Jugendstrafanstalt

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann folgendes konstatiert werden:

- In den Bezirken im Ostteil der Stadt fühlt sich die jeweilige Suchtberatungsstelle bereits klar für die Alkohol- und Medikamentenabhängigen ihres Bezirks zuständig, da das Territorialprinzip dort bereits früher eine Selbstverständlichkeit war.

Die Erfahrungen der zwei Beratungsstellen „Integrative Suchtberatung Lichtenberg" und „Große Hamburger" in Mitte zeigen, dass integrierte Beratungs- und Behandlungskonzepte für Alkohol- und Drogenabhängige auch fachlich möglich und sinnvoll sind und die bisherige strikte Trennung zwischen „legal" und „illegal" überwunden werden könnte, wenngleich die jeweilige Spezifik der Abhängigkeitsformen auch differenzierte Behandlungskonzepte erfordert.

- In den westlichen Bezirken der Stadt verläuft der Regionalisierungsprozeß auf Grund der ganz anders gewachsenen Strukturen bisher relativ schwerfällig.

Die unterschiedliche Entwicklung der beiden Hilfesysteme hat auch dazu geführt, dass es zum heutigen Zeitpunkt so gut wie keinen Austausch bzw. keine Kooperation zwischen beiden Systemen gibt. Darüber hinaus ist festzustellen, daß ein erheblicher Unterschied im Versorgungsgrad besteht:

Während die Drogenberatungsstellen bis Mitte des Jahres 1996 relativ gut ausgestattet für den Umfang der zu versorgenden Klienten waren, waren die ambulanten Angebote für Alkohol- und Medikamentenabhängige außerhalb der stationären psychiatrischen Versorgung schon immer als unzureichend anzusehen.

In letzter Zeit haben sich offenbar die Kontakte zwischen der psychiatrischen Versorgung im engeren Sinne und den Alkoholberatungsstellen verbessert, obwohl auch hier die Spezialisierung zu einem weitgehenden Nebeneinander ohne Erfahrungsaustausch der verschiedenen Versorgungsangebote geführt hat.

Ein wesentliches Hemmnis stellt dabei die Definition der Versorgungsnotwendigkeiten bei den chronisch mehrfachgeschädigten Alkoholkranken dar, da die Alkohol- und Medikamentenberatungsstellen fürchten, dass sie bei einer Öffnung für diese gegebenenfalls intensiv betreuungsbedürftige Patientengruppe die therapiemotivierten Patienten vernachlässigen oder verlieren könnten.

Leider ist es bisher in der Tat nicht gelungen, zusätzliche Personalkapazitäten für diesen Betreuungsbereich dadurch zu gewinnen, dass Leistungen der ambulanten Behandlung in nennenswertem Umfang von den gesetzlichen Kostenträgern übernommen werden (s. a. Punkt 9).

Im Rahmen des Psychiatrie-Entwicklungs-Programmes (Enthospitalisierung) entstehen jedoch Angebote im betreuten Wohnen und zur Tagesstrukturierung chronisch Alkoholkranker, deren Personalaufwand bei der Bedarfsberechnung einzubeziehen ist.

Umsetzung Ziel ist die bessere Nutzung vorhandener Ressourcen durch klare Aufgabenverteilung, Vermeidung von Doppelbetreuung, Reduzierung der Kooperationspartner und Gremienarbeit im Zuge einer Regionalisierung und stärkeren Vernetzung der psychosozialen/psychiatrischen Versorgung mit den Angeboten in der legalen und illegalen Suchtarbeit.

Der Vorschlag zur Umstrukturierung des Hilfesystems sieht deshalb vor, alle in einer Region vorhandenen Ressourcen für Beratung in einem Suchthilfezentrum zusammenzuführen und mit einem verbindlichen Pflichtversorgungsauftrag für die Grundversorgung zu versehen.

Das Ziel ist ein Beratungszentrum pro Region mit einer Steuerungsfunktion für alle ambulanten Suchthilfeangebote.

Die Vernetzung vorhandener Alkohol- und Drogenberatungsstellen wird vorerst nur auf dem Wege von Kooperationsvereinbarungen angestrebt werden können.

In dem kommenden Prozeß der Veränderung von Strukturen und Aufgabenverteilung kann als Zwischenschritt ­ je nach regionaler Struktur, Bedarfslage sowie bereits vorhandenen Hilfeangeboten ­ der Aufbau einer integrierten Suchtberatungsstelle rasch abgeschlossen werden. Es wird jedoch auch Regionen geben, in denen zunächst die Zuständigkeit einer Drogenberatungsstelle für das für sie definierte Einzugsgebiet parallel zur Alkoholberatungsstelle bestehen bleibt. Ein Überblick über die vorhandenen Beratungsstellen ­ Drogen und Alkohol ­ zeigt, dass diese ungleichmäßig auf Grund der gewachsenen Strukturen über das Stadtgebiet verteilt sind; nur im Ostteil der Stadt gibt es ­ bis auf Weißensee ­ in jedem Bezirk eine ­ auch territorial zuständige ­ Beratungsstelle. Die Personalausstattung der Alkoholberatungsstellen entspricht allerdings in keiner Weise der Größe des jeweils von ihnen versorgten Einzugsgebietes; die Personalausstattung der Drogenberatungsstellen war bisher nicht an Einwohnerzahlen bzw. Risikopopulation orientiert, da sie keine verbindlichen Einzugsbereiche hatten.

Stellenstruktur sowie das Aufgabenspektrum der Beratungsstellen sind entsprechend zu verändern. Künftig sollte vorausgesetzt werden, dass Suchtberater als Mindestausbildung den Fachhochschulabschluß Sozialarbeit, Sozialpädagogik und eine Zusatzausbildung als Suchtkrankentherapeut vorweisen.

Eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung von Alkohol- und Drogenberatungsstellen erfordert nachhaltig eine Aufgabenabstimmung mit den Sozialpsychiatrischen Diensten und Institutsambulanzen in der Region.

Auch bei vorerst unterschiedlicher Trägerschaft ist es durch entsprechende vertragliche Regelungen, z. B. den Austausch von Personal (durch geteilte Stellen, Rotationsstellen u. ä.) sowohl zwischen den beratenden Diensten als auch mit den pflichtversorgenden Krankenhäusern und komplementären Einrichtungen, möglich, einen intensiveren Erfahrungsaustausch und eine personelle Vernetzung herzustellen.

Die Finanzierung der Suchthilfezentren wird in der Aufbauphase und bis zu einer klaren vertraglichen Regelung der Aufgabendefinition und des Leistungsumfanges zunächst durch Zuwendungen der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport bzw. Bezirke und gegebenenfalls durch die gesetzlichen Kosten- und Leistungsträger zu gewährleisten sein. (Zur Finanzierungsproblematik der Sucht- und Drogenhilfe s. a. Kapitel 9.)

Vorteile der Suchthilfezentren

Eine verbindlich geregelte flächendeckende Versorgung mit Suchtberatung für Berlin insgesamt trüge der Tatsache Rechnung, daß die Mehrheit der Suchtmittelabhängigen über das gesamte Stadtgebiet verteilt lebt. Sie böte die Chance, Klienten und deren Angehörige bereits im Frühstadium des Konsums zu erreichen, noch vorhandene Integrationselemente zu nutzen und ein Abgleiten in offene Drogenszenen zu verhindern.

Die Arbeitsweise der Sucht- und Drogenberater muss sich so strukturieren, dass die potentiellen Zielgruppen erreicht werden.

Dabei ist einer erneuten Ausgrenzung von Klienten entgegenzuwirken; dies gilt insbesondere für die „schwierigen" Fälle. Grundsätzlich gilt, dass der Zugang zu Sucht- und Drogenberatung niedrigschwellig sein muß.

Die Förderung der Suchthilfezentren wird künftig daran gebunden sein, dass verbindliche Kooperationsbeziehungen für die Region (SpD, Sozialpäd. Dienst, freie Träger mit Schnittstellen zur Suchthilfe, Jugendhilfe, Krankenhäuser etc.) vereinbart werden. Das Leistungsspektrum des Suchthilfezentrums wird sich somit den Klienten besser erschließen, und die Kooperationspartner können andererseits verläßlich Klienten an das regional zuständige Suchthilfezentrum weitervermitteln.

Trägerinteressen würden ohne Zweifel zum Wohl der Klienten an Eigendynamik verlieren. Für immer neue (Spezial-)Probleme von Abhängigen wären nicht immer wieder neue Träger zu finden und Projekte zu konzipieren. Die „Institution" müßte sich ändern, auf neue Probleme und neue Mißbrauchsformen wie z. B. Ecstasy-/Kokainmißbrauch mit entsprechenden qualitativen und quantitativen Maßnahmen reagieren. Dies spricht nicht gegen Trägerpluralität und Pluralität der Konzepte. Die bestehenden freien Träger und Einrichtungen könnten in einem ersten Schritt einen Kooperationsverbund für jeweils eines der regionalen Suchthilfezentren bilden.

Realistischerweise kann eine so weitgehende Umstrukturierung ambulanter Hilfen nicht gegen die gewachsenen Strukturen der freien Träger und der bezirklichen Gegebenheiten umgesetzt werden. Insofern sind Zwischenschritte und Teillösungen zu realisieren. Insbesondere dürfte es im Wege der Verwaltungsreform bei der avisierten Stärkung der Eigenständigkeit der Bezirke eine Reihe von Schwierigkeiten geben, mehrere Bezirke von der Notwendigkeit eines Zusammenschlusses zu einer Versorgungsregion zu überzeugen. Angesichts der fachlichen, aber auch ökonomischen Vorteile, die das vorgeschlagene Modell beinhaltet, gibt es hierzu keine Alternativen.

Der Nachteil, dass dieses Modell für manche Abhängige später gegebenenfalls „längere" Wege mit sich bringt, wird hingegen zugunsten einer umfassenden qualifizierten Beratung und Behandlung in Kauf genommen werden müssen.

Wie sich dies in den einzelnen Regionen planerisch darstellt und welche Verfahrensschritte möglich erscheinen, wird regionenspezifisch dargestellt.

Überregionale Angebote

Zu der Darstellung der überregionalen Hilfen ist anzumerken, daß es sich hierbei gleichermaßen um Elemente aus der Versorgungsverpflichtung handelt, die nur aus fachlichen Gesichtspunkten gesondert vorgehalten werden. Ob diese Angebote zu einem späteren Zeitpunkt ­ je nach Versorgungsnotwendigkeiten ­ das Leistungsspektrum eines Suchthilfezentrums in den Regionen erweitern und ergänzen müssen, bleibt vorerst unentschieden.

Diese Hilfen sind parallel zu den Angeboten der regionalen Grundversorgung vorzuhalten.

Die bisherigen Erfahrungen vor allem aus der Arbeit mit Drogenabhängigen zeigen, dass sich verschiedene niedrigschwellige Hilfen kaum dezentralisieren lassen; sie werden dort notwendig, wo Drogenszene und Drogenmarkt etabliert sind. Die Betreuung und Versorgung der offenen Drogenszenen und die dazugehörige Einzelfallhilfe wird für die Innenstadtbezirke weiterhin zentral anzubieten sein. Gegenwärtig ist eine Entspannung der Situation an Szenetreffpunkten nicht absehbar, weil sich die Konzentration der Abhängigen an bestimmten Orten auch aus der Struktur des Drogenmarktes ergibt. Gezielte Hilfen sind also unabdingbar.

Zielgruppenspezifische Angebote können schon aus ökonomischen Gesichtspunkten nicht in allen Regionen vorgehalten werden. Die regionale Grundversorgung muss deshalb außerdem ergänzt werden durch überregionale, zielgruppenspezifische Angebote, die eine besondere Fachkompetenz benötigen.

Dies gilt im übrigen ohnehin für stationäre therapeutische Programme, die sowohl aus wirtschaftlichen Gründen als auch wegen der fachlich gewünschten Vielfalt therapeutischer Ansätze

­ entsprechend der Unterschiedlichkeit der Klienten ­ nicht auf die Belegung aus nur einer Region beschränkt werden können.

Folgende niedrigschwellige Angebote, die flexibel auf die jeweiligen Problemlagen ­ u. U. auch durch Standortverlagerung

­ reagieren müssen, sind zur Versorgung der offenen Szenen in einem Ballungsraum wie Berlin erforderlich:

- Ein zentraler Drogennotdienst mit insgesamt neun Fachkräften, der einen 24-Stunden-Krisendienst auf gesamtstädtischer Ebene vorhält;

- aufsuchende Sozialarbeit durch Streetwork, die in drei Teams mit der Kapazität von jeweils 2,5 Personalstellen definiert wird und Szenetreffpunkte betreuen muß;

- zwei Szenekontaktläden, ausgestattet mit jeweils fünf Fachkräften, die szenenah eine suchtbegleitende, die hygienische Basisversorgung Abhängiger sichernde Aufenthaltsmöglichkeit bieten;

- ein Angebot der niedrigschwelligen gesundheitlichen Basisversorgung Drogenabhängiger, das durch die Arzt- und Präventionsmobile mit dem derzeitigen Ist-Personalstand sowie durch die bestehenden Angebote bei Strass und Olga (30 Stunden für eine Krankenschwester; Honorarmittel für 30 Stunden/Woche für einen Arzt) zu gewährleisten ist;

- die Betreuung und Versorgung drogenabhängiger Prostituierter, die mit dem Ist-Personalstand (2,5 Fachkraftstellen) des Kontaktcafe's „Olga" fortgeführt wird;

- für obdachlose Drogenabhängige das Angebot einer Krisenübernachtungseinrichtung mit 3 Fachkräften.

