Kündigungsgründen

Zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 626 II 1 und 2 BGB im Falle des Nachschiebens von Kündigungsgründen ist nur erforderlich, dass der Kündigende von dem nachgeschobenen Grund nicht früher als zwei Wochen vor der Kündigung Kenntnis erlangt hat (Bestätigung von BAG, Urteil vom 17.8. 1972 - 2 AZR 415/71 = AP Nr. 65 zu § 626 BGB).

Zum Sachverhalt: Dem klagenden Rechtsanwalt oblag es aufgrund eines im Jahre 1965 mit der beklagten AG geschlossenen Beratungsvertrages, gegen ein festes Entgelt diese sowie die mit dieser verflochtenen anderen Firmen auf den Gebieten des Finanz-, Konzern- und Aktienwesens sowie des Handels-, Bilanz-, Steuer-, Zoll- und Devisenrechts zu beraten. Das Grundkapital der Beklagte hielt seinerzeit der Kaufmann L zu 99,5%; er war vom Kläger bereits vor dem erwähnten Vertragsschluss mit der Beklagte auf den genannten Gebieten beraten worden. L, in der Zeit der vertraglichen Beziehungen der Parteien Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagte, hatte 1963 seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt; er wird dort pauschal zur Steuerleistung herangezogen. Er übte - beraten von dem Kläger - wesentlichen Einfluss auf die kaufmännische Leitung der Beklagte aus, deren Vorstandsmitglieder insoweit stets seinen Vorschlägen, insbesondere im Rahmen der Lösung von Finanzierungsfragen, folgten. Im Februar 1971 führten erhebliche Spannungen, zu denen es zwischen dem Kläger und dem Hauptaktionär L vor allem gegen Ende des Jahres 1970 gekommen war, dazu, dass jener das Beratungsverhältnis zu der Beklagte und auch zu L persönlich zum 31. 5. 1972 kündigte. Die Beklagte antwortete darauf am 12. 2. 1971 mit einer fristlosen Kündigung; sie stützte diese auf fehlerhafte schadenverursachende Beratung in Steuerfragen und auf ungenügende Unterrichtung ihres Aufsichtsratsvorsitzenden L über schwebende Verfahren. Der Kläger begehrt mit seiner Klage von der Beklagte Zahlung der seiner Ansicht nach bis zum Wirksamwerden seiner Kündigung noch geschuldeten 31/2-Jahreshonorarbeträge. Die Beklagte erkennt nur einen bis zum Tage ihrer sofortigen Kündigung fälligen Teilbetrag als berechtigt an. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung des Resthonorars verurteilt; die Berufung der Beklagte führte zur Abweisung der Klage. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Das Berufungsgericht hat einen restlichen Honoraranspruch des Klägers verneint, weil die fristlose Kündigung der Beklagte wirksam gewesen sei. Das Berufungsgericht bejaht einen wichtigen Grund zu fristloser Kündigung nach § 626 BGB. Es findet diesen zwar nicht in einem Vorfall unmittelbar vor der Kündigungserklärung und auch nicht in einem Verstoß des Klägers gegen seine Beratungs- und Informationspflicht, wertet aber dessen Verhalten in einer Schenkungsangelegenheit als einen Umstand, der die Kündigung rechtfertigte.

a) Das Berufungsgericht stellt hierzu fest: L und dessen Ehefrau hätten im Jahre 1969 ihren Kindern sowie ihren Enkelkindern größere Geldbeträge geschenkt. Der Kläger habe die Schenkungsverträge entworfen, im weiteren Verlauf ihrer Durchführung aber nur namens des Gert L Schenkungssteuererklärungen eingereicht, die zu einer Heranziehung dieses Schenkungsempfängers geführt hätten. Für die Tochter Leonore S habe er dagegen, wie L erst nach den wechselseitigen Kündigungen bekannt geworden sei, eine gleiche Steuererklärung nicht abgegeben, obwohl er auch dazu Auftrag gehabt habe; deren Schenkungssteuerbescheid beruhe auf der Steuererklärung durch einen anderen Bevollmächtigten, die dieser nach Entdeckung der Säumnis des Klägers nachgeholt habe. Die Beklagte dürfe ihre Kündigung auf Umstände stützen, die ihren Grund in den Beziehungen ihres Hauptaktionärs zum Kläger hätten. Hier habe sich nämlich die Unzumutbarkeit weiterer Zusammenarbeit zwischen L - und damit auch der Beklagte - und dem Kläger daraus ergeben, dass dieser die Steuerangelegenheit nicht nur nicht weiterbearbeitet, sondern darüber hinaus seinem Auftraggeber zur Verschleierung seiner Untätigkeit vorgespiegelt habe, die Verzögerung liege beim Finanzamt. Damit habe er L der Gefahr ausgesetzt, in den Verdacht der Steuerhinterziehung zu geraten, denn entgegen der Ansicht des Klägers seien auch die Schenker Steuerschuldner und ihrerseits anmeldepflichtig.

b) Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.

