Vorsorge

1. Anlaß und Zielsetzung

Die Umweltbehörde hat Senat und Bürgerschaft seit 1980 regelmäßig über das Flächensanierungsprogramm unterrichtet (zuletzt mit der Drucksache 15/5644).

In der vorliegenden Drucksache wird dargestellt, welche Altlastverdachtsflächen derzeit im Altlasthinweiskataster enthalten sind und wie dieses fortentwickelt worden ist, sodann welcher Handlungsbedarf gesehen wird und welche Aufgaben sich daraus mittelfristig ergeben.

Das Bundes-Bodenschutzgesetz vom 17. März 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 502), das mit dem überwiegenden Teil seiner Vorschriften am 1. März 1999 in Kraft tritt, bringt für die Bearbeitung von Altlasten eine Reihe von Veränderungen mit sich. Es bildet nun die rechtliche Grundlage für die Bearbeitung der Wirkungspfade Boden-Mensch, BodenNutzpflanze und Boden-Grundwasser. Die in den bislang einschlägigen Gesetzen des Polizei-, Wasser- bzw. Abfallrechtes vorhandenen Lücken oder Unschärfen sind beseitigt worden: der Kreis der Pflichtigen ist abschließend geregelt, es werden bundeseinheitliche Prüf- und Maßnahmenwerte in einer Verordnung des Bundes festgelegt, die Anordnungen von Sanierungsmaßnahmen können konzentrierende Wirkung entfalten, vom Pflichtigen kann in besonders schwierigen Fällen ein Sanierungsplan gefordert werden, die Erfassung der Verdachtsflächen (Altlasthinweiskataster) 1) erhält eine spezialgesetzliche Rechtsgrundlage (Konkretisierung durch Landesgesetz erforderlich).

Die Kampfmittelbeseitigung (Sanierung von Munitionsverdachtsflächen) erfolgt auch weiterhin nach den Regelungen des SOG im Rahmen der hoheitlichen Gefahrenabwehr.

2. Fachinformationssystem Altlasten

Das Fachinformationssystem Altlasten hat im wesentlichen drei Aufgaben:

­ Es dient der Erteilung von Auskünften; im Jahr werden ca. 800 Anfragen von Bürgern und Dienststellen beantwortet.

­ Daten aus dem Fachinformationssystem werden anderen Dienststellen (z. B. Bezirksämtern, der Stadtentwicklungsbehörde, aus Datenschutzgründen teilweise in Auszügen) für ihre Aufgaben zur Verfügung gestellt.

­ Es dient den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern im Altlastenbereich als Arbeitsinstrument und ist Grundlage der Planung für die Altlastenbearbeitung./30. 06. 9816. Wahlperiode Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Fortschreibung des Flächensanierungsprogramms Derartige Kataster werden in allen Bundesländern geführt

2. Bodenzustandsverzeichnis (BZV)

Im Bodenzustandsverzeichnis werden vor allem solche Flächen aufgenommen,

­ die die Kriterien zur Aufnahme ins Altlasthinweiskataster nicht erfüllen, da nur die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung vorliegt (z.B. Aufhöhungen unter 10 000 m2; unter 5 000 m2 in Wasserschutzgebieten),

­ die zuvor als Altlastverdachtsflächen im Altlasthinweiskataster enthalten waren, die jedoch saniert wurden,

­ für die der Verdacht auf eine Verunreinigung ausgeräumt wurde.

3. Tankstellen und Chemische Reinigungen Tankstellen und Chemische Reinigungen werden nicht generell als Altlastverdachtsfläche eingestuft. Sie werden nur in das Altlasthinweiskataster aufgenommen, wenn Erkenntnisse z. B. über einen Schadensfall vorliegen.

Bisher sind ca. 2000 Tankstellen in die separate Liste „Tankstellen und Chemische Reinigungen" aufgenommen worden. Diese Liste wird geführt, um z. B. in Wasserschutzgebieten an der Vorsorge orientierte Risikoabschätzungen durchführen zu können.

4. Hamburger Bearbeitungsliste (HBL)

Die HBL dient als Planungsinstrument, das für einen Zeitraum von 7 Jahren die Bearbeitung (SOLL/IST) von Fällen auf altlastverdächtigen Flächen sowie von ihnen ausgehende Grundwasserverunreinigungen (Fahnen) oder sonstigen Bodenverunreinigungen dokumentiert.

