Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)

Die Statistiken zur registrierten Rauschgiftkriminalität sind immer auch unmittelbarer Ausdruck der jeweiligen Kontrollstrategien und -intensität der Strafverfolgungsbehörden und eignen sich deshalb nur bedingt zur epidemiologischen Abschätzung des illegalen Drogenkonsums. Gleichwohl liefern sie wertvolle Hinweise auf spezifische Entwicklungen und Veränderungen.

Seit Anfang der 90er Jahre lässt sich ein kontinuierlicher Anstieg der Zahl der Rauschgiftdelikte feststellen (1994: 6.356; 2004: 13.428) wobei sich die jährliche Zuwachsrate in Hamburg mit durchschnittlich 9 % nicht von der für das gesamte Bundesgebiet registrierten Deliktentwicklung unterscheidet. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der polizeilich ermittelten Tatverdächtigen im Zusammenhang mit „allgemeinen BtM-Delikten" (Konsumentendelikte) ebenfalls auf den bisherigen Höchststand von 6.924 Personen zu. Der Anteil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 21 Jahre hieran ist beträchtlich und liegt zwischen 25 % und 30 %. Entwicklung der Zahl der BtM-Tatverdächtigen („ Dies gilt insbesondere für die unter 25-Jährigen.

3) Hier werden alle, in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember eines Jahres Tatverdächtigen, aufgeführt.

Missbrauch und Abhängigkeit von Suchtmitteln

Der Konsum von Suchtmitteln durch Kinder ist auf Grund ihrer psychischen und physischen Konstitution per se als Missbrauch anzusehen und mit besonderen Risiken hinsichtlich kritischer Folgen verbunden. In Bezug auf Abhängigkeit von Suchtmitteln bei Kindern und Jugendlichen liegen bundesweit keine repräsentativen Daten vor. Suchtkrankheiten kommen ­ nicht zuletzt wegen des notwendigen langfristigen und regelmäßigen Konsums ­ selten bereits im Kindesalter vor. Neugeborene weisen Entzugssymptome auf, wenn die Mutter in der Schwangerschaft kontinuierlich drogenabhängig gewesen ist. Die Krankenhausdiagnosestatistik weist für Hamburg jährlich etwa 50 solcher Fälle mit Entzugssymptomen auf, wobei im Rahmen dieser Fallstatistik Doppelnennungen nicht ausgeschlossen werden können.

Da Entzugssymptome insgesamt im Kindes- und Jugendalter auf Grund der besonderen körperlichen Konstitution weniger wahrscheinlich sind als im Erwachsenenalter, greifen die üblichen Diagnoseverfahren nur bedingt und Aussagen über das Ausmaß von abhängigem Suchtmittelkonsum im Kindes- und frühen Jugendalter sind kaum möglich.

Dagegen liegen Hinweise auf Missbrauch und Abhängigkeit im Jugend- und jungen Erwachsenenalter vor. Schädlicher und riskanter Alkoholkonsum ist bei jungen Menschen im Alter von 18 ­ 24 Jahren in Hamburg durch die Studie des IFT aus dem Jahr 2003 belegt.4) Annähernd 50 % der 18 ­ 24-jährigen Männer und 25 % der Frauen im gleichen Alter konsumieren Alkohol in schädlicher und riskanter Weise. Die Repräsentativerhebung des IFT in Hamburg im Jahr 1997 wies bei 15 ­ 17-Jährigen darauf hin, dass 18 % der befragten Jungen und ca. 10 % der befragten Mädchen die Kriterien eines riskanten Konsums erfüllen. Ferner wurden bei 2,5 % der Jugendlichen bereits Merkmale einer Alkoholabhängigkeit festgestellt.

