Kreditkarte

Für Bremen heißt dieses Thema Armut. In Bremen gelten aus der Sicht der Kreditwirtschaft 13 Prozent der Einwohner als säumige Zahler. Die Kreditwirtschaft schaut ganz genau hin, wie ihre Kunden sozusagen eingruppiert werden können, ob sie Kredite werden zurückzahlen können, ob es da aus der Sicht der Institute Risiken und vieles andere mehr gibt. Da gibt es gewisse Kennzahlen, und für Bremen heißt das, 13 Prozent gelten als säumige Zahler. Bei diesen hat es schon Auffälligkeiten gegeben, sie sind in Registern vermerkt und haben Schwierigkeiten, Kredite zu bekommen und Verträge abzuschließen. Das wirkt sich in vielen Bereichen aus. In Bremerhaven sieht es noch dramatischer aus. Da sind es 19 Prozent, die in den Augen der Kreditwirtschaft als säumige Zahler gelten. Extrem zugenommen hat in den letzten Jahren auch, das sagen uns die Statistiken, die Anzahl der Jugendlichen, die in die Verschuldung geraten sind.

Wer einmal größere Schulden angehäuft hat, der kann sich daraus nur ganz schwer befreien, denn zu den Hauptforderungen der Gläubiger kommen dann noch die Vollstreckungskosten und die Zinsen dazu.

Wenn man dann erst einmal im Schuldnerverzeichnis der Amtsgerichte gelandet ist, dann sieht es ganz finster aus. Mittlerweile sind dann auch Pfändungen ausgebracht worden. Wer als Arbeitnehmer eine Pfändung laufen hat, verliert möglicherweise den Arbeitsplatz oder bekommt erst gar keinen, weil viele Arbeitgeber, das ist nicht so ganz unbegründet, Probleme haben, Probleme sehen, weil sie diesen ganzen bürokratischen Kram, der damit zusammenhängt, nicht bearbeiten wollen. Es ist nicht so, dass man dann pauschal den Arbeitgebern einen Vorwurf machen kann oder den Banken, die sich weigern, für diesen Personenkreis Konten zu eröffnen, sondern es gibt objektive Probleme, die sich immer weiter entwickeln.

Weil wir dies als ein großes Problem ansehen, haben wir diesen Antrag auf den Weg gebracht mit dem Ziel, den Senat um eine umfassende Bearbeitung dieses Problemfeldes zu bitten. Ich will das hier nur in Stichworten anreißen, weil es Ihnen auch schriftlich vorliegt, aber der Öffentlichkeit liegt dieser Antrag nicht vor. Wir wollen wissen, welche Erkenntnisse der Senat zu der Verschuldung von Privathaushalten hat. Wir wollen wissen, wie sich das verteilt. Wir möchten gern wissen, wie sich das entwickelt. Wir möchten vom Senat auch wissen, welche Ursachen diese Verschuldung hat, denn nur derjenige, der die Ursachen in etwa beurteilen kann, kann auch Antwort auf die

Frage geben, wie man etwas dagegen unternehmen kann. Uns interessiert auch, wie sich die Anzahl der Bürger entwickelt hat, die in den Schuldnerverzeichnissen bei den Amtgerichten in Bremen und Bremerhaven eingetragen sind.

Was wir auch wissen möchten, ist ­ wir haben so eine Ahnung, aber wir müssen dem genauer nachgehen, um die Konsequenzen zu diskutieren ­, wie sich das Spektrum der Gläubiger verteilt. Ganz grob kann man vermuten, dass in vielen Fällen der Versandhandel auf der Gläubigerseite beteiligt ist. Man kann vermuten, dass in ganz vielen Fällen Telefonrechnungen, Handyrechnungen eine Rolle spielen, dass die Teilzahlungsbanken eine große Rolle spielen, und neu ist ­ das gab es vor zehn Jahren in diesem Umfang noch nicht, ich glaube, überhaupt noch nicht ­ die Verschuldung, die auf die Kreditkarten zurückgeht. Das ist ein ganz neues Feld, das sich immer mehr entwickelt.

Wir stehen in Bremen übrigens vor dem Phänomen, dass wir einen ganz erheblichen Teil unserer Auslagen in Rechtssachen im Justizressort dafür aufwenden müssen, Insolvenzverfahren zu bearbeiten. Das ist bundesweit ein großes Thema. Bremen steht im Ländervergleich bei den Privatinsolvenzen an der Spitze. Wenn ich das richtig überschaue, hat sich im Bundesmaßstab die Zahl der Privatinsolvenzen in den letzten fünf Jahren verdoppelt, in Bremen hat sie sich in etwa verdreieinhalbfacht, es gibt signifikante Unterschiede. Daraus ergibt sich natürlich ein erheblicher politischer Handlungsbedarf.