5. Altlastenbearbeitungsstand (ABS) ABS ist eine Datenbank, die Informationen über abgeschlossene Fälle enthält.

6. Controlling Altlastensanierung (CONTRA) CONTRA (Controlling Altlastensanierung) dient als EDV-gestütztes System der Aufgabenplanung und -steuerung in der Altlastensanierung.

7. Pfad-Informationssysteme

Die Pfad-Informationssysteme enthalten vertiefte Informationen zu Fällen aus Sicht der einzelnen Wirkungspfade.

Die räumlichen Informationen über Flächen und Fälle liegen in einem Geographischen Informationssystem (GIS) vor. So können Verschneidungen durchgeführt und bedarfsgerecht aktuelle Karten erstellt werden. Den räumlichen Informationen können mit Hilfe des Geographischen Informationssystems Sachinformationen zugeordnet werden. Verschiedene räumliche und Sachinformationen können praktisch in beliebiger Kombination analysiert werden (z. B. die Auswahl von Verdachtsflächen in einem bestimmten Bezirk mit einer ausgewählten Nutzung gruppiert nach Flächengröße).

3. Informationssystem Grundwasser

Im Zuge der Gefährdungsabschätzung von Altlasten oder z. B. bei der Frage nach deren Auswirkungen auf die Beschaffenheit von Grundwasserleitern, die zur Trinkwasserversorgung genutzt werden, oder bei der Festlegung von Sanierungsmaßnahmen und -zielen ist es erforderlich, räumlich differenzierte, an der Empfindlichkeit der Grundwasservorkommen orientierte gebietsbezogene Untersuchungen anzustellen oder Maßnahmen festzulegen, die auf die besonderen geohydraulischen, geochemischen und hydromechanischen Verhältnisse in Hamburg abgestellt sind.

Dazu stellt das neu eingeführte Informationssystem GERONIMUS (Grundwasser-Erfassungs-, Online-Informations-, Management- und Analyse-System) Informationen mit einem schnellen Zugriff bereit, die bei der Bearbeitung von Altlasten für den Gefährdungspfad Grundwasser relevant sind. Das System ermöglicht jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter der Umweltbehörde, vom Arbeitsplatz aus alle Informationen direkt abzurufen und sie miteinander zu verknüpfen.

4. Handlungsbedarf

Die Bearbeitung von Altlasten und Flächen, für die die öffentliche Hand verantwortlich ist7), soll bis zum Jahr 2010 zum Abschluß gebracht werden. 60 % der Altlastverdachtsflächen befinden sich zumindest teilweise im Eigentum der Stadt (siehe Abbildung II). Im Hinblick auf die zahlreichen neu aufgenommenen Flächen und die Zielvorgabe der Koalitionsvereinbarung werden sie gegenwärtig auf der Grundlage der im Fachinformationssystem Altlasten vorliegenden Informationen und nach pfadspezifischen Kriterien daraufhin überprüft, ob sie einer weiteren Bearbeitung bedürfen oder wegen fehlenden Handlungsbedarfs „aussortiert" werden können („Ranking", siehe Anhang 8.2). Flächen, für die ein Bearbeitungsbedarf ermittelt wird, werden in das laufende Arbeitsprogramm mit dem Ziel eingestellt, die Gefährdungsabschätzung und gegebenenfalls Sanierung bis spätestens 2010 pfadübergreifend abzuschließen. Die Kriterien zur Ermittlung des Handlungsbedarfs sind in Anhang dargestellt.

In der Vergangenheit gab es mehrere Bearbeitungsschwerpunkte im Wirkungspfad Boden-Grundwasser:

­ Eine Reihe wichtiger Altlastverdachtsflächen mit besonderem Gefährdungspotential für das Grundwasser sind bearbeitet worden, einschließlich der Veranlassung notwendiger Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen (z. B. Boehringer, Georgswerder).

­ Ein weiterer Schwerpunkt ist die flächenhafte Bearbeitung von Altstandorten und Altlastverdachtsflächen innerhalb von geplanten/ausgewiesenen Wasserschutzgebieten. Dazu werden Gefährdungsabschätzungen und gegebenenfalls notwendige Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Für das Wasserschutzgebiet Baursberg ist die Gefährdungsabschätzung für die Verdachtsflächen abgeschlossen, für die Süderelbmarsch zu ca. 80 %, für Curslack und Langenhorn zu 50 bis 60 % sowie für Billbrook zu ca. 20 %. Insgesamt wurden für über 200 Fälle die Gefährdungsabschätzungen abgeschlossen und gegebenenfalls Sanierungsvorbereitungen getroffen. Die Zahlenangaben beziehen sich im folgenden Text nur auf diejenigen Flächen, die sich im Eigentum der FHH befinden.

Für die Frage der Kostentragung ist jedoch letztlich ausschlaggebend, ob ein Verursacher herangezogen werden kann. Oft umfaßt ein zu bearbeitender Fall nicht die ganze Altlastverdachtsfläche (z. B. ein Bauantrag auf einem kleinen Flurstück, das Bestandteil einer großen Altlastverdachtsfläche ist), oder ein Fall beinhaltet mehrere Verdachtsflächen.

­ Ebenfalls wurden bekannte großräumige Grundwasserverunreinigungen außerhalb von Wasserschutzgebieten, die eine Gefahr für das Grundwasser oder die Trinkwasserversorgung darstellen, wie z. B. Industriegebiet Eidelstedt, Industriegebiet Wandsbek und Radeland, bearbeitet.

­ Eine größere Anzahl von Fällen wurde im Zuge der Bedarfsträgerbearbeitung und der Bearbeitung der aktuellen Schadensfälle abgeschlossen (z. B. wurden 1997 über 70 Fälle erfolgreich saniert/gesichert). Zukünftig sind systematisch die restlichen Altablagerungen sowie vor allem Altstandorte zu überprüfen, wobei die Feststellung des Handlungsbedarfes aufgrund der in Hamburg vorherrschenden heterogenen Untergrundverhältnisse allerdings ohne Untersuchung vor Ort nur schwer möglich ist. Die Vorgaben einer künftigen Bodenschutzund Altlastenverordnung können hier einerseits die Bestimmung des Untersuchungsaufwandes erleichtern, andererseits durch die Festlegung von Probenahme- und Analysemethoden im einzelnen zu einem Mehraufwand führen.

Bis Anfang 1999 soll eine Zusammenstellung aller noch im Rahmen der Gefahrenabwehr zu bearbeitenden Flächen fertiggestellt sein.

Bearbeitungsschwerpunkte des Wirkungspfades BodenMensch sind neben der Überprüfung empfindlicher Nutzungen auf Altspülfeldern die Untersuchung und gegebenenfalls Sanierung von sensibel genutzten Altstandorten und großflächigen schädlichen Bodenveränderungen (z. B. mit Pflanzenschutzmitteln behandelte Flächen, die für Wohnnutzung vorgesehen sind). Für die Wirkungspfade Boden-Mensch und Boden-Nutzpflanze, für die bislang lediglich polizeirechtliche Generalklauseln zur Gefahrenabwehr handlungsbestimmend waren, sind durch die nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz festzulegenden Prüfwerte und die ermessensleitenden Bestimmungen zur Gefährdungsabschätzung nunmehr die Aufgaben der Behörden konkretisiert worden. Dies bedeutet, dass das Ermessen bei der Entscheidung darüber, ob einem Anhaltspunkt für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast nachgegangen werden muß, gegenüber der bisherigen Rechtslage deutlich eingeschränkt worden ist. Insofern ist für diese Wirkungspfade von einem erhöhten Handlungsbedarf auszugehen.

Altablagerungen

Für die 860 Altablagerungen kann bereits von einem hohen Informationsstand für die Abschätzung der von ihnen ausgehenden Gefährdungen für Mensch und Umwelt ausgegangen werden.

Ablagerungen von Abfällen

Für den Wirkungspfad Boden-Grundwasser wird die Gefährdungsabschätzung für ca. 35 % der Altablagerungen, die insbesondere nach dem Bewertungsverfahren Grundwasser als prioritär eingestuft wurden oder in Wasserschutzgebieten liegen, bis Ende 1998 und für die verbleibenden Altablagerungen, für die ein Untersuchungsbedarf festgestellt wird, bis spätestens 2007 abgeschlossen sein.

