreuung psychisch Kranker zuständig sind, ist auf Grund von Erfahrungen insbesondere im klinischen Bereich davon auszugehen, dass es eine Gruppe von psychisch Kranken gibt, die auf Grund der Schwere ihrer Erkrankung weder in einer vollstationären Pflegeeinrichtung noch im System der Betreuung im Wohnbereich unter den gegebenen Voraussetzungen integriert werden können. Dies betrifft insbesondere schwerst verwirrte gerontopsychiatrische Personen und mehrfachgeschädigte Suchtkranke. Dieser Personenkreis befindet sich auch auf den Langzeitstationen, die im Rahmen der Enthospitalisierung abgebaut werden.

Auf Grund einer Erhebung in den psychiatrischen Kliniken/ Fachabteilungen im Jahr 1994 wurde für ca. 15 % der zu entlassenden Patienten ein sehr hoher Betreuungsbedarf ermittelt.

Auch wenn diese Größe auf Grund der angewandten Methode in jedem Falle fachlich noch weiter erhärtet werden müßte, kann sie jedoch als Orientierungsgröße für die Schaffung von spezialisierten Einrichtungen mit regionaler Ausrichtung angesetzt werden.

Diese Einrichtungen sollten auf Grund fachlicher Erfahrungen eine Größe von 20 Plätzen nicht unterschreiten und 40 Plätze möglichst nicht überschreiten.

Die Plätze in diesen Einrichtungen sind Teil des Enthospitalisierungskontingents im Bereich der betreuten Wohnformen.

Beim Aufbau solcher „Kleinstheime" bedarf es schon zum Zeitpunkt der Planung einer engen Abstimmung zwischen abgebender Klinik, Versorgungsregion und Kostenträger. Die Leitung einer solchen Einrichtung sollte dabei nur einem in der Planungsregion engagierten Anbieter, der ausgewiesene Erfahrungen in der Betreuung psychisch kranker Menschen hat, übertragen werden. Die Betreuungsleistungen für diesen Personenkreis umfassen Leistungsansprüche sowohl nach SGB V als auch nach SGB XI und BSHG und folgen den Bedürfnissen (Behandlung, Pflege, Eingliederung) des Bewohners.

Teil des Enthospitalisierungsprogramms ist auch die Auflösung der Sonderkrankenhäuser mit einem Anteil von 721 Betten. Hierbei handelt es sich um Einrichtungen mit ordnungsbehördlich genehmigten Betten für die Psychiatrie außerhalb des Krankenhausplans.

In der überwiegenden Zahl dieser Häuser werden psychisch Kranke pflegerisch betreut. Mit ihrer jetzigen Aufgabenstellung werden sie jedoch für die regionalisierte psychiatrische Versorgung nicht benötigt. Inwieweit die in diesen Einrichtungen lebenden Menschen in vollstationären Pflegeeinrichtung verlegt werden können und/oder sich die Einrichtungen nach einer Umstrukturierung und Verkleinerung im Sinne der regional ausgerichteten Pflege- und Betreuungseinrichtungen an der regionalen Pflichtversorgung beteiligen werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend zu klären.

Da ihre Auflösung oder Überführung in eine andere Funktion jedoch Teil der Enthospitalisierung ist, sind sie entsprechend ihrer Bettenzahl im Kontingent für betreute Wohnformen zur Enthospitalisierung zahlenmäßig mit berücksichtigt.

Psychiatrische Hauskrankenpflege

Das Land Berlin verfügt flächendeckend über ein kleingegliedertes und sehr effizientes System von Versorgungsregionen für Sozialstationen. Schon heute wird eine größere Anzahl auch psychisch erkrankter Menschen ambulant im hauskrankenpflegerischen Bereich durch Personal der Sozialstationen gepflegt. Der Aufbau eines psychiatrisch qualifizierten Systems der häuslichen Krankenpflege wäre insbesondere für den hohen Anteil ambulant pflegebedürftiger älterer psychisch kranker Menschen eine wichtige Ergänzung. Dabei ist für die Versorgungsqualität in der Region von zentraler Bedeutung, ob sich diese Angebotsform in das regionalisierte Pflichtversorgungssystem mit einbinden läßt.

Beim Aufbau von Wohn- und Betreuungsangeboten ist zu gewährleisten, dass diese ortsbezogen und orientiert am regionalen Bedarf geschaffen werden. Dies ist auch aus Sicht der Expertenkommission nur auf dem Weg über eine kommunale Planung zu erreichen. „Dabei stehen alle Formen des betreuten Wohnens in einer Wechselbeziehung zu tagesstrukturierenden Angeboten, Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeiten sowie den Instrumenten der beruflichen Rehabilitation. Eine Verzahnung der verschiedenen Wohngelegenheiten in einer Region untereinander und eine enge Koppelung mit den ambulanten, den weiteren komplementären und den teilstationären Diensten ist unumgänglich. Nur auf dem Wege einer sorgfältigen Abstimmung der Betreuungs- und Rehabilitationskonzepte lässt sich sicherstellen, daß alle potentiellen Bewohner, auch diejenigen, bei denen man nicht kurzfristig mit einer Besserung ihres Zustands rechnen kann und um die man sich mühen muß, die ihnen jeweils angemessene Unterkunft finden.

Der Lebensbereich Wohnen ist eng mit den Lebensbereichen Arbeit/Beruf/Beschäftigung und soziale Eingliederung verknüpft. Die einzelnen Hilfen, die der psychisch Kranke oder Behinderte benötigt, sind aufeinander zu beziehen, wenngleich sie sinnvoller Weise organisatorisch und räumlich deutlich voneinander getrennt sein sollten.

Im nichtstationären Bereich der gemeindeintegrierten Versorgung sollte vom üblichen Verfahren der Personalbedarfsermittlung bezogen auf einzelne Institutionen abgewichen werden.