Monopolmissbrauch

Es kann offen bleiben, ob entsprechend der im neueren Schrifttum vertretenen Auff. der Begriff der guten Sitten. i. S. des § 138 Satz 1 BGB jedenfalls insoweit objektiv zu bestimmen ist, als die missbräuchliche Ausnutzung einer durch Monopolstellung gewährten Handlungsmöglichkeit in Frage steht. Keinesfalls muss im Falle des Monopolmissbrauchs ein Verschulden auf den Verstoß gegen die guten Sitten bezogen oder eine verwerfliche Gesinnung festgestellt werden. Es genügt vielmehr, dass das Monopolunternehmen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die maßgeblichen Tatumstände gekannt hat, die die Handlung bei objektiver Würdigung als, einen Verstoß gegen die guten Sitten erscheinen lassen. Dass diese Voraussetzungen bei dem hier zu unterstellenden Sachverhalt gegeben wären, bedarf vor allem mit Rücksicht darauf, dass die entscheidenden Tatumstände im wesentlichen in der Einflusssphäre der Beklagte lagen, keiner weiteren Begründung.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass die Preisabreden von beiden Parteien frei ausgehandelt worden seien, könnten allerdings deshalb erheblich sein, weil dadurch der objektive Tatbestand des Monopolmissbrauchs entfallen könnte. Das Berufungsgericht weist mit Recht darauf hin, dass in einem solchen Falle im Allgemeinen die Gewähr dafür besteht, dass beide Vertragspartner ihre Interessen wahrnehmen, und der geschlossene Vertrag dann eine gerechte Ordnung der beiderseitigen Beziehungen schafft. Unter den Umständen des vorliegenden Falles stünden derartige Überlegungen jedoch in einem unvereinbaren Widerspruch zu dem vom Berufungsgericht festgestellten und unterstellten Sachverhalt, insbesondere dazu, dass am Ende dieser Verhandlungen das Ergebnis stünde, dass die Beklagte ihre Monopolstellung missbräuchlich ausgenutzt und dadurch einen um 13,41% überhöhten Gewinn erzielt hätte.

Das Berufungsgericht bleibt bei seiner Beurteilung in einer formalen Betrachtungsweise stehen. Es beachtet nicht, dass bei dem von ihm unterstellten Sachverhalt für die Kläger - trotz des für die Beklagte bestehenden Kontrahierungszwanges nach § 6 Abs. 1 EnergG eine wirklich freie Verhandlungsmöglichkeit im Rahmen der Preisvereinbarungen nicht bestehen konnte. Die Tatsachen, aus denen das Berufungsgericht schließt, die Parteien hätten die Stromlieferungsverträge frei ausgehandelt, ergeben nur, dass die Kläger willentlich auf die Vertragsangebote der Bold. eingegangen ist und sie angenommen hat. Dass die Kläger im echten Sinne hätte verhandeln können, ist daraus nicht zu entnehmen. Dem steht auch entgegen, dass die Kläger wegen der Monopolstellung der Beklagte nicht die Möglichkeit hatte, die von der Beklagte geforderten Preise mit einem im Wettbewerb gebildeten Marktpreis zu vergleichen und die Beklagte ihre Preisgestaltung nicht durchsichtig gemacht hat. Die Kl kannte weder, die Ankaufspreise noch die sonstigen Kostenfaktoren der Beklagte, so dass sie auch nicht in der Lage war, deren Preisforderungen auf ihre Angemessenheit zu überprüfen. Da ihr außerdem nicht bekannt war, dass die Beklagte den Kreiswerken gestattet hatte, im Stadtgebiet G. fünf Sonderabnehmer unmittelbar - zu eigenen, günstigeren Bedingungen - zu beliefern, musste sie bei Abschluss der Verträge auch der Auffassung sein, dass für sie keine Möglichkeit bestand, auf andere Anbieter auszuweichen.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die von den Parteien getroffenen Preisabreden nicht preisrechtlich genehmigt worden. Dies ergibt sich eindeutig aus den vorliegenden Bescheiden der Preisbehörde.

Die Preisbehörde hat die Preise allerdings als unbedenklich bezeichnet. Ob daraus entnommen werden kann, dass die Beklagte bei der Preisgestaltung nicht, wie das Berufungsgericht meint, in sittlich verwerflicher Gesinnung gehandelt hat, erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil die Prüfung der Preisbehörde nicht unter dem Gesichtspunkt des Monopolmissbrauchs erfolgt ist. Dies kann im Ergebnis jedoch dahinstehen; denn aus den vor stehenden Ausführungen ergibt sich, dass bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit ein Monopolmissbrauch eine moralische Qualifikation des Handelns nicht erforderlich ist, vielmehr die Kenntnis der Tatumstände genügt, aus denen sich der Verstoß gegen die guten Sitten ergibt. In den Verlautbarungen der Preisbehörde kann deshalb kein Argument gegen die Sittenwidrigkeit der Preisgestaltung der Bell. gesehen werden.

Die vom Landgericht bejahte und vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob der Sittenwidrigkeit der Umstand entgegensteht, dass die Beklagte die aus den Stromlieferungsverträgen mit der Kläger erzielten Gewinne der Allgemeinheit ihrer Abnehmer habe zugute kommen lassen, ist ebenfalls zu verneinen. Denn auch ein erlaubter Zweck kann einem Verhalten nicht die Sittenwidrigkeit nehmen.

Bei dem vom Berufungsgericht unterstellten Sachverhalt wären somit die in den Stromlieferungsverträgen festgesetzten Preise der Beklagte sittenwidrig überhöht und damit die Stromlieferungsverträge selbst nichtig. Das Berufungsgericht durfte deshalb nicht offen lassen, ob das Vorbringen der Kläger, das den Vorwurf des Monopolmissbrauchs begründen würde, zutrifft. Dies bedarf vielmehr der Prüfung. Zu diesem Zweck muss das angef. Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.