Die Hamburger Schüler- und Lehrerbefragung zum Umgang mit Suchtmitteln ergab für das Jahr 2004, dass ca. 8 % der 14 ­ 18-Jährigen einen riskanten Alkoholkonsum betreiben. 5) Hinweise für Cannabisabhängigkeit liegen in der Gruppe der 18 ­ 24-Jährigen vor. Bei 53 % der 18 ­ 24- jährigen Konsumenten von Cannabis im letzten Jahr vor der Befragung kann auf Grund ihrer Angaben auf eine cannabisbezogene Störung6) geschlossen werden. 31 % geben Probleme bezüglich des Cannabiskonsums an, die auf eine Abhängigkeit hinweisen. Die Hamburger Schülerbefragung von 2004 verdeutlicht, dass es ein großer Teil der Cannabis erfahrenen Jugendlichen bei einem Probierkonsum (60 %) oder einem gelegentlichen Umgang (27 %) belässt. Für etwa 13 % der Konsumerfahrenen (= 5 % aller Jugendlichen in dieser Altersgruppe) lässt sich jedoch riskanter Cannabisgebrauch feststellen bei signifikant geringeren Zufriedenheitswerten mit unterschiedlichen Lebensbereichen, was als Suchtgefährdung gedeutet werden muss. Diese Gruppe erbringt durchweg schlechtere Schulleistungen, ist spürbar unzufriedener mit der Familien- und Wohnsituation, konstatiert für sich einen schlechteren Gesundheitszustand und bekundet schließlich eine geringere Zufriedenheit mit der eigenen Person und dem Leben insgesamt.

Nikotinabhängigkeit muss bei 30 % der Raucher in der Altersgruppe der 18-24-Jährigen angenommen werden.7)

Ein Viertel der jugendlichen Raucher im Alter zwischen 12-13 Jahren zeigen bereits nach vier Wochen gelegentlichen Rauchens Entzugssymptome wie Nervosität, Unruhe und Gereiztheit. Abhängigkeit von Nikotin beginnt oft, bevor täglich geraucht wird.8)

Gefahren des Suchtmittelkonsums für Kinder und Jugendliche

Je früher mit dem Konsum von Suchtmitteln begonnen wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer späteren Abhängigkeit. Sie steigt bei Alkohol um 14 % mit jedem Jahr des früheren Beginns.9) Bei der Einschätzung von Risiken des Suchtmittelkonsums bei Kindern und Jugendlichen stehen neben dem langfristigen Risiko der Abhängigkeitsentwicklung unmittelbare und lange wirksame soziale und körperliche Konsequenzen im Vordergrund. Soziale Folgen (Schulversagen, Ausbildungsabbruch, Kontakt- und Beziehungsstörungen u. a.) resultieren insbesondere aus dem Scheitern der Bewältigung jugendtypischer Entwicklungsaufgaben.

Aber auch Unfälle, Verletzungen, Gewalt und Delinquenz stehen oft direkt oder indirekt mit Suchtmittelkonsum in Verbindung. Dauerhafte körperliche Folgen betreffen insbesondere die Entwicklung des Zentralen Nervensystems, das bis zum Alter von 20 Jahren Phasen von besonders tief greifenden Veränderungen vollzieht.

Die im Folgenden benannten spezifischen Gefahren einzelner Suchtmittel sind durch vielfältige ­ auch internationale ­ Forschung belegt.

Rauchen

Je früher Kinder und Jugendliche mit dem Rauchen beginnen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu regelmäßigen Rauchern werden und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in den nächsten zwanzig Jahren aufhören werden.

Damit erhöht sich die Gesundheitsgefährdung bei frühem Beginn regelmäßigen Zigarettenkonsums. Da die Entwicklung von Lungenkrebs insbesondere von der Konsumdauer abhängt, erhöht sich das Risiko für Lungenkrebs entsprechend. Dies gilt in der Regel auch für andere Tumoren, die durch Rauchen verursacht werden (Bronchien, Kehlkopf) und für die rauchertypischen arteriosklerotischen Prozesse, die das Risiko von Bluthochdruck, Herzinfarkten und Schlaganfällen erhöhen. Fast immer durch langjähriges Rauchen verursacht sind chronische Bronchitis und Lungenemphysem.

4) Alcohol Uses Disorders Identification Test (AUDIT)

5) Baumgärtner, Theo: Als riskant wird das Konsummuster hier definiert, wenn bereits mehr als 25-maliger Gebrauch vorliegt, regelmäßiger sowie mindestens wöchentlicher Konsum und der Konsum alleine zu Hause oder im schulischen Kontext stattfindet.

