Die Finanzbehörden haben nach § 85 Abgabenordnung AO die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben

Jahresbericht des Rechnungshofs Stellungnahme des Senats

b) Unzureichende Arbeitsweise in den Veranlagungs- und LohnsteuerArbeitnehmerstellen

Mehrere Finanzämter haben entgegen den Grundsätzen zur Arbeitsweise in den Veranlagungs- und Lohnsteuer-Arbeitnehmerstellen (GNOFÄ 1997) die Steuererklärungen nicht im vorgeschriebenen Maße intensiv überprüft. Sie haben häufig auf die Vorlage von Unterlagen verzichtet und sind unschlüssigen, widersprüchlichen oder lückenhaften Angaben, die sich aus der Steuererklärung ergaben, nicht nachgegangen. Die ungeprüfte Übernahme unschlüssiger Besteuerungsgrundlagen kann zu fehlerhaften Steuerfestsetzungen und zu erheblichen Steuerausfällen führen und gefährdet insoweit den Steueranspruch.

Die Finanzbehörden haben nach § 85 Abgabenordnung (AO) die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Sachverhalte sind dabei nach § 88 AO von Amts wegen zu ermitteln. Art und Umfang der Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörden. Die Ausübung dieses Ermessens wird durch die Grundsätze zur Arbeitsweise in den Veranlagungs- und Lohnsteuer-Arbeitnehmerstellen (GNOFÄ 1997) und weiterführende Regelungen der Oberfinanzdirektion konkretisiert.

Nach diesen Grundsätzen sind nicht alle Steuerfälle intensiv zu prüfen. Eine Intensivprüfung ist nur dann erforderlich, wenn dies generell oder im Einzelfall angeordnet wird, der Steuerfall hierzu maschinell ausgewählt worden ist oder sich Zweifelsfragen von erheblicher steuerlicher Bedeutung ergeben. Darüber hinaus hat der Bearbeiter im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens solche Steuerfälle intensiv zu bearbeiten, bei denen er hierzu einen Anlass sieht. Die intensive Prüfung kann hierbei auf bestimmte Gesichtspunkte beschränkt werden.

Zu T 455 und 460:

Zur Verdeutlichung des Hintergrundes der Feststellungen des Rechnungshofs sei auf Folgendes hingewiesen:

Bereits Anfang Ende der 70er Jahre haben immer komplexer werdende Steuergesetze und kompliziertere gesetzliche Bestimmungen, zur Arbeitsbewältigung in den Veranlagungs- und Lohnsteuer-Arbeitnehmerstellen Ausführungen zur Arbeitsweise

­ über die Regelungen der Abgabenordnung hinaus ­ erforderlich gemacht. Deshalb wurden „Grundsätze zur Neuorganisation der Finanzämter und zur Neuordnung des Besteuerungsverfahrens" (GNOFÄ) am 4. März 1981 (Beschluss der FMK vom 15. Januar 1981) in der Form ­ u. a. Einteilung der Steuerfälle in 3 Fallgruppen mit schematisch vorgeschriebenen Fallmengen herausgegeben. Die Referatsleiter Organisation (Steuerverwaltung) des Bundes und der Länder haben 1992 festgestellt, dass diese der Arbeitslage in der Steuerverwaltung nicht mehr gerecht werden.

Die Neuregelung musste bei feststehenden und nicht einseitig änderbaren Rahmenbedingungen wie Steuergesetze, Personalressourcen, Stand der Automation, eine periodengerechte (innerhalb von 12 Monaten) vollständige Bearbeitung aller Steuerfälle eines Veranlagungszeitraums bei Beachtung des gesetzlichen Auftrags des Art. 20 GG, § 88 AO ­ (Untersuchungsgrundsatz) gewährleisten. Die GNOFÄ-Grundsätze wurden mit gleichlautendem Ländererlass vom 19. November 1996 (Beschluss der FMK vom 7. März 1996) zum 1. Januar 1997 neugefasst.

Sie beinhalten im Wesentlichen:

- bundeseinheitliche Grundsätze für die Arbeitsweise (u. a. Prüfungsumfang), die sich primär an der steuerlichen Auswirkung (Bedeutung) der zu erledigenden Aufgaben orientieren,

- Mindestvorgaben für die Bearbeitung aller Steuerfälle.

