Ausführungsvorschriften über Mietkostenübernahme für Sozialhilfeberechtigte

„Der Senat wird gebeten, die Ausführungsvorschriften über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen nach den §§ 11 bis 26 BSHG (AV-Hilu) vom 23. Januar 1991 mit dem Ziel zu ändern, dass verbindliche Regelungen zu den Mietobergrenzen festgelegt werden. An den Änderungsarbeiten sollte die Arbeitsgruppe Mietobergrenzen beteiligt werden.

Folgende Anregungen sollten in die Überlegungen zur Neufassung der AV einbezogen werden:

1. Als Richtwerte für die angemessene Wohnungsgröße gilt (aus Vereinfachungsgründen) die max. geförderte Wohnungsfläche im 1. Förderweg bis 1990: 1 Person 50 m2 2 Personen 65 m2 3 Personen 80 m2 4 Personen 95 m2 Für jede weitere Person 12 m2.

Diese Richtwerte können jedoch überschritten werden, wenn die Miethöhe an sich angemessen ist (siehe Punkt 2).

Ist die Miethöhe an sich angemessen (siehe 2.), können die Richtwerte für die Wohnungsgrößen überschritten werden; das heißt auch größere Wohnungen sind dann noch angemessen, wenn deren Miethöhe nicht wesentlich höher ist als nach den m2-Richtlinien für die jeweilige Wohnungsgröße (siehe 1.).

2. Für Neuanmietungen orientieren sich die angemessenen Kosten der Unterkunft (ohne Heizung und Warmwasser) an den jeweils aktuell geförderten Mieten im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau (1. Förderweg).

3. Mieten im 2. Förderweg und bei freifinanzierten Wohnungen sind ebenfalls anzuerkennen, wenn sie den Richtwerten unter 2. entsprechen oder nicht mehr als 20 % darüberliegen.

4. Im Einzelfall können die Miet-Richtwerte (siehe 2./3.) überschritten werden, vor allem dann, wenn dadurch eine Unterbringung in kostenintensiveren gewerblichen oder anderen kommunalen Einrichtungen vermieden werden kann.

Dies gilt auch für Wohnungen, die über das Geschützte Marktsegment vermittelt werden; ebenso für die Neuvermietung von Wohnraum an obdachlose oder von Obdachlosigkeit bedrohte Personen.

5. Bei bestehenden Mietverhältnissen wird die Miete in tatsächlicher Höhe übernommen; überschreitet diese wesentlich die angemessene Miete und ist dauerhaft von Sozialhilfebedürftigkeit auszugehen, ist dem betreffenden Haushalt eine andere Wohnung zuzuweisen. Dabei sind soziale Härten zu vermeiden.

Nicht zuzumuten ist ein Wohnungswechsel in der Regel bei

- schwerer Krankheit oder Behinderung,

- über 65 Jahre alten Hilfeempfänger(innen) nach längerer Wohndauer,

- einmaligen oder kurzfristigen Hilfen zum Lebensunterhalt.

6. Die bezirklichen Jugendämter sollen in den Geltungsbereich der AV einbezogen werden.

Der Senat wird aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus bis zum 31. Mai 1997 zu berichten."

Hierzu wird berichtet:

Im April 1997 hat die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales der Entwurf einer Neufassung der Nr. 21 der AV-Hilu (Begriff der angemessenen Unterkunft) fertiggestellt und den Bezirksämtern von Berlin, Geschäftsbereiche Sozialwesen und Jugend sowie den Mitgliedern des Beirats nach § 114 Abs. 1 BSHG mit der Bitte um Stellungnahme übersandt.

Dem Entwurf ist im wesentlichen zugestimmt worden. Die überarbeitete Fassung ist als Anlage beigefügt.

Der Entwurf ist das Ergebnis der Tätigkeit der erweiterten Arbeitsgruppe „Mietobergrenzen" und berücksichtigt neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen Rechtsprechung sowie Aufsätze zu Unterkunftskosten in der Sozialhilfe, aktuelle Mietwerte aus dem Mietspiegel 1996, die Gemeinsame Arbeitsanweisung der Bezirksämter von Berlin, Abteilung Sozialwesen zum Begriff der „Angemessenen Unterkunft in der Sozialhilfe" von 1996 sowie die Erfahrungen aus den Problemen bei ihrer praktischen Umsetzung. Darüber hinaus haben die Empfehlungen im obenbezeichneten Beschluß des Abgeordnetenhauses in die Arbeitsgruppenberatungen Eingang gefunden.

Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung:

a) Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben: Keine.

b) Personalwirtschaftliche Auswirkungen: Keine.

Begründung:

Der Entwurf einer Neufassung der Nr. 21 der AV-Hilu berücksichtigt inhaltliche Schwerpunkte der Gemeinsamen Arbeitsanweisung der Bezirksämter von Berlin, Abteilung Sozialwesen zum Begriff der „Angemessenen Unterkunft in der Sozialhilfe" von 1996 sowie der Ziffer 21 der AV-Hilu in der jetzt geltenden Fassung. Daraus folgt, dass die im Entwurf verankerten Kriterien als Voraussetzung für die Übernahme von Unterkunftskosten in der Sozialhilfe durch die Bezirksämter bereits über einen längeren Zeitraum umgesetzt werden, so dass zusätzliche Kosten nicht entstehen.

Wir bitten, den Beschluß damit als erledigt anzusehen.

Berlin, den 3. Juni 1997

Beate Hübner Senatorin für Gesundheit und Soziales

Anlage Entwurf der Ziffer 21 der AV-Hilu 21 ­ Begriff der angemessenen Unterkunft:

(1) Laufende Leistungen für die Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt, soweit sie angemessen sind.

(2) Bei der Angemessenheitsprüfung ist immer der Besonderheit des Einzelfalls Rechnung zu tragen (§ 3 Abs. 1 BSHG). Vertretbare Abweichungen von den vorgegebenen Kriterien können damit gerechtfertigt sein. Dies kann insbesondere bei Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus (1. Förderweg), die vor 1993 fertiggestellt worden sind, der Fall sein.

Bei der Neuanmietung von Wohnraum durch Obdachlose oder von Obdachlosigkeit Bedrohte ist in der Regel eine Überschreitung bis zu 10 v. H. zulässig, wenn nur so eine Unterbringung in kostenintensiveren gewerblichen oder kommunalen Einrichtungen beendet oder verhindert werden kann. Satz 4 gilt nicht für Leistungsberechtigte nach Asylbewerberleistungsgesetz.

(3) Die Kosten der Unterkunft (ohne Heizung und Warmwasser) im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau (1. Förderweg) sind immer dann angemessen, wenn die im Rahmen der Anlage 1 vorgegebenen Wohnungsgrößen und Wohnflächen nicht überschritten werden, Voraussetzung für die Anmietung solcher Wohnungen ist der Besitz eines Wohnberechtigungsscheines bzw. eine dem Vermieter erteilte Freistellung.

Die im Wohnberechtigungsschein angegebene Wohnungsgröße ist soziaihilferechtlich angemessen, wenn sie die in Nr. 1 der Anlage enthaltene Wohnungsgröße nicht überschreitet. Nur für Personen mit dauerhaften Erkrankungen oder Behinderungen ist die im Wohnberechtigungsschein angegebene Wohnungsmehrgröße (Anerkennung eines zusätzlichen Wohnraumes) sozialhilferechtlich angemessen.

Bei werdenden Müttern ist zu beachten, dass bei der Erteilung des Wohnberechtigungsscheines das noch ungeborene Kind bereits als Familienangehöriger berücksichtigt wird.

(4) Soweit es sich nicht um Wohnraum im sozialen Wohnungsbau handelt, wird die Angemessenheit der Unterkunftskosten durch Richtwerte nach dem „Berliner Mietspiegel" in der jeweils geltenden Fassung ermittelt. Darüberhinaus ist die Angemessenheit der Unterkunft gemäß Nummer 1 der Anlage zu prüfen.

Die den Nummern 2 und 3 der Anlage zu entnehmenden Richtwerte entsprechen der Brutto-Kaltmiete (ohne Heizung und Warmwasser) und lassen die Wohnlage berücksichtigt. Sie können in besonders begründeten Einzelfällen (z. B. Alleinerziehende mit zwei oder mehr Kindern, Behinderung, schwere Krankheit) bis zu 10 v. H. überschritten werden.