Da wir unsere sozialpolitische Verantwortung ernst nehmen, wollen wir natürlich auch mit den Mitteln, die wir im Land oder in der Kommune haben, den Betroffenen helfen und sind sehr daran interessiert, dass wir die Beratungsangebote, die für arme Menschen vorhanden sind, verbessern, dass wir sie ausbauen.

Dazu zählt auch, dass wir untersuchen, welche Angebote es gibt, um dann zu schauen, wo wir die Strukturen verbessern können, immer vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir selbst als öffentliche Hand auch wenig Geld haben, um das alles zu finanzieren. Da müssen wir unser Geld effektiv einsetzen.

Ich komme zum Schluss. Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der aktuell auch gerade auf Bundesebene behandelt wird. Wir haben gefragt, wie der Senat zur Reform der Insolvenzordnung steht. Wir sehen einen dringenden Handlungsbedarf. Das Bundesjustizministerium hat gerade einen Vorschlag vorgelegt, wonach das Insolvenzverfahren vereinfacht werden soll, auch für die Länder kostengünstiger gestaltet werden soll. Wir finden, dass das ein guter Weg ist. berichtet, dass es zum Beispiel im europäischen Ausland, Straßburg wird da genannt, ein sehr viel einfacheres, schnelleres Insolvenzverfahren gibt, aber nicht jeder, der sich als Senator aus Bremen abgesetzt hat, kann diese Möglichkeit in Anspruch nehmen, sondern wir brauchen etwas, was hier in Bremen, in Deutschland auch effektiv zu einer Veränderung führt.

In diesem Sinne bitten wir das Parlament um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir setzen darauf, dass der Senat diese Anfrage, die sich hinter diesem Antrag verbirgt, gründlich bearbeiten wird, und freuen

Dank! Vizepräsident Ravens: Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Knäpper.

Abg. Knäpper (CDU): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Grotheer hat schon viele Zahlen genannt. Ich möchte mich auch beschränken, dass ich nicht so viele Zahlen nenne, aber insgesamt sollten uns die Zahlen irgendwie ein bisschen zum Nachdenken bringen.

Im Mittelalter, wenn ich einmal weit ausholen darf, wir haben ja eine Redezeit nach der Geschäftsordnung, war es in Bremen so, dass Schuldner, die nicht bezahlen konnten, in den Schuldturm geworfen wurden, beziehungsweise Schulden zu haben wurde als straffälliges Verhalten gewertet. Wer nicht bezahlen konnte, kam in den Kerker im Schuldturm. Allerdings hat das Wegsperren des Schuldners den Gläubigern auch nicht zu ihrem Geld verholfen. In Amerika war es noch schlimmer. Da bestrafte man die Leute noch im 18. Jahrhundert, und zwar nur aus dem Grund, weil sie zahlungsunfähig waren.

Schulden, Schuldige und verschuldet sind drei unterschiedliche Begriffe. Viele Menschen in unserem Land geraten auch unverschuldet in die Schuldenfalle. Angeblich, ich weiß nicht, ob die Zahl genau stimmt, sie wurde jedoch in den Medien genannt, sollen über 4 Millionen Menschen in Deutschland verschuldet sein, und jedes Jahr kommen neue hinzu.

In Bremen, steht es im Antrag genau aufgeführt, ich wollte ja eigentlich die Zahlen nicht mehr nennen, Herr Grotheer hat sie schon gesagt, gelten 13 Prozent der erwachsenen Einwohner und in Bremerhaven 19 Prozent der erwachsenen Einwohner als säumige Zahler.

Genauere Aussagen zu dieser Entwicklung sind nicht möglich, da auch kein entsprechendes Datenmaterial vorhanden ist. Fakt ist allerdings, und das muss ich deutlich noch einmal zum Ausdruck bringen, hier ist ein Gegensteuern angesagt. Wenn wir die Antworten des Senats haben, müssen wir gemeinsam zu Lösungen kommen und den neuen Kurs im Land angehen.

Die neue Insolvenzverordnung wurde im Jahr 1999 eingeführt. Damit wurde unter anderem die rechtliche Handhabung der Zahlungsunfähigkeit von Privatpersonen auf eine gesetzliche Basis gestellt, die auch soziale Gesichtspunkte beachtet. Durch diese neue Gesetzgebung ist verschuldeten Personen die Perspektivlosigkeit genommen worden, da die Verbraucherinsolvenz so gestaltet wurde, dass unter bestimmten Voraussetzungen nach sechs Jahren eine Restschuldbefreiung erreicht werden kann.

