Gefahrenübergang

Zur Frage des Fortfalls der Geschäftsgrundlage, wenn die Parteien eines Grundstückskaufvertrages bei Vertragsschluss davon ausgehen, dass das Grundstück zwar im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs unbebaubar ist, aber in Bälde bebaubar werden wird, und diese Erwartung sich nicht verwirklicht.

Zum Sachverhalt: Der Kläger kaufte vom Beklagten ein als Grünland genutztes Grundstück, auf dem er im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues Bauten errichten wollte. Das Grundstück wurde im derzeitigen Zustand übernommen, insbesondere unter Ausschluss der Haftung für Bau- und Bodenbeschaffenheit, Flächengröße und Ausnutzungsmöglichkeit.

Der Kläger verweigert die Zahlung des Restkaufpreises, verlangt die Rückzahlung des angezahlten Teilbetrages und macht mit der Klage geltend, die Zwangsvollstreckung aus der Kaufurkunde sei unzulässig. Er beruft sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage und führt an: Bei Vertragsschluss seien beide Parteien davon ausgegangen, dass das Grundstück zwar nicht sofort, aber doch bald bebaut werden könne. Entgegen den beiderseitigen Erwartungen habe die Gemeinde aber für unabsehbare Zeit davon Abstand genommen, für das betreffende Gebiet einen zunächst beabsichtigten und schon in Aufstellung begriffenen - Bebauungsplan zu beschließen. Der Grund hierfür liege in landesplanerischen Erwägungen.

LG und Oberlandesgericht haben der Vollstreckungsabwehrklage des Klägers wegen Fortfalls der Geschäftsgrundlage stattgegeben. Die Revision des Beklagten ist erfolglos.

Aus den Gründen: Es ist hiernach als unstreitig anzusehen, dass das Grundstück unbebaubar ist, wobei entscheidend ist, dass die Unbebaubarkeit i. S. der vom Landgericht getroffenen Feststellung, mit einer Baugenehmigung für das Kaufgrundstück sei nicht zu rechnen, spätestens im Berufungsrechtszuge zwischen den Parteien unstreitig geworden ist.

Erfolglos bleibt auch die Erwägung der Revision, ob nicht die öffentlichrechtliche Baubeschränkung als Sachmangel nach den Spezialvorschriften der:§§ 459ff. BGB zu behandeln ist und die von der Rechtsprechung entwickelten Regeln über das Fehlen oder den Fortfall der Geschäftsgrundlage daher von vornherein unanwendbar sind.

Wie der Senat zuletzt in seinem Urteil vom 16. 3. 1973 ausgesprochen hat, bestimmen und begrenzen die Vorschriften des Gewährleistungsrechts - abgesehen von Sachmangelfolgeschäden - die Haftung des Verkäufers für Eigenschaften der Sache. Die besondere Regelung der §§ 459ff. BGB bringt die Interessen des Verkäufers an einer sicheren und schnellen Abwicklung des Kaufs und die des Käufers am Erwerb einer seinen Vorstellungen entsprechenden Kaufsache zum Ausgleich. Die §§ 462, 467 BGB sehen eine Rückabwicklung des Kaufvertrages mit Rücksicht auf bestimmte Eigenschaften der Sache vor und schließen damit in ihrem Anwendungsbereich, d. h. nach Gefahrübergang, sowohl eine Anfechtung wegen Irrtums über eine Eigenschaft der Kaufsache als auch eine Berufung darauf aus, dass eine bestimmte Eigenschaft für beide Teile Geschäftsgrundlage gewesen sei. Es trifft auch zu- wie die Revision im Anschluss an das Oberlandesgericht Düsseldorf meint -, dass der Rückgriff auf die letztgenannten Rechtsinstitute selbst dann ausgeschlossen ist, wenn trotz Vorliegens eines Sachmangels die Gewährleistungsrechte des Käufers im Einzelfall ausgeschlossen oder nicht durchsetzbar sind, sei es wegen Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels, sei es wegen Verjährung des Gewährleistungsanspruchs. Voraussetzung für den Vorrang der §§ 459ff. BGB als Spezialregelung ist indessen, dass es sich um eine Eigenschaft handelt, die nach dem Vertragsinhalt bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden sein sollte. Nur für solche Eigenschaften kann sinnvollerweise eine rasche Aufklärung etwaiger Fehler und eine kurzfristige Abwicklung des Vertragsverhältnisses gewollt sein. Zu Recht ist das Berufsgericht davon ausgegangen, dass nicht nur tatsächliche, sondern auch wirtschaftliche oder rechtliche Beziehungen der verkauften Sache zur Umwelt Eigenschaften darstellen und dass öffentlichrechtliche Baubeschränkungen als Sachmängel anzusehen sein können. Voraussetzung ist jedoch, dass nach dem Inhalt des Vertrages die Bebaubarkeit schon im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs gegeben sein soll. An dieser Voraussetzung fehlt es hier:

Das Berufsgericht hat festgestellt, der Kläger sei bei Vertragsschluss davon ausgegangen - und der Beklagte habe dies erkannt -, dass die damals nicht gegebene Bebaubarkeit des Grundstücks bald eintreten werde. Dieser künftigen Bebaubarkeit des Grundstücks hat es mit Recht noch nicht die Qualität einer Sacheigenschaft beigemessen und daher die gesetzlichen Sondervorschriften der §§ 459ff. BGB mit ihrer andere Anspruchsgrundlagen ausschließen- den Wirkung zutreffend für von vornherein nicht anwendbar erachtet.

Die Revision hält die Grundsätze über den Fortfall der Geschäftsgrundlage auch schon deswegen für unanwendbar, weil infolge des vertraglichen Gewährleistungsausschlusses das Risiko der Bebaubarkeit des Grundstücks beim Kläger liege. Sie greift die Feststellung des Berufsgericht an, dass der Haftungsausschluss für die Ausnutzungsmöglichkeit des Grundstücks sich nicht auf das Risiko der Bebaubarkeit schlechthin, sondern lediglich auf die Art und Weise der Bebauung bezogen habe. Die insoweit erhobenen Rügen sind unbegründet: Dass der Wortlaut des Gewährleistungsausschlusses eindeutig und daher einer Auslegung nicht zugänglich sei, kann der Revision nicht zugegeben werden. Insbesondere kann er mit dem Berufsgericht durchaus in dem Sinne verstanden werden, dass der Kläger nur die Ungewissheit hinsichtlich der konkret beabsichtigten Art der Bebaubarkeit mit Sozialwohnungen tragen sollte. Entgegen der Annahme der Revision verstößt ein solches Verständnis nicht gegen Denkgesetze, weil die Art und Weise der Bebauung bereits durch objektive Rechtsnormen festgelegt gewesen sei; denn es bliebe selbst dann noch denkbar, dass die Parteien eine nach ihrer Auffassung etwa bestehende Ungewissheit der Risikosphäre des Kläger zuweisen wollten. Auch die Würdigung des Berufsgericht, die Unabhängigkeit der Fälligkeit des Restkaufpreises von der Rechtskraft des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans berücksichtige nur eine Verzögerung des Bebauungsplans, nicht aber sein Unterbleiben auf unabsehbare Zeit, ist möglich und daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die Revision vermisst eine genaue Feststellung des Berufsgericht darüber, ob Vertragsgrundlage die Bebaubarkeit überhaupt oder nur eine solche „in Bälde gewesen sei. Sie meint, diese Feststellung sei unerlässlich für die Prüfung, ob die Geschäftsgrundlage entfallen sei. Die Rüge ist unbegründet. Das Berufsgericht führt aus, der Kläger sei bei Vertragsschluss von der Vorstellung ausgegangen, dass die Bebaubarkeit in Bälde eintreten werde, und spricht im folgenden allgemein vom Nichteintritt der Bebaubarkeit. Daraus ergibt sich zum einen, dass es die baldige Bebaubarkeit als Geschäftsgrundlage angesehen hat. Zum anderen folgt daraus, dass diese Geschäftsgrundlage entfallen ist; denn der auf absehbare Zeit fortdauernde Mangel der Bebaubarkeit schließt die baldige. Bebaubarkeit denknotwendig mit aus.

Auch aus sonstigen Rechtsgründen ist die Auslegung des Berufsgerichts nicht zu beanstanden. Im Allgemeinen ist zwar davon auszugehen, dass jede Partei das Risiko der von ihr subjektiv mit dem Vertrage verfolgten Zwecke tragen muss. Grundsätzlich trägt daher der Käufer das Risiko, ob er den - sachmangelfrei gelieferten - Kauf gegen- stand wie beabsichtigt verwenden kann. Anderes gilt jedoch, wenn sich ausnahmsweise der Geschäftswille beider Parteien auf dem Motiv der einen aufbaut. Hier liegen besondere Umstände vor, die ausnahmsweise eine solche Würdigung zulassen. Wie im Berufungsurteil hervorgehoben, hat der - vom Beklagten beauftragte - Makler dem Kläger das Grundstück als Land angeboten, das in Kürze bebaut werden könne. Es wurde ein Kaufpreis vereinbart, der für Bauland angemessen war. Darüber hinaus enthält der Vertragstext selbst Hinweise auf die vorgesehene Bebauung; er erwähnt einen in der Aufstellung befindlichen Bebauungsplan und die Absicht des Klägers ein Bauvorhaben im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues zu errichten.