aa) Der Kläger wendet sich zunächst gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung der Aussage L, den das Berufungsgericht als Zeugen vernommen hatte und der dabei seine Täuschung über die Gründe der verzögerten Erledigung der Schenkungssteuersache Leonore S bekundet hat. Die insoweit erhobenen Verfahrensrügen erachtet der Senat für unbegründet (§ 565a ZPO).

bb) Der Kläger rügt weiter, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, wann er die angeblich irreführende Auskunft gegeben habe, und meint, es müsse zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, dass dieser Zeitpunkt lange vor der Kündigungserklärung liege, so dass die Beklagte die Zweiwochenfrist des § 626 II BGB nicht eingehalten habe. Die Revision übersieht bei dieser Rüge, dass das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus den genauen Zeitpunkt der dem Kläger vorgeworfenen Täuschung nicht festzustellen brauchte, weil, es diese nicht in Bezug zur Ausschlussfrist gesetzt hat, vielmehr davon ausgegangen ist, dass es bei nachgeschobenen Gründen (BGHZ 27, 220 [223] = NJW 1958, 1136 = LM § 89a HGB Nr. 2; BGHZ 40, 13 [14] = NJW 1963, 2068 = LM § 89b HGB Nr. 17; BGHZ 48, 222 [224] = NJW 1967, 2154 = LM § 89b HGB Nr. 29), die der Kündigende zur Zeit der Kündigungserklärung noch nicht gekannt hat, die aber objektiv vorgelegen haben, auf diese Frist nicht ankommt. Diese Auffassung stützt das Berufungsgericht zu Recht auf das Urteil des BAG, NJW 1973, 533 = MDR 1973, 344 = Betr 1973, 481), das hierzu ausgesprochen hat, aus § 626 BGB folge nicht, dass ein nachgeschobener Kündigungsgrund innerhalb von zwei Wochen nach seinem Bekanntwerden vorgebracht werden müsse. Von dieser Auffassung abzuweichen (vgl. die Kritik von Birk in AP Nr. 65 zu § 626 BGB), sieht der erkennende Senat keinen Anlaß. Die Ausschlussfrist hat lediglich Bedeutung für Kündigungsgründe, die nicht nur vor dem Ausspruch der Kündigung entstanden sind, sondern dem Dienstberechtigten auch bekannt waren. Die Meinung der Revision, ein nachgeschobener Grund müsse objektiv innerhalb der Zweiwochenfrist liegen, auch wenn er erst nach Bekanntwerden nachgeschoben werde, ist schon vom Gesetzeswortlaut her unzutreffend, weil dieser ausdrücklich auf die Kenntniserlangung durch den Kündigenden, nicht aber auf das objektive Entstehen des Kündigungsgrundes abstellt.

cc) Vergeblich greift die Revision auch den Standpunkt des BerGer, dass im Hinblick auf die enge Verknüpfung zwischen der Beklagte und deren Haupt- (praktisch Allein-) Aktionär L eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und letzterem notwendig auch die Grundlage der Zusammenarbeit zwischen der Beklagte und dem Kläger beseitigt hat. Das vom Berufungsgericht gewonnene Ergebnis findet seine - auf den Kläger bezogene - subjektive Rechtfertigung darin, dass diesem die beherrschende Rolle seines Mandanten L innerhalb der Beklagte die über die formale Eigenschaft als Vorsitzender des Aufsichtsrats weit hinausging und in Wirklichkeit dem Alleinbestimmungsrecht auch in Angelegenheiten der Geschäftsführung gleichkam, bekannt war. Aufgabe der Beklagte auch als rechtlich selbständiger Aktiengesellschaft war es, für ihren Hauptaktionär in bestmöglicher Weise gewinnbringend zu wirtschaften. Daher musste eine Handlungsweise des Klägers, die seinem Mandanten L persönlich eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar machte, auch die Beklagte veranlassen und berechtigen, die Fortsetzung des Beratervertrages abzulehnen; letztlich diente nämlich jede Beratung der Aktiengesellschaft den Interessen deren Alleinaktionärs, was schon daraus erhellt, dass sich diese Beratung stets über L als den Vermittelnden an die Beklagte wandte.

dd) Schließlich lässt auch die Wertung des Verhaltens des Klägers bei jener Schenkungssteuerangelegenheit keine Rechtsfehler erkennen. Mit Recht weist das Berufungsgericht auf die möglicherweise auf L zukommende Verantwortung gegenüber der Steuerbehörde hin. Es bestehen aus Rechtsgründen auch keine Bedenken dagegen, dass das Berufungsgericht nicht entscheidend auf die möglicherweise nur auf Nachlässigkeit beruhende Pflichtverletzung des Klägers abstellt, sondern die entscheidende Tatsache darin sieht, dass dieser seinem Mandanten gegenüber auf dessen Rückfrage hin wahrheitswidrig die Verzögerung mit einer Arbeitsüberlastung des Finanzamtes begründete, also verschwieg, dass er selbst daran durch seine säumige Sachbehandlung schuld war. Die Beurteilung dieses Vorgangs als eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB) lässt sich unter besonderer Berücksichtigung des langjährigen Vertrauens, das L dem Kläger entgegengebracht hat, rechtlich nicht beanstanden, weil gerade daraus der Vertrauensbruch seine besonders schwerwiegende Bedeutung gewinnt.