Bierlieferungsverträge

Auch das Verbot der sog. geltungserhaltenden Reduktion hindert eine zeitlich beschränkte Aufrechterhaltung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages selbst dann nicht, wenn es sich bei der - maschinenschriftlich in das Vertragsformular eingesetzten - Regelung der Laufzeit um eine Formularklausel handelt. Hat nämlich die vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes bestehende materielle Rechtslage durch dieses Gesetz im Ergebnis keine Änderung erfahren, so bedeutet die Aufrechterhaltung des früheren Rechtszustandes für ein Dauerschuldverhältnis, das vor dem 1. 4. 1977 vereinbart worden ist, keinen unerträglichen Widerspruch zu den grundlegenden Wertungsmaßstäben des AGB-Gesetzes. So liegt es hier: Der Beklagte war bei Vertragsschluss jedenfalls Minderkaufmann. Das Betreiben einer Gaststätte ist ein Grundhandelsgewerbe i. S. des § 1 II Nr. 1 HGB. Dafür, dass die Führung der Gastwirtschaft S einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert hätte, besteht kein Anhaltspunkt. Wie schon vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes konnten zeitlich begrenzte Bierlieferungsverträge zwischen Kaufleuten auch nach dem 1. 4. 1977 abgeschlossen werden. Für die hier zu entscheidende Frage ist ohne Bedeutung, ob der zulässigen Dauer eines nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes geschlossenen Vertrages engere Grenzen als zuvor gesetzt waren. Der Bestimmung des § 11 Nr. 12a AGB-Gesetz kommt hier keine Bedeutung zu. Dabei kann dahinstehen, ob die Erfüllung einer der Verbotsnormen des § 11 AGB-Gesetz stets ein Indiz für die Unangemessenheit der Klausel im Falle ihrer Verwendung unter Kaufleuten sein muss und ob dies auch für die Vorschrift des § 11 Nr. 12 a AGB- Gesetz zu gelten hat. Aufgrund der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche, auf die bei der Anwendung des § 9 AGB-Gesetz angemessen Rücksicht zu nehmen ist, können Bezugsbindungen in Bierlieferungsverträgen von jedenfalls mehr als zweijähriger Dauer wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse der Vertragsparteien ohne weiteres als angemessen angesehen werden. Denn die an einer vorausschauenden Produktions- und Investitionsplanung ausgerichteten Interessen der Brauereien und die Belange der Gastwirte, für die das Eingehen einer Bezugsverpflichtung oft die einzige Möglichkeit für Kreditaufnahmen und die Gegenleistung für sonstige Zuwendungen zum Aufbau und zur Führung ihrer Betriebe darstellt, lassen sich in Verträgen mit einer Laufzeit, wie sie § 11 Nr. 12 a AGB-Gesetz noch erlaubt, nicht in Übereinstimmung bringen.

Die Rückführung eines übermäßig langen Bierlieferungsvertrages auf eine angemessene Laufzeit setzt allerdings voraus, dass der Vertrag nicht auch im Übrigen - unabhängig von der Dauer der Bezugsbindung - zu beanstanden ist. Diese Einschränkung ist indessen nicht dahin zu verstehen, dass bei einem übermäßig langen Bierlieferungsvertrag die Nichtigkeitsfolge schon dann zwingend ist, wenn sich in dem Vertrag auch noch andere- möglicherweise ganz wenige und ihrerseits einer Einschränkung zugängliche - anstößige Klauseln finden lassen. Die Nichtigkeit tritt vielmehr nur dann ein, wenn der Bierlieferungsvertrag - abgesehen von seiner Laufzeit - aufgrund zahlreicher zu beanstandender Klauseln insgesamt überzogen ist. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Denn die Prüfung der einzelnen Vertragsklauseln gemäß §§ 28 II, 9 AGB-Gesetz, die der Senat teilweise schon früher nach dem Maßstab der §§ 138, 242 BGB beurteilt hat, führt zu dem Ergebnis, dass nur wenige Formularbestimmungen zu beanstanden sind:

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt bei der Beurteilung des Gesamtcharakters des Vertrages keine besondere Bedeutung dem Umstand zu, dass der Beklagte sich langfristig gebunden hat, obwohl er nicht Eigentümer des Gaststättengrundstücks war und bestenfalls Aussicht hatte, Erbe zu werden. Der Abschluss von Bierlieferungsverträgen mit Pächtern der Gastwirtschaft ist allgemein üblich. Das der Beklagte das Grundstück erben konnte, musste ihm die Durchführung und Einhaltung des Bierlieferungsvertrages eher erleichtern als erschweren.

Die Schadensersatzpauschalierung in Nr. 5 II des Vertrages ist hinsichtlich des entgangenen Gewinns in Formularverträgen dann nicht zu beanstanden, wenn dem Schädiger der Gegenbeweis eines nicht oder jedenfalls nicht in dieser Höhe entstandenen Schadens offen bleibt.

Die Nachfolgeklausel hinsichtlich des Gastwirts in Nr. 4 des Vertrages belastet den Beklagten zwar nicht unerheblich. Sie ist aber für die Brauerei unverzichtbar und nach der Rechtsprechung des Senats letztlich hinzunehmen, soweit die sonstige Vertragsgestaltung dem Gastwirt einen ausreichenden Freiheitsraum belässt und ihm eine Kündigungsbefugnis aus wichtigem Grund nicht abschneidet. Dies ist hier der Fall.

Unwirksam ist die Regelung des Rückgabe- oder Ablösungsrechts in Nr. 5 I. Dies hat aber nicht die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages zur Folge, weil die wesentlichen Rechte und Pflichten der Parteien hiervon nicht berührt werden. Wenn die Bestimmung für die Kläger auch von nicht unerheblicher Bedeutung sein mag, so kann doch nicht angenommen werden, dass sie das Vertragsverhältnis ohne sie nicht eingegangen wäre; ihr bleibt der Schadensersatzanspruch nach Nr. 5 II des Vertrages und die Möglichkeit, bei schwerwiegenden Vertragsverstößen der Gegenseite die Vereinbarung aus wichtigem Grund zu kündigen und sodann das Inventar aufgrund ihres fortbestehenden Eigentums zurückzuverlangen.

Bedenken bestehen allerdings auch gegen die der Kläger in Nr. 4 S. 3 des Vertrages eingeräumte Befugnis, ihre Rechte und Pflichten auf Dritte zu übertragen, weil dieses Recht nicht auf den Fall einer Übertragung des Geschäftsbetriebes der Brauerei beschränkt ist und für einen mit der Übertragung verbundenen Wechsel der Biersorten keine Ausnahme macht. Zweifeln begegnet auch die Wirksamkeit der Regelung in Nr. 3 15 i. V. mit Satz 2 des Vertrages, nach der sich die Vertragsdauer um denjenigen Zeitraum verlängern soll, innerhalb dessen die Kläger Erzeugnisse anderer Firmen zu liefern berechtigt ist, wenn sie selbst zur Belieferung vorübergehend nicht imstande ist. Beide Fragen bedürfen jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch der ersatzlose Wegfall dieser Klauseln ließe eine - zeitlich begrenzte - Aufrechterhaltung des Vertrages im übrigen noch zu.

Hält die 20-jährige Bezugsbindung der erneuten Prüfung durch das Berufungsgericht nicht stand, so wird es mithin in Anwendung tatrichterlichen Ermessens die angemessene Laufzeit des Vertrages zu bestimmen haben. Von ihr hängt die Höhe der Entschädigung wegen eines Minderbezuges durch den Beklagten ab.