Grundstücksnutzung
Die Tatsache, dass eine bestimmte Grundstücksnutzung nur aufgrund eines Mietvertrages oder eines Pachtvertrages geschieht, führt nicht aus sich dazu, dass die damit zusammenhängenden Interessen bei der planerischen Abwägung unberücksichtigt zu bleiben hätten. Sie führt im übrigen dazu erst recht nicht, wenn sich auf diese obligatorische Rechtsposition ein eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb gründet, der seinerseits sogar unmittelbar nach Art. 14 GG Schutz genießt. Insoweit können auch Erweiterungsinteressen eines vorhandenen Gewerbebetriebs abwägungserheblich sein. Entsprechendes gilt für Erwerbsinteressen und Erwerbschancen. Daraus, dass es kein subjektives verfassungskräftiges Recht eines Geschäftsmannes auf Erhaltung des Geschäftsumfanges und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten gibt, ist nicht zu schließen, dass derartige Interessen kein Bestandteil des notwendigen Abwägungsmaterials sein könnten. In die Abwägung einzustellen und demnach bei Abwägung der Belange zu berücksichtigen, ist auch das Vertrauen des Eigentümers auf das unveränderte Weiterbestehen des Bebauungsplans. Hierzu gehört sowohl der im Plangebiet liegende als auch der daran angrenzende Baubestand; Die privaten Belange bestehen im wesentlichen darin, nach Möglichkeit nichts von den den Nutzungswert der Grundstücke bestimmenden Vorteilen preiszugeben, die sich aus der bisherigen Wohnlage und aus dem bisherigen Baugebietscharakter ergeben. Dabei ist aber andererseits zu beachten, dass niemand einen Anspruch auf unveränderten Fortbestand einer gemeindlichen Planung hat und dass es grundsätzlich keinen Schutz des Vertrauens in die Fortdauer bestimmter Festsetzungen über Art und insbesondere das Maß der baulichen Nutzung gibt, s. insoweit aber auch § 2 Rn. 62 m. w. N. Zur Gewichtung der verschiedenen Belange in ihrem Verhältnis zueinander innerhalb des vorstehend gezogenen Rahmens. Vorgegebene Bindungen im Verfahren der Bauleitplanung mit der durch sie verursachten Verkürzung abschließenden Abwägungsvorgangs widersprechen grundsätzlich dem Sinn des nach Abs. 6 Satz 2 gebotenen Anregungsverfahrens. Sonst würde dieses zu einer funktionslosen Förmlichkeit. Andererseits können dem Planverfahren vorgeschaltete Besprechungen, Abstimmungen, Zusagen, Verträge u. a. geradezu unerlässlich sein, um überhaupt sachgerecht planen und eine angemessene, effektive Realisierung dieser Planung gewährleisten zu können. Eine Bauleitplanung ist darum nicht ohne weiteres deshalb fehlerhaft, weil ihr ein Folgekostenvertrag vorausgegangen ist und sich das auf die den Plan tragende Abwägung ausgewirkt hat. Vertragliche Vereinbarungen von Infrastrukturhilfen zwischen Gemeinde und Industriebetrieb lassen es jedoch als nicht ausgeschlossen erscheinen, dass diese die Abwägung beeinflusst haben und zu einem Abwägungsdefizit führen, wenn die Infrastrukturhilfe in ihrer Höhe weit über die möglichen Folgekosten und auch über das Haushaltsvolumen der Gemeinde hinausgeht. In dem Konflikt zwischen dem Bedürfnis nach - mit Hilfe von Vorentscheidungen - effektiver und auch effektiv realisierbarer Planung und dem Bedürfnis, dem Anregungsverfahren als der zugleich demokratischen Komponente des Bauleitverfahrens Raum zu lassen, hat sich Abs. 2 Satz 2 im Ausgangspunkt zwar für das Anregungsverfahren und insofern gegen eine durch Vorentscheidungen geförderte Effektivität der Planung entschieden. Der nach § 1 Abs. 6 vorgesehene Abwägungsvorgang ist als ein umfassender und ungebundener gedacht. Ein durch Verkürzung des Abwägungsvorgangs entstehendes, an sich schädliches Abwägungsdefizit kann allerdings unter Umständen ausgeglichen werden, sofern die folgende Voraussetzungen vorliegen: Die Vorwegnahme der Entscheidung als Vorwegnahme - auch unter dem Gesichtswinkel des dadurch belasteten Anregungsverfahrens - muss sachlich gerechtfertigt sein. Bei der Vorwegnahme muss die planungsrechtliche Zuständigkeitsordnung gewahrt bleiben, d. h. es muss, soweit die Planung dem Gemeinderat obliegt, dessen Mitwirkung an den Vorentscheidungen in einer Weise gesichert werden, die es gestattet, die Vorentscheidungen dem Rat zuzurechnen. Die vorgezogene Entscheidung darf inhaltlich nicht zu beanstanden sein. Sie muss den gleichen Anforderungen genügen, denen sie als Bestandteil des abschließenden Abwägungsvorgangs unterläge. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass die Planung vom Bauherrn nicht angenommen wird; umgekehrt kann erreicht werden, dass der Bauherr anstelle der Gemeinde so detailliert plant, dass die Gemeinde nur noch vor der Wahl steht, die Bauvorstellungen des Bauherrn zu akzeptieren oder abzulehnen. Hat der Gemeinderat den abschließenden Abwägungsvorgang durch eine in der Genehmigung einer Vereinbarung mit einem Dritten liegende faktische Selbstbindung vorgenommen, so ist das auf diese Weise entstandene Abwägungsdefizit jedoch nicht ausgeglichen, wenn der Gemeinderatsbeschluss in nichtöffentlicher Sitzung gefasst worden ist und wenn nicht das abgewogen worden ist, was sich zur Zeit der Vorwegnahme der Planungsentscheidung an von ihr betroffenen Belangen absehen ließ. Dabei sind die tatsächlichen Auswirkungen der Planung - gegebenenfalls durch Gutachten - zu ermitteln. Ist die Vereinbarung mit einem Dritten, einen Bebauungsplan für die Errichtung eines Kaufhauses aufzustellen, nichtig, geht der Gemeinderat beim abschließenden Abwägungsvorgang aber davon aus, dass er an die Vereinbarung gebunden ist, so ist der Abwägungsvorgang von einem Abwägungsdefizit beeinflusst, wenn der auf das Bedürfnis des Dritten wesentlich zugeschnittene Plan mit dem Risiko belastet ist, dass er nicht realisiert werden kann, weil die Möglichkeit besteht, dass der Dritte das Kaufhaus nicht ausführt. Je später und umfassender die durch die Vorentscheidung geschaffenen Bindungen sind, um so mehr droht dabei dem Anregungsverfahren die Gefahr, zu einer funktionslosen Förmlichkeit zu werden. Ein vorhergegangener Vertragsschluss zwischen der Gemeinde und einem Gemeindevertreter, der Eigentümer eines Grundstücks im Planbereich ist, kann somit zur Fehlerhaftigkeit des Abwägungsvorgangs führen. Beispiel: Der Vertragsschluss wird in der Planerläuterung unmissverständlich als entscheidendes Motiv genannt. - Eine Vorwegnahme der planerischen Entscheidung und eine an sich unzulässige Verkürzung des Abwägungsvorgangs braucht aber nicht vorzuliegen, wenn von den Bauträgern vor der Planaufstellung Entwürfe über die künftige Bebauung vorgelegt werden und der Gemeinderat hiervon unabhängig sich unter Abwägung der öffentlichen und privaten Belange für einen dieser Entwürfe entscheidet. Auch der Umstand allein, dass ein Vorhaben, für das ein Bebauungsplan Festsetzungen trifft, bereits ausgeführt ist, begründet noch keine das Abwägungsgebot verletzende und daher unzulässige Vorabbindung. Zum einen sehen das BBauG und ebenso das BauGB selbst vor, dass Vorhaben unterbestimmten Voraussetzungen bereits zugelassen werden können, bevor ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan vorliegt; zum anderen kann es das durchaus sachgerechte und legale Ziel eines Bebauungsplans sein, für das, was ohne förmliche Planung entstanden und vorhanden ist, nachträglich eine Rechtsgrundlage zu schaffen. Ein auf einer unzulässigen Vorwegnahme planerischer Entscheidungen beruhender Abwägungsfehler kann nach Auffassung des OVG Münster geheilt werden, wenn a) die zuständige Gemeindevertretung die - bisherige - Fehlerhaftigkeit der Planung gerade wegen der unzulässigen Vorwegnahme der planerischen Entscheidung erkannt hat, b) die Gemeinde aus der Erkenntnis dieser Fehlerhaftigkeit die erforderlichen Schlüsse gezogen hat, so dass dem darauf folgenden Teil des Planungsverfahrens hinreichend sicher zu entnehmen ist, dass die planende Stelle nunmehr eine von der unzulässigen Vorentscheidung unbeeinflußte Abwägung der rechtlich relevanten Belange vorgenommen hat und c) die dann getroffene Entscheidung selbst - sowohl vom Abwägungsvorgang als auch vom Abwägungsergebnis - dem Abwägungsgebot genügt.