Für den Wirkungspfad Deponiegas-Mensch sind bereits 84

Altablagerungen mit dem höchsten Gefahrenpotential für die gegenwärtige Nutzung bewertet. Bis Ende 1998 werden diese Gefährdungsabschätzungen auf den heutigen Erkenntnisstand aktualisiert, durch eine Bewertung im Hinblick auf mögliche zukünftige Nutzungen ergänzt und detailliert in das Fachinformationssystem Altlasten eingestellt. Bis Ende 2001 werden die restlichen deponiegasrelevanten 193 Altablagerungen untersucht und abschließend bewertet.

Aus der Sicht des Wirkungspfades Boden-Mensch wird grundsätzlich angenommen, dass Ablagerungen von Abfällen in der Regel eine nach oben wirksam abdeckende Schicht haben. Ob diese Annahme im Einzelfall für bebaute Altablagerungen zutrifft, wird im Rahmen des Wirkungspfades Deponiegas-Mensch untersucht. Kleingärten auf Altdeponien werden hinsichtlich des Wirkungspfades Boden-Pflanze im Rahmen eines eigenen Programms bearbeitet.

Ablagerungen von Baggergut

Für Ablagerungen von Baggergut wird im Wirkungspfad Boden-Grundwasser überwiegend kein Handlungsbedarf gesehen. Gleichwohl sind einige Altspülfelder im Wirkungspfad Boden-Grundwasser untersucht worden. Dabei sind im Einzelfall auch Maßnahmen wie Teilsanierungen durchgeführt worden; aufgrund vorliegender Erkenntnisse ist das auch in weiteren Fällen nicht auszuschließen.

Das Gefährdungspotential von Ablagerungen mit Baggergut bezüglich des Wirkungspfades Deponiegas-Mensch ist aufgrund des geringen gasbildenden Potentials gegenüber den Altablagerungen von Abfällen als wesentlich geringer einzustufen. Ein Untersuchungsbedarf besteht nur bei bebauten Spülfeldern (s. u.). Eine Bewertung erfolgt ansonsten nur anlaßbezogen bei Nutzungsänderung im Einzelfall.

Altspülfelder werden aus Sicht des Wirkungspfades Boden-Mensch zumindest teilweise besonders sensibel genutzt. Hiervon wurden 27 bereits in einem größeren Vorhaben 1991 bis 1995 systematisch erfaßt und auf Hinweise auf Schlick im Oberboden untersucht. Dabei erwies es sich als zweckmäßig, mehrere Gruppen anhand der örtlichen Gegebenheiten zu bilden. Verdachtsflächen mit Schlick im Oberboden und Wohnnutzung im überschlickten Bereich sind die für den Wirkungspfad Boden-Mensch wichtigste Gruppe. Hierzu zählen 4 Altlastverdachtsflächen, die bereits abschließend bearbeitet wurden (Bille-Siedlung, Warwisch, Ellerholz, Finkenriek). In einer zweiten Gruppe befinden sich weitere 4 Flächen, für die Anhaltspunkte für Schlick im Oberboden bei Wohnnutzung vorliegen. 21

Altspülfelder, für die jetzt neue Hinweise auf eine besonders sensible Nutzung bestehen, werden zur Zeit überprüft.

Es ist nach jetzigem Stand unwahrscheinlich, dass weitere Flächen der wichtigsten Gruppe gefunden werden.

Sonstige Altablagerungen

Für den Wirkungspfad Boden-Grundwasser soll die Gefährdungsabschätzung für alle 334 in Wasserschutzgebieten liegenden sonstigen Altablagerungen bis Ende 2004, für alle anderen sonstigen Altablagerungen, für die ein Untersuchungsbedarf festgestellt wird, bis 2007 abgeschlossen sein.

Altstandorte

Im AHK sind 1694 Altstandorte registriert, von denen sich 50 % mindestens teilweise im Eigentum der Stadt befinden (siehe Abbildung II). Für den Wirkungspfad BodenGrundwasser liegt eine Bewertung sämtlicher Gaswerke und Kokereien vor. Die sanierungsrelevanten Standorte sind überwiegend in Bearbeitung oder bereits saniert. In einem Modellversuch wird die Überprüfung der Altstandorte, in denen organische Grundstoffe, Chemikalien und Pharmaka hergestellt und gelagert wurden, durchgeführt.