Von den Berliner Finanzämtern sind jährlich rund 1,1 Millionen Steuerfälle nach diesen Regelungen zu bearbeiten. So berechtigt Feststellungen des Rechnungshofs zu Bearbeitungsdefiziten in Einzelfällen auch sein mögen, lassen sich diese bei den ständig noch steigenden Belastungen des Massenverfahrens, in dem

- in mehr als der Hälfte der Fälle die Bearbeitung unter dem berechtigten Druck der Bürger nach zügiger Erstattung zu viel entrichteter Steuern

- und im Übrigen die Bearbeitung der Fälle vor dem Hintergrund der zeitnahen haushaltswirksamen Festsetzung von Steuern durchzuführen ist, trotz aller Anstrengungen der Beteiligten nicht immer vollständig vermeiden.

Der Forderung des Rechnungshofs nach Steuervereinfachung zur wirksamen und rechtsstaatlich unbedenklichen Entlastung der Steuerverwaltung und damit insbesondere der Bearbeiter in den Finanzämtern schließt sich die Senatsverwaltung für Finanzen unverändert an.

Wie bereits zum Jahresbericht 1995 ausgeführt, ist es ständiges Anliegen der Berliner Steuerverwaltung im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes (Art. 105 Abs. 2, 76­78 GG) auf Vereinfachungen und Verbesserungen des Steuerrechts hinzuwirken.

Jahresbericht des Rechnungshofs Stellungnahme des Senats

Alle Bundesländer wissen um die Bedeutung einer wirksamen Entlastung zur Verbesserung der Arbeitslage der Steuerverwaltungen. So haben die Referatsleiter Organisation des Bundes und der Länder der FMK am 28. Juni 2001 ein Thesenpapier zur Steigerung der Effizienz und der Effektivität der Steuerverwaltung vorgelegt.

Dieses enthält auch den folgenden Appell an den Gesetzgeber:

- Nur zeitgemäße Steuergesetze erlauben es, die Steuern unter Beachtung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Steuergerechtigkeit vollständig, richtig und zeitnah zu erheben.

- Grundlegende Vereinfachung des deutschen Steuerrechts; der Bürger muss in die Lage versetzt werden, seine Steuererklärung selbst ausfüllen zu können.

- Entlastung der Steuerverwaltung von Aufgaben, wie zum Beispiel der Wirtschaftsförderung (Investitionszulagen), der Vermögensbildung (Eigenheimzulagen, Arbeitnehmer-Sparzulage), der Familienförderung (Kindergeld), der Einheitsbewertung für Zwecke der Grundsteuer u. a. Die Entwicklung bleibt abzuwarten.

Dem Rechnungshof ist durchaus bewusst, dass es den Finanzämtern aufgrund des hohen Arbeitsanfalls und der Kompliziertheit des Steuerrechts nicht möglich ist, jeden Fall intensiv zu prüfen. Gerade deshalb sehen die GNOFÄ 1997 eine abgestufte Prüfungsintensität vor, die sich grundsätzlich an der steuerlichen Bedeutung des Falls orientiert. Dabei darf die steuerliche Bedeutung eines Falles aber nicht allein nach seiner (quantitativen) finanziellen Auswirkung beurteilt werden. Sachverhaltsaufklärungen sind vor allem dann erforderlich, wenn die Angaben in den Steuererklärungen unschlüssig, widersprüchlich oder lückenhaft sind, auf unglaubhaften Angaben der Steuerpflichtigen beruhen oder der Lebenserfahrung zuwiderlaufen. Die GNOFÄ 1997 entbinden die Finanzämter nicht von ihrer Verpflichtung, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben.

Zu T 456:

Die Darstellung des Rechnungshofs ist zutreffend. Eine Stellungnahme ist nicht erforderlich.

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass die Finanzämter die nach den GNOFÄ 1997 vorgeschriebene mindestens überschlägige Prüfung der Schlüssigkeit und Plausibilität der Angaben in der Steuererklärung und in den anderen Unterlagen nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommen haben.

Viel zu oft haben die Bediensteten zugunsten einer zeitnahen Bearbeitung und offenbar auch unter dem Druck geforderter Erledigungszahlen auf ­ teilweise zeitaufwendige ­ Ermittlungen im Einzelfall verzichtet. In nicht vertretbarem Umfang sind sie den Angaben der Steuerpflichtigen gefolgt, ohne unschlüssige oder der Lebenserfahrung widersprechende Angaben in den Steuererklärungen zu hinterfragen und zu überprüfen.

