Bleiberecht für Deserteure aus der ehemaligen Sowjetunion

Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:

1. Der Senat wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass alle ehemaligen Angehörigen der sowjetischen Streitkräfte sowie Deserteure aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, die in die Bundesrepublik geflüchtet sind und im Zuge ihres Asylverfahrens Kontakt zu hiesigen Geheimdiensten hatten, eine Aufenthaltsbefugnis gemäß § 32 AuslG erhalten.

2. Bis zur endgültigen Regelung sind aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach negativem Abschluß des Asylverfahrens gegen diesen Personenkreis auszusetzen.

Begründung:

Die von der Bundesregierung beabsichtigte Bleiberechtsregelung wird möglicherweise lediglich Deserteure russischer Staatsangehörigkeit erfassen. Begründet wird die Regelung mit der Tatsache, dass die Deserteure der Westgruppe der Sowjetarmee regelmäßig von hiesigen Geheimdiensten kontaktiert wurden und deshalb bei einer zwangsweisen Rückkehr gefährdet seien. Diese Einschätzung ist zutreffend.

Es waren und sind jedoch im Zuge ihres Asylverfahrens alle Deserteure aus den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion und alle ehemaligen Angehörigen der sowjetischen Armee einer eingehenden Befragung durch westliche Geheimdienste ausgesetzt. Die Bleiberechtsregelung darf deshalb nicht nur auf ehemalige Angehörige der Westgruppe der sowjetischen Armee russischer Staatsangehörigkeit beschränkt bleiben. Das Strafgesetzbuch der Ukraine sieht beispielsweise in § 56 für „militärischen Geheimnisverrat" eine Freiheitsstrafe von 10 bis 15 Jahren vor.

Darüberhinaus kann die Ukraine auf Grund eines Auslieferungsabkommens mit Rußland Deserteure ukrainischer Staatsangehörigkeit an Rußland ausliefern, wenn sie selbst kein Interesse an der Strafverfolgung hat.

In Berlin hat die „Hauptstelle für Befragungswesen" ­ Zweigstelle Berlin ­ in der Sven-Hedin-Straße 11, alle ehemaligen Armeeangehörigen der Sowjetunion zu „Informationsgesprächen" vorgeladen. Die vorgeladenen Personen wurden nicht darüber informiert, dass es sich bei der „Hauptstelle für Befragungswesen" um eine Dienststelle des Geheimdienstes handelte, deren Aufgabe die Erforschung militärischer Geheimnisse war.

Die „Hauptstelle für Befragungswesen" erhielt durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Kenntnis von der Anwesenheit geflüchteter ehemaliger Armeeangehöriger und Mitarbeiter dieser Befragungsstelle hielten sich zeitweise in den Räumen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge auf, wo die Anhörung der Asylsuchenden durchgeführt wird. Auf diese Weise wurde den geflüchteten Armeeangehörigen der Eindruck vermittelt, bei diesen Mitarbeitern handele es sich um Angehörige des Bundesamtes. Es war für die Flüchtlinge nicht erkennbar, dass es sich um unterschiedliche Dienststellen handelte.

Die Betroffenen wurden von Mitarbeitern der „Hauptstelle für Befragungswesen" in intensive Gespräche verwickelt, in deren Verlauf gezielt nach militärischen Einzelheiten gefragt wurde, deren Beantwortung bei allen Armeen als „militärischer Geheimnisverrat" geahndet wird und in Rußland sowie anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion als Hochverrat Höchststrafen bis hin zur Todesstrafe zur Folge hat.

Aus diesem Grund ist es dringend geboten und gerechtfertigt, in die beabsichtigte Bleiberechtsregelung alle ehemaligen Angehörigen der sowjetischen Armee und Deserteure aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR, die in der Bundesrepublik Deutschland um Asyl nachgesucht haben, einzubeziehen.