Ein Informationsrecht des Vorgesetzten bezüglich der Auswahlkriterien besteht nicht

Bei einer Senatsverwaltung stellte das Personalreferat mit einem Rundschreiben zur Sozialauswahl für die Ermittlung von Personalüberhang fest, die in dem Fragenkatalog aufgeführten Angaben fielen in das Informationsrecht des jeweiligen Vorgesetzten, es sei denn, dass sich die zu erfragenden Angaben auf Dritte (unterhaltsberechtigte/pflegebedürftige Personen) beziehen. Für diese sei eine Einverständniserklärung mittels eines Formblattes entwickelt worden, in dem die Betroffenen ihr Einverständnis bezüglich der Erhebungsbefugnis des Vorgesetzten erklären können.

Ein Informationsrecht des Vorgesetzten bezüglich der Auswahlkriterien besteht nicht. Sowohl bei Fragen nach Lebensalter, Beschäftigung beim Land Berlin, Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern, Familienstand etc. handelt es sich um Personalaktendaten, zu denen Zugang nur Beschäftigte haben dürfen, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten beauftragt sind, und nur soweit dies zu Zwecken der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft erforderlich ist. Zu diesem Personenkreis zählt der Vorgesetzte nicht. Den Mangel durch Einholung einer entsprechenden Einwilligungserklärung beheben zu wollen, ist ebenfalls datenschutzrechtlich bedenklich.

Einwilligung setzt Selbstbestimmung und diese wiederum Entscheidungsfreiheit über die vorzunehmenden oder zu unterlassenden Handlungen voraus. Da der Schutz der informationellen Selbstbestimmung die Fremdbestimmung ausschließen soll, muß die Einwilligung freiwillig erteilt werden. Der Betroffene muß, ohne einen Nachteil befürchten zu müssen, die Einwilligung auch verweigern dürfen. Da im vorliegenden Fall zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern regelmäßig ein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis besteht, das wiederum zu einem Abhängigkeitsverhältnis führt, ist von einer Freiwilligkeit der Einwilligung nicht ohne weiteres auszugehen. Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß eine Erhebung bzw. Verarbeitung der Personaldaten zum Zwecke der Sozialauswahl nur von der jeweiligen personalaktenführenden Stelle durchzuführen ist. Die Senatsverwaltung ist unseren Ausführungen im Ergebnis gefolgt.

Wem es widerfährt, dass seine Stelle abgebaut werden soll und er deshalb in den Personalüberhang aufgenommen wird, muss auch hinsichtlich seiner Daten mit einigen Unannehmlichkeiten rechnen. Im Telefonverzeichnis einer Senatsverwaltung wurden die Bearbeiterzeichen aller Beschäftigten, die zum Personalüberhang des Landes Berlin gehören und somit keine Planstelle mehr haben, mit einem dreistelligen Namenskürzel gekennzeichnet. Auch die Namenstafeln an den Diensträumen wurden mit diesem Kennzeichen versehen.

Die Zugehörigkeit zum Personalüberhang ist ein Umstand, der die Betroffenen in besonderer Weise diskriminieren kann. Zwar wird das betreffende Personal nicht ausdrücklich als „Überhang" bezeichnet, doch ist davon auszugehen, dass dieser „Code" (falls er überhaupt als solcher gedacht war) sehr schnell von den übrigen Mitarbeitern „entschlüsselt" wird.

Derartige Daten unterliegen auf Grund ihrer hohen Sensibilität einer gesteigerten Geheimhaltungspflicht und sind nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich zu machen. Die Kennzeichnung der Personalüberhangkräfte auf Namenstafeln und in Telefonverzeichnissen führt jedoch zu einer unnötigen Stigmatisierung und Ausgrenzung der Betroffenen, die durch die bestehende Situation ohnehin beschwert sind. Die Maßnahmen wurden eingestellt.

Es scheint, als sei das „Outsourcing"140, also die Privatisierung von Aufgaben, die bislang unangefochtenerweise von der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen wurden, das Non-plus-ultra der Verwaltungsreform. Mitunter werden allerdings ­ auch im wörtlichen Sinne ­ die zulässigen Grenzen überschritten.

Der Sender Freies Berlin und eine Berliner Krankenkasse hatten die Pfälzische Pensionsanstalt in Bad Dürkheim „beauftragt", die Berechnung der Beihilfen gegenwärtigen und früheren Bediensteten des SFB und der Krankenkasse sowie ­ am Fall der Krankenkasse ­ der Versorgungsbezüge durchzuführen. Die vgl. JB 1994, 3.3

Die Maßnahme wurde eingestellt. Allerdings hätte sich die betroffene Senatsverwaltung einen etwas sensibleren Umgang mit dem gesamten Vorgang gewünscht. Erst durch die Publizierung des Vorgangs wurde der Personenkreis allgemein entschlüsselt. Gerade weil es sich um gesetzlich geschützte Personalaktendaten handelt, wäre eine interne Klärung hilfreicher gewesen.