Die alte Rechtslage sah so aus, dass die Gläubiger jahrelang die Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung hatten. 2001 gab es eine Novellierung dieser Insolvenzverordnung. Diese Ergänzung wirkte sich kräftig auf die Insolvenzzahl der Verbraucher aus. Die Kosten eines Insolvenzverfahrens konnten jetzt auf einmal bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet werden, das steht in Paragraf 4 der Insolvenzverordnung, was zu einer geringeren Anzahl mangels Masse abgelehnter Verfahren führte.

Was aber sind die Ursachen für die hohe Zahl verschuldeter Privatpersonen? Es werden am häufigsten, Herr Grotheer hat es auch schon genannt, Arbeitslosigkeit, vor allem Langzeitarbeitslosigkeit, sowie Krankheit genannt, aber auch geringere Lohnsteigerungen und beachtliche soziale Abgaben oder Kürzungen der Sozialleistungen wurden genannt.

Ferner sind hohe Kreditkosten ausschlaggebend und Folge der Zahlungsunfähigkeit sowie mangelnde wirtschaftliche Kenntnisse. Weiter werden genannt Geburt eines Kindes, was ich eigentlich nicht verstehe, Trennung und Scheidung, das verstehe ich schon.

Häufig sind es Frauen, die für die Schulden ihres Partners mithaften und so in die Überschuldung geraten.

Allerdings, umgekehrt soll es auch so sein. Nach der Scheidung bekommen sie in vielen Fällen keinen Unterhalt und haften für die Schulden des geschiedenen Mannes.

Ein Großteil der Überschuldeten ist nicht in der Lage, sich allein aus der Schuldenfalle zu befreien.

Die Liste der Gläubiger und Schuldenarten erstreckt sich von Banken, Versandhäusern, Mobilfunkbetreibern, vor allem bei Jugendlichen, bis hin zu Versicherungen, Sparkassen, Anwälten und Vermietern. Wer kann, zahlt seine Rechnungen später und lässt sie stunden, leiht sich Geld von Freunden oder gerät, im schlimmsten Falle, an unseriöse oder gar kriminelle Kreditvermittler.

Die Situation bei Überschuldung in der Familie stellt eine große Belastung für die Familienangehörigen dar.

Überschuldete Menschen sind oft vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, und besonders Kinder überschuldeter Frauen und Männer leiden unter dieser Ausgrenzung und unter den psychischen Belastungen, denen ihre Eltern ausgesetzt sind. In vielen Fällen resignieren die Menschen, verlieren ihren Arbeitsplatz, ihre Wohnung, werden krank und so zu einer dauerhaften Belastung für den Sozialstaat.

Es ist für uns eine Verpflichtung, meine sehr geehrten Damen und Herren, aus sozialen und ökonomischen Gründen diesen Menschen in Bremen und Bremerhaven neue Perspektiven zu schaffen.

(Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/ Besten Dank! Von der Opposition habe ich selten Applaus bekommen!

(Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grünen]: Genießen Sie es!)

Ich nehme einmal als Beispiel für die Schuldenfalle die Arbeitslosigkeit. Hier sind gesellschaftliche, aber von uns auch politische Lösungen notwendig. So stehen jetzt schon in Bremen rechtliche institutionelle Hilfen wie zum Beispiel Schuldner- und Insolvenzberatungstellen zur Verfügung, ich will sie nicht alle aufführen, Sozialdienste, Jugendämter, Familienhelfer, Bewährungshilfen, Wohnungslosenhilfe, Sozialämter, Arbeitsagentur, Jugendgerichtshilfe und so weiter. Sie alle vermitteln effektiv und kostenlos die Betroffenen an Schuldnerberatungsstellen.

So kommen Menschen zu den Beratungsstellen mit einer Plastiktüte, ich habe es mir sagen lassen, mit unbezahlten Rechnungen. Die Rechnungen sind noch im Briefumschlag, und hier müssen dann erst einmal die Gesamtschulden ermittelt werden. Die Briefe müssen natürlich vorher geöffnet werden. Daneben muss geklärt werden, wie es denn zu dieser Überschuldung gekommen ist.

In einem zweiten Schritt verhandeln die Berater mit den einzelnen Gläubigern und versuchen, mit ihnen eine außergerichtliche Einigung zu erreichen.