Drogennotfallprophylaxe und nachgehende Sozialarbeit mit 2,5 Fachkräften sowie 2,0 Fachkräfte für Case-management, die derzeit aus Bundesmodellprogrammen zur Verbesserung der Versorgung der sogenannten Schwerstabhängigen oder chronisch Abhängigen gezielt eingesetzt werden, stützen das überregionale Angebot, haben jedoch auch spezielle entlastende Funktionen für die Regionen, in denen sie arbeiten.

Hier ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass Abhängige, die sich im Umfeld der offenen Drogenszenen bewegen, bereits vorher durch die sozialen Netze gefallen sind. In der Regel vergeht eine Zeitspanne von mindestens fünf Jahren ab Konsumbeginn, bis erste Verwahrlosungs- und Verelendungstendenzen auftreten.

Auch diese Tatsachen sind wichtige fachliche Argumente für eine frühzeitige Intervention in den Regionen.

Die bislang geleisteten zielgruppenspezifischen Angebote werden ­ unabhängig von der derzeitigen Trägerschaft und ihrem derzeitigen Standort ­ wie folgt verbindlich definiert:

- die Beratung und Betreuung von drogenabhängigen Migranten aus dem arabischen und türkischen Kulturkreis mit einer Kapazität von insgesamt 4 Fachkräften, wobei die Beratung drogenabhängiger Inhaftierter in der Jugendstrafanstalt zu gewährleisten ist,

- aufsuchende Drogenhilfe in der JVA Tegel mit einer Betreuungskapazität von 2 Fachkraftstellen,

- die Clearingstelle für Substitution mit 2,25 Fachkraftstellen,

- das Angebot einer Substituiertenselbsthilfe mit 1,5 Fachkraftstellen,

- das Beratungs- und Betreuungsangebot für die Problemgruppe der cannabiskonsumierenden Jugendlichen mit 3,5 Fachkraftstellen,

- das Angebot von „Therapie sofort" mit 2 Fachkräften,

- Beratung und Betreuung pathologischer Spieler mit 2 Fachkräften.

Mit überregionalem Wirkungskreis ist darüber hinaus ein System der Frauensuchthilfe mit folgenden Hilfen fortzuführen:

- die Beratung und Behandlung von Eßstörungen mit 2 Fachkräften beim Träger „Dick und Dünn",

- die Beratung und Behandlung medikamentenabhängiger Frauen mit 2 Fachkräften beim Träger „Schwindelfrei",

- die Beratung und Behandlung alkohol- und medikamentenabhängiger Frauen beim Träger T.A.G. mit 2 Fachkräften,

- die niedrigschwellige Suchtbegleitung und Beratung drogenabhängiger Frauen incl. deren Weiterbetreuung in Haft mit 4

Fachkräften durch den „Frauenladen" des Trägers FrauenSucht-Hilfe Berlin,

- für die Organisation und Konzeption frauenspezifischer Suchtarbeit, für ambulante Suchttherapie und Nachsorge beim Verein zur Hilfe suchtmittelabhängiger Frauen e. V. mit der Kapazität von insgesamt 3 Fachkräften.

Aus dieser Darstellung der unterschiedlichen frauenspezifischen Suchthilfeangebote wird deutlich, dass es hier künftig um eine Bündelung von Maßnahmen gehen muß.

Insgesamt ergibt sich für den überregionalen Bereich ein planerisches Soll von 62,5 Fachkraftstellen. Vorhanden sind 56,85

Fachkraftstellen bei Einrichtungen, die Angebote in diesem Bereich vorhalten (s. Tabelle 11).

Die spezialisierte Entwöhnungstherapie ­ für Alkohol- und Medikamentenabhängige in den Krankenhäusern, für Drogenabhängige in Drogentherapieeinrichtungen und Wohngemein schaften ­ kann und sollte keine regionalisierte Aufnahmeverpflichtung haben, um zu ermöglichen, dass innerhalb Berlins die Einrichtung ausgewählt werden kann, deren Therapiekonzept am ehesten dem Entwicklungsstand und den Behandlungsbedürfnissen des Betroffenen entspricht. Hingegen sollten die Suchthilfezentren in den Regionen künftig im Sinne einer gemeindenahen Versorgung darauf hinwirken, dass vorrangig das Berliner Spektrum der Therapieeinrichtungen genutzt wird.

Unabhängig davon sollten aber auch die Therapieeinrichtungen die engsten Kooperationsbeziehungen mit der Region pflegen, in der sie liegen, die Klienten aber zur Beratungsstelle/zum Suchthilfezentrum ihres Wohnbezirkes zurückvermitteln. Wie bereits dargestellt, ist eine engere Verknüpfung mit dem ambulant-komplementären Bereich durch Personalaustausch anzustreben. Zwingend notwendig ist die regionale Kooperation der stationären Einrichtungen aber vor allem in der Planung komplementärer Einrichtungen (z. B. Wohnraumversorgung); es ist deshalb auch umgekehrt zwingend, dass die Bezirke bei der Etablierung von Therapieeinrichtungen beteiligt werden, da nicht nur zusätzliche Arbeit (BSHG-Mittel und Begutachtung) auf sie zukommt, sondern sie immer mit Patienten aus anderen Wohnbezirken konfrontiert werden, die im Bezirk wiedereingegeliedert werden müssen.

Versorgungsregionen der Suchthilfezentren

Bei den bevorstehenden Umstrukturierungsmaßnahmen zur Regionalisierung der Drogen- und Suchthilfe wird der Senat sich von dem Prinzip leiten lassen, dass Trägerinteressen hinter Versorgungsinteressen treten müssen. Die endgültige Entscheidung für eine steuernde Funktion in der Region ist im Rahmen der Anbieter- und Angebotsqualität zu treffen.

Die Regionen umfassen ­ unter Beachtung der Bezirksgrenzen

­ jeweils etwa 500 000 Einwohner, davon um die 230 000 Einwohner der Risikopopulation der 15- bis 45jährigen. Bei der allgemein üblichen Annahme von 5 % Suchtkranken in der Bevölkerung muß jede Region mit etwa 25 000 Betroffenen rechnen.

Die regionenspezifische Darstellung der erreichbaren Ziele geht pragmatisch vom jetzt erreichten Entwicklungsstand aus.

Eine Umstrukturierung und Integration der Hilfesysteme kann nur gelingen, wenn sich alle Beteiligten bewußt sind, dass es ­ fachlich wünschbare ­ Zuwächse in den kommenden Jahren nicht geben kann. Von den Beteiligten ­ vor allem den freien Trägern und den Bezirksämtern ­ muss ein Höchstmaß an Verhandlungsbereitschaft und Flexibilität verlangt werden, um in den zu bildenden Suchthilfezentren den Personal- und Mitteleinsatz der ambulanten Hilfen für Suchtkranke gezielter und damit bedarfsgerechter zu steuern. Ebenso müssen sie die Ansprüche der Betroffenen gegenüber den gesetzlichen Kosten- und Leistungsträgern durchsetzen.

Die zersplitterten Zuständigkeiten auf Haupt- und Bezirksverwaltungsebene und die diversifizierte Etatisierung der Mittel für die Suchtkrankenhilfe erschweren den geplanten Umstrukturierungsprozeß zusätzlich. Da jedoch die Schaffung von regionalen Suchthilfezentren zahlreiche fachliche Kritikpunkte an der Entwicklung in den letzten Jahrzehnten konstruktiv aufnimmt, besteht begründete Hoffnung, dass Partikularinteressen von Trägern und Bezirken zugunsten eines sinnvollen Gesamtkonzeptes der Suchtkrankenhilfe überwunden werden können.

Auf Grund der geänderten Geschäftsverteilung des Senats wird die Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport diesen Umstrukturierungsprozeß künftig zentral steuern können, da sie jetzt die Koordinierungsfunktion für die Versorgung aller Suchtkranken übernommen hat.

Region 1

Wedding Pankow

262 Einwohner Reinickendorf

424 RisikopopulationÄ

Die Einwohnerzahl dieser Region ist tendenziell steigend.

Nach dem Sozialindex ist die Region eher ausgeglichen, da die niedrigeren Werte des Bezirks Wedding durch die beiden anderen Bezirke ausgeglichen werden.

Die klinisch-stationäre psychiatrische Pflichtversorgung wird für die Bezirke Wedding und Reinickendorf sektorisiert von der KBoN wahrgenommen, für Pankow vom Klinikum Buch.

Die KBoN hat außerdem mit ihrer Abteilung für Abhängigkeitskranke eine überregionale Entwöhnung sowie ambulante Behandlungsmöglichkeiten.

Im Bezirk Wedding liegt darüber hinaus das Jüdische Krankenhaus mit seiner Psychosomatischen Abteilung ­ Suchtambulanz, Entgiftung, Entwöhnung; im DRK-Krankenhaus Mark Brandenburg ­ Drontheimer Straße wird künftig ebenfalls eine überregionale Entgiftungsstation angesiedelt sein.

Die Beratungskapazitäten dieser Region sind bisher wie folgt verteilt:

In Wedding betreibt die Kommune ­ Abteilung GesSoz ­ eine Beratungsstelle für Alkohol- und Medikamentenabhängige (5,75

Fachkräfte), das Sozialpädagogische Institut Berlin (SPI) mit dem Wrieze-Haus eine Drogenberatungsstelle (5 Fachkräfte; gefördert durch SenSchulJugSport). Der „Frauenladen" (4 Fachkräfte) ist ein überregionales frauenspezifisches Beratungsangebot (Förderung durch SenSchulJugSport).

In Pankow ist das SPI Träger einer Suchtberatungsstelle ­ Schwerpunkt Alkohol (3 Fachkräfte; Förderung durch Bezirk).

In Reinickendorf gibt es bisher nur die erste Ausbaustufe einer aus der Selbsthilfe hervorgegangenen Suchtberatungsstelle des Vereins „Rettungsring" (2 Fachkräfte; Förderung durch Bezirk). Planerische Zielgröße für die regionale Personalausstattung sind insgesamt 20 Fachkräfte (15,5 Fachkräfte für Alkohol- und Medikamentenabhängige, 4,5 Fachkräfte für Drogenabhängige) plus 10,5 Fachkräfte für Chroniker. Vorhanden sind: 10,75 Stellen für Fachkräfte im Bereich Alkohol, 5 Fachkräfte im Bereich Drogen und 5,35 Fachkräfte für Chroniker.

Da das SPI bereits in zwei Bezirken der Region tätig ist, empfiehlt es sich, diesem den Auftrag zur Entwicklung der regionalen ambulanten Versorgung zu erteilen. Erstes Verhandlungsziel des zentralen Trägers mit dem Bezirksamt Wedding, dem Rettungsring e. V. und dem Bezirksamt Reinickendorf als Förderbehörde ist entweder der Trägerwechsel der vorhandenen Beratungsstellen oder zumindest eine klare Abstimmung der anteilig zu erbringenden Pflichtaufgaben für die Region.

Denkbar ist, dass alle drei Bezirksämter eine gemeinsame regionale Kooperationsvereinbarung schließen; eine Aufgabenabgrenzung bzw. -bestimmung sollte mit den drei Sozialpsychiatrischen Diensten, den vier in diesem Bereich tätigen Krankenhäusern sowie mit dem überregional tätigen Frauenladen vorgenommen werden.

So sind etwa in dieser Region die Möglichkeiten der Krankenhäuser zur ambulanten Behandlung über die Institutsambulanzen bzw. die Empfehlungsvereinbarung ambulante Reha Sucht ebenso auszuloten wie auch die im Bereich Betreutes Wohnen und Tagesstätte für die Betreuung chronisch Alkoholkranker eingesetzten Personalkapazitäten einzubeziehen sind.

Region 2

Spandau Charlottenburg

941 Einwohner Wilmersdorf

521 RisikopopulationÄ

Die Einwohnerzahl dieser Region ist tendenziell steigend, der Sozialindex ist ausgeglichen ­ eher positiv.

Die klinisch-stationäre psychiatrische Pflichtversorgung, die bisher sektorisiert vom Krankenhaus Spandau durchgeführt wurde, wird künftig für den Bezirk Charlottenburg durch das Max-Bürger-Zentrum, für den Bezirk Wilmersdorf durch das DRK-Krankenhaus Eibenhof wahrgenommen. Als überregionale stationäre Krankenhausträger, die auch therapeutische Angebote für Suchtkranke machen, sind im Bezirk Charlottenburg sowohl die Schloßpark-Klinik als auch die psychiatrische Universitätsklinik des UKBF zu nennen.