6) Severity of Dependence Skala (1 Punkt = Cannabisbezogene Störung; 3 Punkte = Cannabisabhängigkeit)

7) Fagerströmtest für Nikotinabhängigkeit (FTND)

8) Dr. Psych. Peter Lindinger: Therapieangebote für junge Raucher: Herausforderungen und Erfolge. 16. wissenschaftliches Forum der DHS, Tutzing 2005

9) Dr. Manfred Laucht: Besondere Wirkungen des Substanzkonsums auf junge Menschen und ihre Ursachen.

16. Wissenschaftliches Symposium der DHS, Tutzing 2005

Ein weiterer Risikoaspekt des Tabakrauchens liegt in der Anbahnung des Konsums von anderen Suchtmitteln, die ebenfalls geraucht werden. Nichtraucher zeigen kaum Neigung zu Cannabis, während ca. 75 % der jugendlichen Raucher schon einmal diese Droge genommen haben. Gut ein Drittel der rauchenden Schülerinnen und Schüler geben regelmäßigen Cannabiskonsum an.

Alkohol Jugendliche und junge Erwachsene neigen vermehrt zu riskantem und schädlichem Alkoholkonsum. Sie trinken zwar insgesamt durchschnittlich weniger als ältere, jedoch bei einem Anlass erheblich größere Mengen bis hin zu Trinkexzessen. Ein derartiges Trinkverhalten erhöht das Risiko negativer Folgen wie akute Alkoholintoxikationen, Unfälle, aggressives Ausagieren und Triebenthemmung.

Die bundesweiten Fallzahlen über stationär behandelte Alkoholintoxikationen bei Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 19 Jahren sind seit Ende der neunziger Jahre kontinuierlich angestiegen. Im zunehmenden Ausmaß sind unter den mit einer Alkoholvergiftung eingelieferten Jugendlichen auch Mädchen und junge Frauen.

Deren Anteil erreichte 2002 ca. 50 %. Die meisten Jugendlichen mit Alkoholintoxikation (ca. 70 %) sind 15-17 Jahre alt, ca. 30 % sind noch Kinder im Alter von 13-14 Jahren.

In Hamburg ist die Anzahl der in Krankenhäusern mit akuter Alkoholintoxikation stationär aufgenommenen Kinder und Jugendlichen bis 19 Jahre in der Zeit von 1998 bis 2003 von 44 auf 69 Fälle angestiegen10). 40 % der Betroffenen waren noch unter 15 Jahre alt. Hinzu kommt eine nicht genau bezifferbare Anzahl von Fällen, die in Krankenhäusern ambulant behandelt werden und deshalb in der Krankenhausdiagnosestatistik nicht erfasst sind.

Neben der akuten Alkoholvergiftung und deren möglichen Folgen führt langfristiger und exzessiver Konsum von Alkohol u. a. zu gravierenden neurologischen und mentalen Störungen sowie zu Leberfunktionsstörungen.

Diese und weitere gesundheitliche Folgewirkungen lassen sich jedoch in der Regel erst nach chronischem Missbrauch im Erwachsenenalter beobachten.

Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft kann zu einer Alkoholembryopathie beim Neugeborenen führen. Sie ist gekennzeichnet durch unterschiedlich ausgeprägte Funktionsstörungen des Gehirns sowie weitere Fehlbildungen.

Cannabis Regelmäßiger und langfristiger Cannabiskonsum ist mit gravierenden körperlichen und psychischen Folgen verbunden. Starker Cannabiskonsum beeinträchtigt die Lungenfunktion. Chronische Bronchitis und Krebserkrankungen der Atemwege durch jahrelanges Rauchen von Cannabis-Tabakmischungen gelten als erwiesen. Es gibt Hinweise auf hirnstrukturelle Veränderungen durch regelmäßigen Cannabiskonsum im Jugendalter. Dauerhafter Cannabiskonsum beeinträchtigt Gedächtnis und Aufmerksamkeits- bzw. Konzentrationsleistungen. Chronisch starker Cannabiskonsum kann sich bei männlichen Jugendlichen auf die Testosteron- und Spermienbildung in der Pubertät auswirken, bei jungen Frauen besteht ein leicht erhöhtes Risiko der Unfruchtbarkeit.