Zu T 457 und T 460 (Qualitätssicherung): Ergänzend zu den Ausführungen zu T 455 und 460 sei hier angemerkt, dass die Steuerverwaltung alle Anstrengungen zur Qualitätssicherung bei der Bearbeitung der Steuererklärungen unternimmt. In diesem Zusammenhang werden mit wechselnden Prüfungsschwerpunkten nicht nur vom Rechnungshof, sondern auch von der Oberfinanzdirektion regelmäßig Feststellungen zur qualitativen Bearbeitung von Steuerfällen im Rahmen von Fachgeschäftsprüfungen getroffen.

Zu Bearbeitungsproblemen werden

- entsprechende Weisungen herausgegeben,

- Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt,

- Hinweise bei Dienstbesprechungen gegeben,

- soweit möglich ADV-Unterstützung gewährt.

Zur Sicherstellung einer einfachen, aber auch klaren und eindeutigen Weisungslage zu den, bei der Bearbeitung von Steuererklärungen durchzuführenden Prüfungen sind die ergänzenden Bearbeitungsregelungen zu den GNOFÄ Grundsätzen gerade unter Beteiligung von Vertretern der Finanzämter (Sachgebietsleiter, Sachbearbeiter und Bearbeiter) sowie unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Fachgeschäftsprüfungen und der Prüfungsfeststellungen des Rechnungshofs sowie zwischenzeitlich vorgetragenen Anregungen der Praxis überarbeitet worden.

Im Übrigen werden Bearbeiter und Sachgebietsleiter immer wieder auf die Beachtung der geltenden Regelungen u. a. in Fachbesprechungen und im Rahmen von Fachgeschäftsprüfungen hingewiesen.

Darüber hinaus werden ständig alle sich bietenden Möglichkeiten zur Automationsunterstützung und Arbeitsvereinfachung für die Bearbeiter in den Finanzämtern versucht zu nutzen.

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458 So hat der Rechnungshof festgestellt, dass beispielsweise drei Berliner Finanzämter die Gewinnermittlungen nicht intensiv untersucht haben, obwohl dies geboten gewesen wäre. Dabei haben sie die Anweisung der Oberfinanzdirektion missachtet, bei den in Betracht kommenden Fällen Rohgewinnverprobungen (Vergleich des Verhältnisses von Umsatz zum Wareneinsatz) durchzuführen. Die Finanzämter hätten bei den Unternehmen, für die Richtsätze nach den Richtsatzsammlungen der Oberfinanzdirektionen vorliegen, durch äußeren Betriebsvergleich die von den Steuerpflichtigen ausgewiesenen Besteuerungsgrundlagen überprüfen müssen. Die vom Rechnungshof nachträglich vorgenommene überschlägige Rohgewinnverprobung hat gezeigt, dass bei 11 v. H. der geprüften Festsetzungen ein erheblicher Klärungsbedarf bestand. Bei Anwendung des in der Richtsatzsammlung ausgewiesenen Mittelsatzes hätten sich bei diesen Fällen Gewinnerhöhungen von insgesamt mehr als 2,3 Mio. DM ergeben. Für bestimmte Gewerbezweige, bei denen wegen der Art ihres Unternehmens davon auszugehen ist, dass Entnahmeeigenverbrauch vorliegt, sind in der Richtsatzsammlung Pauschbeträge für diesen Eigenverbrauch vorgegeben. In der Regel haben die Bediensteten die Angaben der Steuerpflichtigen zu den Sachentnahmen übernommen, ohne sie mit den in der Richtsatzsammlung angegebenen Werten abzugleichen. Bei jeder zweiten der überprüften Festsetzungen hatten die Steuerpflichtigen jedoch nach der Richtsatzsammlung zu niedrige Werte oder keine Sachentnahmen erklärt. Auch die Nutzung eines zum Betriebsvermögen gehörenden Kraftfahrzeuges durch den Unternehmer zu privaten Zwecken stellt einen so genannten Leistungseigenverbrauch dar. Ungeachtet der Weisungen der Oberfinanzdirektion haben die Finanzämter bei mehr als einem Drittel der überprüften Festsetzungen die von den Steuerpflichtigen erklärten Nutzungswerte ungeprüft übernommen, obwohl eine Sachverhaltsaufklärung geboten war. Dies ist umso schwerwiegender, als der Gesetzgeber sich aus der Änderung bei der Ermittlung des Leistungseigenverbrauchs von Kraftfahrzeugen durch das Jahressteuergesetz 1996 steuerliche Mehreinnahmen erhofft hatte, mit denen er u. a. Mehrausgaben durch die gleichzeitige Erhöhung des Kindergeldes finanzieren wollte.

