Maßnahmen gegen Leistungsmißbrauch
Zu den originären Aufgaben jeder leistungsgewährenden Stelle gehört die Prüfung im Einzelfall, ob die Leistungsvoraussetzungen vorliegen oder deren Vorliegen durch falsche bzw. unvollständige Angaben behauptet wird.
Falsche oder unvollständige Angaben können zum rechtswidrigen Leistungsbezug führen und sind bei Nachweis einer Betrugsabsicht strafbar.
Werden auf Grund falscher oder unvollständiger Angaben Leistungen gewährt, ohne dass die Leistungsvoraussetzungen überhaupt bzw. zur beantragten Höhe erfüllt sind, entsteht dem Leistungsträger ein wirtschaftlicher Schaden.
Deshalb sind Maßnahmen zur Verhinderung von Leistungsmißbrauch geboten.
Das Problem der mißbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen liegt darin, dass die Überprüfung der vom Antragsteller gemachten Angaben kaum vollständig möglich ist, weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht noch kapazitätsmäßig.
Auch darf nicht jeder Leistungsbezieher/Hilfesuchende verdächtigt werden, sich Leistungen durch falsche bzw. unvollständige Angaben erschleichen zu wollen.
Allerdings darf das rechtliche Instrumentarium zur Überprüfung von Angaben weder ignoriert noch sein Gebrauch diffamiert werden.
1. Überregionale Klärung zur gesetzlichen Verbesserung des Datenaustauschs bei Sozialleistungen
Die gesetzlichen Möglichkeiten des Datenabgleichs erscheinen einigen Ländern zu begrenzt. Die ASMK hat deshalb eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Klärung in allen Sozialleistungsbereichen eingesetzt, ob das bundesrechtliche Instrumentarium zur Vermeidung von Überzahlungen/ Mehrfachbezug ausreicht, gegebenenfalls Vollzugsdefizite erkennbar sind, gegebenenfalls eine Ergänzung der rechtlichen Möglichkeiten zum Datenabgleich angebracht erscheint.
Berlin SenGesSoz wirkt in dieser Arbeitsgruppe mit.
Allein bei den Leistungen der Sozialhilfe und nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erstreckt sich diese Prüfung auf etwa 15 einschlägige bzw. korrespondierende Rechtsvorschriften. Die bisherige Klärung in bezug auf diese beiden Leistungsgesetze hat etwa 10 Vorschläge zur Erweiterung verschiedener Bundesgesetze ergeben.
2. Qualifizierungsmaßnahmen zur Klärung von Leistungsansprüchen bzw. zur Verhinderung von Leistungsmißbrauch unter Beachtung des Datenschutzes
Die Schulung der Mitarbeiter der Sozial-, Jugend- und Gesundheitsämter zum Regelwerk obliegt den Bezirksämtern; sie werden von der Verwaltungsakademie und der Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe (AGS) unterstützt.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat bei der AGS eine Fortbildungsreihe zur Verhinderung von Leistungsmißbrauch initiiert, in der die Rechtsgrundlagen zum Datenschutz und zu dessen Einschränkung, zu Auskunftsund Mitteilungspflichten sowie zum Datenabgleich mit Behörden, Arbeitgebern und Banken vermittelt werden.
Diese Veranstaltungen finden zahlreiches Interesse, wobei sich der vermutete Qualifizierungsbedarf bestätigt hat.
Das Bezirksamt Kreuzberg von Berlin hat inzwischen einen Schulungsbedarf zu der Frage angemeldet, wann sich ein Ausländer illegal bzw. unerlaubt aufhält. Die notwendigen Erläuterungen werden gegeben.
Die Einstellung der Beschäftigten in den Sozial-, Jugendund Gesundheitsämtern zu dieser Thematik ist unterschiedlich und wird teilweise von der Zugehörigkeit zur jeweiligen Berufsfachgruppe geprägt.
Für alle Mitarbeiter in Leistungsbereichen beziehungsweise für die Zuarbeit an Leistungsbereiche gilt jedoch:
Eine gedankliche Trennung zwischen Leistungsbehörden einerseits sowie Ermittlungs- und Verfolgungsbehörden andererseits ist falsch, denn es gehört zu den Aufgaben eines Sozialleistungsträgers zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und die Leistung nicht mißbräuchlich bezogen wird, wie der Sozialhilfeträger auch zu Unrecht bezogene Sozialhilfe zurückfordern muß.
3. Einrichtung von bezirklichen Prüfdiensten
Es liegt in der Natur der Sache, dass die im Einzelfall erforderlich erscheinende Prüfung, ob tatsächlich und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Bedarf an Mobiliar, Hausrat, Bekleidung über die Pauschale hinaus bzw. eine nach dem BSHG rechtlich bedeutsame eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht, nicht im Amt, sondern nur durch Mitarbeiter im Außendienst durchgeführt werden kann.
Den Bezirksämtern ist mit Schreiben vom 4. Februar 1997 nachdrücklich empfohlen worden, Prüfdienste einzurichten.
Dies geschah unter Hinweis auf die aus Anlaß der Beantwor tung einer Kleinen Anfrage durchgeführte Umfrage zum Thema „Prüfdienste" bei den Bezirksämtern, die eine weitgehende Bestätigung der Notwendigkeit derartiger Sonderprüfungen ergab.
In der Antwort der Senatorin für Gesundheit und Soziales zu dieser Kleinen Anfrage hieß es u. a. „Wie sich aus den Schilderungen fast aller Bezirksämter ergibt, gehört zu den tatsächlichen Problemen der Sozialämter auch der tatsächliche oder versuchte Leistungsmißbrauch, wobei dieser Leistungsmißbrauch bereits dort beginnt, wo unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden. Diesen Leistungsmißbrauch aufzuklären und zu verhindern ist nach der Landeshaushaltsordnung Aufgabe des zuständigen Wirtschafters.
Der Senat geht davon aus, dass die Bezirksämter auch angesichts ihrer finanziellen Engpässe von sich aus alles tun werden, um entsprechende Prüfdienste einzurichten und gegebenenfalls auszubauen und dabei auch geeignete Kräfte aus dem Personalüberhang einzusetzen. Wenn mit dem Bezirksamt Spandau sogar an den Einsatz ehrenamtlicher Kräfte zu denken ist, dann dürfen auch an Personalüberhangkräfte keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden.
Die Umsetzung dieser Empfehlung ist allerdings eine Bezirksaufgabe ohne Fachaufsicht."
Eine Umfrage unter den Sozialamtsleitern der größten Großstädte hat ergeben, dass auch anderenorts „Bedarfsfeststellungsdienste" bestehen und deren Tätigkeit sowohl präventiv als auch wirtschaftlich gute Ergebnisse erbracht hat.
4. Präventivmaßnahmen der Revisoren in der Abteilung Sozialwesen der Bezirksämter
Nach den Richtlinien für die Tätigkeit der Revisoren dort ist es deren originäre Aufgabe, konstruktive Vorschläge zum Ausgleich von Mängeln und Defiziten zu unterbreiten.
Hierzu gehören selbstverständlich auch Maßnahmen gegen den Mißbrauch von Sozialleistungen, da die Prüfungstätigkeit ausdrücklich auch auf Aspekte wie Recht- und Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die Feststellung und den Ausschluß von Fälschungen und anderen Unregelmäßigkeiten abzustellen ist.
Darüber hinaus sind die Revisoren aufgefordert, eine überbezirkliche Arbeitsgemeinschaft zu bilden, zu deren Aufgabe die Erarbeitung präventiver Maßnahmen zur Verhinderung vorsätzlicher finanzieller Unregelmäßigkeiten gehört. Dieser Auftrag ist nicht auf die Vermeidung von Mißbrauchsfällen seitens der Sachbearbeitung beschränkt worden.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 1996 sind die für den Geschäftsbereich Sozialwesen zuständigen Bezirksstadträte von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales um Mitteilung gebeten worden, welche Präventivmaßnahmen gegen den Sozialleistungsmißbrauch durch die Revisoren bislang vorgesehen bzw. realisiert worden sind. Von dort wurde an die Arbeitsgruppe unter Federführung des Bezirksamtes Köpenick verwiesen; eine Rückmeldung liegt hierzu noch nicht vor.
5. Rückforderung zu Unrecht bewilligter Leistungen
Die Rückforderung zu Unrecht bewilligter Leistungen ist vorgeschrieben und wird auch praktiziert. Zu den Amtspflichten gehört auch, um die Einziehung der zurückgeforderten Summen bemüht zu sein, was aber oft schwierig ist, weil nur selten pfändbares Einkommen zu ermitteln ist.
Selbst bei fortdauerndem Sozialhilfebezug ist ein Ausgleich des Schadens anzustreben. Nach § 25 a Abs. 1 BSHG kann die Hilfe bis auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche mit Ansprüchen des Trägers der Sozialhilfe gegen den Hilfeempfänger aufgerechnet werden, wenn es sich um Ansprüche auf Erstattung oder auf Schadensersatz auf Grund zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialhilfe handelt, die der Hilfeempfänger durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlaßt hat. Die Aufrechnungsmöglichkeit wegen eines Anspruchs ist auf zwei Jahre beschränkt.
6. Strafverfahren
Der vorsätzliche Sozialleistungsmißbrauch erfüllt den Tatbestand des Betruges, der strafrechtlich verfolgt werden kann.
Zu den gesetzlichen Aufgaben eines Sozialleistungträgers gehört es auch, eine Strafanzeige zu erstatten, wenn Fälle betrügerischer Erlangung von Sozialhilfe bekannt werden.
Zumindest in gravierenden Fällen erstatten die Bezirksämter Strafanzeige, obwohl die Aufbereitung zur Beweislage recht arbeitsaufwendig ist. Vielfach wird darauf aber auch verzichtet, weil etliche Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt werden. In den Fällen einer beabsichtigten Einstellung nach den §§ 153, 153a der Strafprozeßordnung tritt die Staatsanwaltschaft gemäß Nummer 93 Abs. 1 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren mit der anzeigenden Behörde in Verbindung, bevor sie die Zustimmung des Gerichts einholt.
Dies gilt auch für die Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu einer Einstellung, die das Gericht beabsichtigt.
7. Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten
Darüber hinaus sind die Bezirksämter seit Inkrafttreten des novellierten Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit am 1. August 1994 zuständig für die Verfolgung und Ahndung der neu in § 1 Abs. 1 Nr. 1 dieses Gesetzes aufgenommenen Tatbestände des Leistungsmißbrauchs gegenüber einem Träger der Sozialhilfe bzw. nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Entsprechendes gilt für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes bei Beauftragung mit Schwarzarbeit.
§ 3 Abs. 1 dieses Gesetzes regelt die Zusammenarbeit der für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden, insbesondere mit
1. der Bundesanstalt für Arbeit,
2. den Trägern der Krankenversicherung als Einzugsstellen für die Sozialversicherungsbeiträge,
3. den im § 63 des Ausländergesetzes genannten Behörden,
4. den Finanzbehörden
5. den Trägern der Unfallversicherung
6. den für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden
7. den örtlich zuständigen Hauptzollämtern.
Die grundsätzlichen Fragen dieser Zusammenarbeit werden insbesondere in der bei der Senatsverwaltung für Arbeit, berufliche Bildung und Frauen eingerichteten Koordinierungsgruppe über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg behandelt, in der die von Schwarzarbeit betroffenen Behörden und Sozialleistungsträger sowohl aus Berlin als auch aus Brandenburg vertreten sind.
Im Falle des Leistungsmißbrauchs durch Schwarzarbeit ist die Staatsanwaltschaft zunächst für die Verfolgung der Tat als Straftat als auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zuständig (vgl. §§ 40, 41 OWiG). Stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren jedoch wegen der Straftat ein, gibt sie die Sache an eine der o. g. Behörden ab (vgl. § 43 OWiG).
Bei einigen Bezirksämtern wurde ein Vollzugsdefizit schon dadurch deutlich, dass noch nicht die für die Durchführung der Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten zuständige Abteilung bestimmt wurde.
Die Bezirksämter wurden mündlich und schriftlich aufgefordert, etwa noch ausstehende Bezirksamtsbeschlüsse herbeizuführen.
8. Unterrichtung der Polizei, der Ausländerbehörde und anderer Behörden
Rundschreiben zu §§ 68 ff. SGB X
- Die Senatsverwaltungen für Gesundheit und Soziales, für Schule, Jugend und Sport sowie Inneres haben ein Gemeinsames Rundschreiben mit Datum 14. Februar 1997 zur Übermittlung von Sozialdaten gemäß §§ 68 ff. SGB X verfaßt.