Intensiver Langzeitkonsum beeinflusst die Motivation zur Setzung langfristiger Ziele und zu ihrer Durchführung.

Dies kann bei ohnehin problembelasteten jungen Menschen mit Rückzugstendenzen und Gleichgültigkeit gegenüber den Erfordernissen des Alltags (Schule, Beruf) einhergehen. Passivität in einer Entwicklungsphase, in welcher Jugendliche diverse Entwicklungsaufgaben zu bewältigen haben, kann sie auf Jahre in der Entwicklung zurückwerfen.

Nach hohen Dosen des Wirkstoffs kann eine toxische Psychose ausgelöst werden, gekennzeichnet durch Desorientiertheit, Angstzustände, Halluzinationen und Paranoia. Diese Symptome klingen im Allgemeinen nach einigen Tagen Abstinenz ab. Bei in dieser Hinsicht vulnerablen Personen kann jedoch durch Cannabiskonsum der Ausbruch einer bis dahin latenten schizophrenen Psychose beschleunigt werden.

Ein erheblicher Risikofaktor ist der frühe Einstieg in den regelmäßigen Cannabiskonsum. Je früher bereits regelmäßig Haschisch und Marihuana geraucht werden, desto wahrscheinlicher ist, dass durch diesen Konsum entwicklungsverzögernde Probleme entstehen. Besonders gravierend werden diese Probleme, wenn der oder die Jugendliche zu einem Mischkonsum von Suchtmitteln neigt, also z. B. sowohl Alkohol trinkt als auch Haschisch raucht.

Ecstasy und sogenannte Partydrogen Starker gewohnheitsmäßiger Ecstasy-Konsum hat häufig durch die Substanz induzierte psychische Störungen zur Folge. Beobachtet wurde bei regelmäßiger Einnahme auch schon von üblichen Dosen Depressivität, Ängstlichkeit und erhöhte Impulsivität. Zudem wurden, je intensiver Ecstasy konsumiert wurde, Defizite des Verbalgedächtnisses und der Lernfunktionen festgestellt. Diese Auffälligkeiten sind umso stärker, je jünger das Einstiegsalter in den Ecstasy-Konsum war. Bei fortgesetzt hohen Dosen wurden sogar ausgeprägte psychische Symptome wie Angststörungen, depressive Störungen oder auch psychotische Störungen festgestellt. Akute Komplikationen, die auch bei niedriger Dosierung beobachtet werden, sind Erhöhung der Körpertemperatur in einer ohnehin schon aufgeheizten Tanz-Atmosphäre, die zu Bewusstseinsstörungen, Gerinnungsstörungen und Störungen von Leber- und Nierenfunktionen führen können. Dies kann lebensbedrohlich verlaufen. Die Gefahr schwerer toxischer Komplikationen bis hin zu Todesfällen steigt, sobald äußerlich ähnliche Pillen mit unbekannten Inhaltsstoffen genommen werden und unter Umständen bewusst noch mit anderen Drogen wie Cannabis, Alkohol, „Speed" (Amphetamine) oder Kokain kombiniert werden.

Das Wirkungsspektrum von Amphetaminen und Methamphetaminen ist dem Kokain ähnlich was die Effekte auf das Zentralnervensystem und die subjektiven Wirkungen anbelangt. Auch durch Amphetamine werden Müdigkeit und Hungergefühl vertrieben. Die Empfindung von Euphorie und Energiegeladenheit bei gleichzeitiger motorischer Unruhe entspricht jedoch nicht den tatsächlichen Fähigkeiten. Bekannte Beispiele sind Kollaps und Todesfälle bei Sportlern nach Doping mit Amphetaminen.

Die akute Wirkung von Amphetaminen hält länger an als die von Kokain.