Bei bestehendem Mietverhältnis hat der Hilfeempfänger bei Verdacht überhöhter Mietforderungen nachzuweisen, dass er eine Überprüfung durch entsprechende Beratungsstellen eingeleitet hat. Abs. 7 gilt entsprechend.

(5) Staffelmieten (Vereinbarung eines gestaffelten Mietzins) sind sozialhilferechtlich angemessen, wenn sie unter Zugrundelegung des aktuell zu zahlenden Mietzinses und unter Berücksichtigung der Steigerung im Zeitraum von 3 Jahren die in den Nummern 2 und 3 der Anlage enthaltenen Richtwerte nicht überschreiten. Abs. 7 gilt entsprechend.

(6) Werden bei Neuanmietung von Wohnraum in einem anderen Bezirk die in der Anlage enthaltenen Mietobergrenzen bzw. Wohnflächen um mehr als 10 v. H. überschritten, haben sich die beteiligten Bezirke unverzüglich darüber abzustimmen, ob die Neuanmietung sozialhilferechtlich notwendig und vertretbar ist.

(7) Sofern bei bestehenden Mietverträgen bzw. durch Auszug eines oder mehrerer Haushaltsangehöriger die Unterkunft nicht mehr angemessen ist, sind die Kosten nur so lange als Bedarf anzuerkennen, als es dem Hilfeempfänger nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen für die Unterkunft zu senken. Maßnahmen zur Senkung der Aufwendungen werden in der Regel nicht zuzumuten sein bei

- schwerer Krankheit oder Behinderung,

- über 65 Jahre alten Hilfeempfängern nach längerer Wohndauer,

- einmaligen oder kurzfristigen Hilfen zum Lebensunterhalt,

- Alleinerziehenden mit zwei und mehr Kindern.

(8) Wohnungen, die aus dem Geschützten Marktsegment vermittelt werden, sind in der Regel sozialhilferechtlich angemessen, wenn sie im sozialen Wohnungsbau (1. Förderweg) die in der Nummer 1 der Anlage vorgegebene Wohnfläche im Verhältnis zur Anzahl der Personen nicht überschreiten.

Für andere Wohnungen gilt in diesem Zusammenhang, dass die in den Nummern 2 und 3 der Anlage enthaltenen Richtwerte im Verhältnis zur Anzahl der Personen nicht überschritten werden.

Abs. 2 und Abs. 6 gelten entsprechend. In diesen Fällen stellt der Richtwert das alleinige Kriterium für die Angemessenheit der Unterkunft dar.

Bei Neuvermietung gilt modernisierter Altbau als sozialhilferechtlich angemessen, wenn die in Nummer 1 und Nummer enthaltenen Kriterien nicht überschritten werden.

Besonderheit:

Bei modernisiertem Altbau kann es in Einzelfällen zu einer Überschreitung der sozialhilferechtlich angemessenen Wohnfläche bzw. Wohnungsgröße gemäß Nummer 1 der Anlage kommen. In diesen Fällen stellt der Richtwert das alleinige Kriterium für die Angemessenheit der Unterkunft dar.

3. Mietobergrenzen (östliche Bezirke)

Mietobergrenzen für bis 1966 erbaute Wohnungen

Die Vielfalt von Rechtsvorschriften zur Berechnung des Mietzinses für diesen Wohnungsbestand lassen eine Festsetzung von Mietobergrenzen nicht zu. Kriterium für diesen Wohnungsbestand ist deshalb vorrangig die Wohnungsgröße/Wohnfläche.

Nummer 1 der Anlage gilt entsprechend.

Orientierung für die Höhe des Mietzinses sind die unter Nummer 3.2 ausgewiesenen Richtwerte.

Mietobergrenzen für ab 1.3 Modernisierter Altbau

Die unter 2.3 vorgenommene Begriffsbestimmung für„modernisierten Altbau" sowie die Regelung bei einer Überschreitung der soziaihilferechtlich angemessenen Wohnfläche bzw. Wohnungsgröße (Besonderheit) ist analog anzuwenden.

Bei Neuvermietung gilt modernisierter Altbau als sozialhilferechtlich angemessen, wenn die in Nummer 1 und Nummer enthaltenen Kriterien nicht überschritten werden.