Zu T 458 und T 460 (ADV-Unterstützung):

Die zu T 457 angeführten Regelungen beinhalten auch eine Zusammenstellung der wesentlichen bei einer überschlägigen Bearbeitung erforderlichen Tätigkeiten. Bei richtsatzbetroffenen Betrieben ist sowohl eine vereinfachte Rohgewinnverprobung als auch eine Überprüfung des Ansatzes für die Sachentnahmen vorgesehen, sobald eine entsprechende ADV-Unterstützung am Bildschirm zur Verfügung steht.

Diese wird derzeit vorbereitet. Es ist beabsichtigt, dass der Bearbeiter bei Eingabe des Gewinns aus Gewerbebetrieb bei richtsatzbetroffenen Betrieben automatisch zur Durchführung einer vereinfachten Rohgewinnverprobung angehalten wird und das Ergebnis mit den jeweiligen Richtsatzrahmensätzen lt. Richtsatzsammlung, die nach Möglichkeit programmseitig über einen Rückgriff über die Gewerbekennzahl angezeigt werden, abgleicht. Die jeweiligen branchenüblichen Pauschbeträge für die Sachentnahmen sollen ebenfalls in Abhängigkeit von der Gewerbekennzahl zur Verfügung gestellt werden.

Drei andere Finanzämter sind bei der Behandlung von ermäßigt zu besteuernden Abfindungen und Werbungskosten bei der Einkunftsart „nichtselbständige Arbeit" den Angaben der Steuerpflichtigen häufig unkritisch gefolgt. Nach Aktenlage hätten sie die Richtigkeit des erklärten Sachverhalts bezweifeln oder den nur unvollständig dargestellten Sachverhalt aufklären müssen. So fehlten beispielsweise bei den Abfindungsfällen Arbeitsverträge, Berechnungsunterlagen oder Zahlungsnachweise. Entsprechende Verwaltungsanweisungen schreiben aber ausdrücklich vor, dass solche Unterlagen zu den Steuerakten zu nehmen sind. Auch blieben die Voraussetzungen für die steuerliche Abzugsfähigkeit von Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung oder von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer oftmals ungeprüft.

Die Sachgebietsleiter erkannten die Bearbeitungsmängel häufig nicht und zeichneten im Rahmen von Sachgebietsleiterprüffällen ab, ohne dass sie den Bearbeiter veranlasst hätten, die fehlende Sachverhaltsaufklärung nachzuholen. Es steht zu befürchten, dass auch die übrigen Finanzämter bei der Bearbeitung der Steuererklärungen die erforderliche Sorgfalt vermissen lassen.

Zu T 459 und T 460 (Abfindungen):

Nach der geltenden Weisungslage ist die Prüfung der Sachverhalte angewiesen.

Auf Grund von Feststellungen der Oberfinanzdirektion im Rahmen von Fachgeschäftsprüfungen wurde bereits im Herbst 1998 eine zusammenfassende Anweisung hinsichtlich der Besteuerung von Abfindungen und Entlassungsentschädigungen an Arbeitnehmer herausgegeben. Der Sachverhalt war auch Gegenstand mehrerer Fortbildungsveranstaltungen, weitere sind vorgesehen.

Ergänzend ist allerdings anzumerken, dass die von den geprüften Finanzämtern auf Grund der Feststellungen des Rechnungshofs durchgeführten weiteren Sachverhaltsaufklärungen nur zu geringen Steuernachforderungen geführt haben.

Die steuerliche Behandlung der Abfindungszahlungen durch die Steuerpflichtigen in ihren Steuererklärungen war bis auf wenige Ausnahmefälle nicht zu beanstanden.

Zu den Sachverhalten „Doppelte Haushaltsführung" und „Häusliche Arbeitszimmer" haben in den letzten Jahren laufend Fortbildungsveranstaltungen stattgefunden. Bei den zuletzt durchgeführten Fachgeschäftsprüfungen der Oberfinanzdirektion ist die Anzahl zu beanstandender Fälle deutlich zurückgegangen.

Wegen der Notwendigkeit, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben, ist die im Ergebnis mit Steuerausfällen einhergehende unzureichende Sachverhaltsaufklärung nicht hinnehmbar. Dies liegt auch im Interesse aller Steuerzahler. Der Rechnungshof erwartet, dass die Finanzämter der Qualität der Bearbeitung von Steuererklärungen stärkere Bedeutung beimessen und die durch die Bearbeitungsgrundsätze vorgeschriebenen Intensivprüfungen auch tatsächlich durchführen und dies dokumentieren.