Bericht des Berliner Datenschutzbeauftragten Stellungnahme des Senats

Pfälzische Pensionsanstalt übernahm das Bereitstellen der Antragsformulare, die Entgegennahme der Beihilfeanträge sowie ­ laut Leistungsbeschreibung ­ „die Berechnung und Vorbereitung der Beihilfefestsetzung nach den jeweils gültigen landesrechtlichen Beihilfevorschriften" (also in eigener Verantwortung) und die Auszahlung der Beihilfeleistung. Auch sollten sie den Schriftwechsel für notwendige amts- und vertrauensärztliche Begutachtungen durchführen und schließlich zur schriftlichen Unterstützung im Zusammenhang mit Prozessen verpflichtet sein.

Die Datenverarbeitung im Auftrag, die ohne weitere materielle Voraussetzungen zulässig ist (§ 3 BlnDSG), stellt lediglich eine Hilfsfunktion für die Erfüllung der Aufgaben und Geschäftszwecke der datenverarbeitenden Stelle dar. Datenverarbeitung im Auftrag liegt dagegen nicht vor, wenn die ursprüngliche datenverarbeitende Stelle die zugrundeliegenden Aufgaben ganz oder teilweise mit überträgt oder wenn der externe Datenverarbeiter überwiegend eigene Geschäftszwecke verfolgt, indem er über die technische Durchführung der Verarbeitung hinaus mit Hilfe der überlassenen Daten vertragliche Leistungen erbringt141.

Hier wollten der SFB und die Berliner Krankenkasse beide Funktionen vollständig übertragen, so dass die Pfälzische Pensionsanstalt selbst datenverarbeitende Stelle geworden und die Weitergabe der personenbezogenen Daten von der AOK an sie eine Datenübermittlung wäre. Hierfür ist eine Rechtsgrundlage erforderlich. Denn Personalakten, zu denen auch die Unterlagen über die Beihilfe als Teilakte gehören, können ohne Einwilligung der Beamten nur unter engen Voraussetzungen weitergegeben werden, die hier nicht vorliegen. Das gilt erst recht, wenn es sich um die Weitergabe der mit Beihilfeanträgen regelmäßig verbundenen medizinischen Unterlagen handelt. Auch das Einholen einer Einwilligung wäre nicht zulässig, weil bei dienst- oder arbeitsrechtlichen Verhältnissen Zweifel an der Freiwilligkeit einer solchen Einwilligung nie völlig ausgeräumt werden können.

Die Einwilligung kann daher nicht als Rechtsgrundlage für eine Übermittlung derart sensibler Personaldaten herangezogen werden. Hinzu kam in diesem Fall, dass die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde die Auffassung vertreten hat, dass ein Tätigwerden der Pfälzischen Pensionsanstalt außerhalb der Landesgrenzen von Rheinland-Pfalz unzulässig sei. Wir haben dementsprechend den Sender Freies Berlin und die Krankenkasse aufgefordert, die Vereinbarungen mit der Pfälzischen Pensionsanstalt aufzuheben.

Wer darf welche Personaldaten kennen?

In der öffentlichen Verwaltung stellt sich gleichermaßen wie in der Privatwirtschaft die Frage, welchen Stellen in der Organisation welche persönliche Daten der Bediensteten oder Arbeitnehmer zur Verfügung stehen dürfen. Es gilt der Grundsatz, dass Personaldaten geheimzuhalten sind und nur denjenigen Stellen offenbart werden dürfen, die Aufgaben der Personalverwaltung wahrnehmen. In das Beamtenrecht ist dieser Grundsatz vor einiger Zeit ausdrücklich aufgenommen worden (in Berlin in § 56 Abs. 3 Landesbeamtengesetz) ­ für die anderen Arbeitnehmer gilt er mangels hinreichender, wenn auch dringend erforderlicher gesetzlicher Regelungen, unmittelbar.

Schwierig wird die Abgrenzung des berechtigen Personenkreises immer dann, wenn ein Fachvorgesetzter zwar für die Arbeitsabläufe verantwortlich, selbst aber nicht mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten befaßt ist.

Der Amtsleiter einer bezirklichen Fachabteilung hielt in seinem Amtszimmer eine Personaldaten- bzw. Personalaktendatensammlung über die in seinem Amt beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor, die sowohl von seinen Vorgängern als auch von ihm selbst angelegt worden war. Die Sammlung betraf einen Zeitraum von ca. 30 Jahren. Sie enthielten, alphabetisch nach den Zunamen der Mitarbeiter sortiert, ausschließlich Personalvorgänge, die entweder beim jeweiligen Amtsleiter entstanden oder ihm in Kopie zur Kenntnis bzw. zur Stellungnahme zugeschickt worden waren. Dabei handelte es sich vornehmlich um Zeiterfassungsbögen, Stellenbesetzungs- und Personalpla141 vgl. unten 4.8.1

Bericht des Berliner Datenschutzbeauftragten Stellungnahme des Senats nungsvermerke, Stellungnahmen zur nachträglichen Vergütung von Bereitschaftsdienstzeiten, Abgeltung von Mehrarbeit, Eingruppierungsfragen etc. Darüber hinaus enthielten die Ordner alte Entwürfe von Dienstleistungsberichten, die von der jeweiligen Amtsleitung verfaßt worden waren. Dagegen fanden sich bei dem von uns gesichteten Aktenmaterial keine geheimen Aufzeichnungen oder persönliche Notizen des Amtsleiters über Verhalten, Leistung oder Auftreten der Beschäftigten.

Es ist ­ entgegen häufig vertretenen Auffassungen ­ zulässig, daß Fachvorgesetzte Nebenakten führen, wenn dies für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist und sie nur Unterlagen enthalten, die sich auch in der Grund- bzw. Teilakten befinden (§ 56 Abs. 2 Satz 3 LBG). Von daher war der Sachverhalt aber nicht zu beanstanden.

Da Personalunterlagen, soweit sie nicht Gegenstand der Personalakte werden, allerdings dann zu vernichten sind, wenn sie für die Aufgabenerledigung im Amt nicht mehr erforderlich sind, haben wir die Vorgehensweise des Amtsleiters bemängelt.

Nunmehr wird in dem betreffenden Bezirksamt den Amtsleitern jeweils am Jahresende im Zuge einer sogenannten Jahresinventur die Durchsicht aller bei ihnen befindlichen Personalunterlagen aufgegeben. Mit einer Speicherung des Zeugnisentwurfs als Grundlage der folgenden Beurteilung waren wir einverstanden. Spätestens nach deren Abgabe muss jedoch der alte Entwurf vernichtet werden. Dem Beispiel dieses Bezirksamts sollten alle anderen Bezirksämter folgen.

Ein Beschäftigter einer Hochschule hegte den Verdacht, seine Beschäftigungsstelle führe hinter seinem Rücken eine geheime Nebenakte zu seiner Personalakte. In der Tat wurde über den Petenten ein Aktenordner geführt. Dieser Ordner befand sich zwar in einem speziell gesicherten Behältnis, enthielt jedoch Unterlagen, die bereits überprüfte und abgeschlossene Sachvorgänge sowie verschiedene zwischen Arbeitgeber und Petenten geführte Arbeitsgerichtsprozesse betrafen. Ferner stellte sich heraus, dass dieser Vorgang dem Petenten bislang nicht zur Kenntnis gegeben worden war.

Hier war die Führung einer Nebenakte nicht erforderlich. Die Institutsleitung wurde daher gebeten, die Unterlagen, die für Gerichtsverfahren benötigt werden bzw. wurden, dem Rechtsreferat der Hochschule zur Verfügung zu stellen, die Unterlagen, die bereits abgeschlossene Sachvorgänge betrafen, zu vernichten und dem Petenten auf Wunsch Einsicht in den Ordner zu gewähren.

Auch die später von uns überprüfte Personalakte des Petenten wies etliche Mängel auf. So fanden sich in der Akte noch Hinweise auf eine Dienstrüge, die auf Grund einer Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgenommen werden mußte, sowie der gesamte Schriftwechsel mit dem Petitionsausschuß auf Grund einer Petition des Beschäftigten. Auch diese Unterlagen sind aus den Akten entfernt worden.

Der Grundsatz, dass nur mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten betraute Bedienstete Personaldaten zur Kenntnis erhalten dürfen, gilt auch im Verhältnis zu Bezirksverordnetenversammlungen, wenn diese nicht im Rahmen ihrer Zuständigkeiten in nichtöffentlicher Sitzung über Personalsachen beraten.

Die Frauenvertreterin eines Berliner Bezirksamtes schilderte uns folgenden Sachverhalt:

In der Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung der Bezirksverordnetenversammlung sei im Zusammenhang mit einer Stellenbesetzung eine vom Bürgermeister in Auftrag gegebene Stellungnahme zu einer Mitarbeiterin, die in der Art einer Beurteilung beantwortet worden war, in öffentlicher Sitzung in Kopie an alle Ausschußmitglieder verteilt worden, ohne den Namen der Mitarbeiterin zu schwärzen. Zum anderen seien Einschätzungen von Bewerberinnen um die Stelle der Frauenvertreterin namentlich und ungeschwärzt an die Senatsverwaltung für Inneres geschickt und ebenfalls ungeschwärzt in Kopie an den Ausschuß für Gleichstellung gegeben worden. Wie sich später herausstellte, waren diese Personalunterlagen vom Bezirksbürgermeister nicht irrtümlich, sondern bewußt dem Gleichstellungsausschuß übergeben worden.