Sind die Gläubiger mit dem angebotenen Anteil einverstanden, ist der Privatschuldner nach Abzahlung dieses Teiles von seinen Schulden befreit. Kommt diese Einigung nicht zustande, kann der Schuldner unter Vorlage einer Bescheinigung der Schuldnerberatungsstelle oder einer geeigneten Person einen Insolvenzantrag beim Gericht stellen und einen Schuldenbefreiungsplan vorlegen. Es wird dann noch einmal gerichtlich versucht, den Gläubiger zur Zustimmung zu bewegen. Kommt eine Einigung zustande, das soll es eigentlich, folgt ein einfaches Verbraucherinsolvenzverfahren. Nach einer Wohlverhaltensphase von maximal sechs Jahren kann eine Restschuldbefreiung erreicht werden.

Diese Insolvenzverordnung soll überschuldeten privaten Haushalten einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen. Allerdings, und jetzt komme ich zum eigentlichen Thema, sieht die Wirklichkeit ein bisschen anders aus, denn die für alle Seiten deutlich kostengünstigere Lösung wird in vielen Fällen nicht erreicht. Das ist die Wirklichkeit. Viele außergerichtliche Einigungen scheitern vorher. Hier ist der Ansatz, wo wir etwas ändern müssen. Wir werden mit diesem Antrag Antworten vom Senat erhalten, und wir müssen dann reagieren und Lösungen erarbeiten und hier diese Thematik nochmals auf die Tagesordnung setzen.

Wenn Menschen durch Schulden lebenslang leiden müssen, ist dies problematisch. Wenn Menschen sich leichtfertig in eine Schuldenfalle begeben, ist dies ihre Verantwortung. Wenn Menschen aber dazu verleitet werden, sich leichtfertig zu verschulden, haben Banken, Versandhäuser, Handyunternehmen eine Mitschuld. Wenn Werbung Menschen vorgaukelt, sie müssten alles Mögliche besitzen, wird ein Zerrbild des Lebens gezeichnet. Wenn den Großen Riesensummen erlassen werden, Holzmann, Schneider, und bei den Kleinen deren Eigenheim versteigert wird, ist das aus sozialer Sicht zu überdenken.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich könnte hier fortsetzen, aber ich sage nur, reden allein erreicht nichts, wir müssen handeln. Die Verbraucherverschuldung steht auf dem Prüfstand.

Vermögenslose Privatpersonen sind auch von den Maßnahmen waren aus sozialer Sicht gut gemeint, aber leider nicht gut gemacht. Hier muss nachgebessert werden. Sie haben dazu geführt, dass bei vermögenslosen Privatpersonen in jedem Einzelfall ein viel zu aufwändiges außergerichtliches und gerichtliches Verfahren durchgezogen wird, das jahrelang dauert, und unserer mit Haushaltsschwierigkeiten belasteten Justiz entstehen erhebliche Kosten.

Seien wir doch einmal ganz ehrlich! Insgesamt ist es doch so, dass der Gläubiger keinen einzigen Euro bekommt. Wo nichts ist, ist nichts! Das ganze Prozedere dient einzig und allein dem Zweck, einen völlig vermögenslosen Schuldner formal von seinen Schulden zu befreien. Hier müssen wir einen anderen Gestaltungsrahmen schaffen, das ist wenigstens meine Meinung.

Die Zahl der Privatinsolvenzen in Deutschland, und jetzt muss ich doch noch ein paar Zahlen sagen, war 1999 noch etwa 3 300, 2005 waren schon über 90 000

Insolvenzen zu verzeichnen, und für dieses Jahr werden 140 000 Privatinsolvenzen prognostiziert. Jede Insolvenz ist eine zu viel. Die Zahlen steigen weiter steil an. Darum müssen wir auch noch mehr Arbeit schaffen, denn Arbeit ist ja bedeutsamer Besitz. Herr Grotheer hat auch schon einmal auf die Arbeitslosigkeit hingewiesen, darum muss ich auch noch ein paar Worte dazu sagen.

Wir wollen auch Arbeit schaffen für alle. Es ist zwar aus heutiger Sicht kaum möglich, nicht zuletzt auch für die nicht so Leistungsfähigen. Wir brauchen Arbeit, die gesetzlich geschützt ist, Existenz sichert und zur sozialen Sicherheit beiträgt. Wir wollen, dass jeder die Chance hat, Vermögen zu bilden und Eigentum zu erwerben. Wir wollen Eigentum für alle und keine Schulden für viele Mitbürger. Die Ungerechtigkeit bei der Verteilung von Einkommen und Vermögen muss abgebaut werden. Darum wollen wir auch verbindliche Vereinbarungen der Betriebs- und Tarifpartner, die die Chancen auf mehr Arbeit verbessern.

(Glocke) Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluss!