Strategische Neuausrichtung des Haushaltswesens

Betreff: Strategische Neuausrichtung des Haushaltswesens. Bürgerschaft und Senat der Freien und Hansestadt Hamburg haben aus der lange anhaltenden Diskussion um die Schwächen eines auf der Kameralistik basierenden Haushaltswesens Konsequenzen gezogen. 2003 hat die Bürgerschaft einstimmig einen Reformprozess angestoßen, der das Hamburger Haushaltswesen von der Kameralistik auf die an kaufmännischen Regeln ausgerichtete Buchführung (Doppik) umstellt.

Nachdem die Doppik seit 2006 Methode der Rechnungslegung für den Jahresabschluss des Kernhaushalts und seit 2007 für den Konzern Hamburg ist, werden seit 2006 im Rahmen des Projektes Neues Haushaltswesen Hamburg (NHH) auch Haushaltsplanung, -steuerung und -bewirtschaftung auf das kaufmännische System umgestellt.

Für das Haushaltsjahr 2010 hat der Senat der Bürgerschaft für die Erprobungsbereiche Justizbehörde und das Amt Polizei erstmalig Haushaltspläne auf Basis des NHH zugeleitet. Die kritische Diskussion in Politik und Verwaltung um die Wirtschaftspläne dieser Behörden und weiterer Auswahlbereiche hat gezeigt, dass die neue Struktur noch nicht ausgereift ist. NHH ist vielfach zu komplex und schwer nachvollziehbar.

Zudem umfasst es neben der Umstellung der Haushaltsplanung und -bewirtschaftung auf die Doppik auch die Einführung einer ergebnisorientierten Budgetierung. Deren Realisierung bedarf wegen der grundlegenden Veränderung der Steuerung und der Steuerungsanforderungen in Politik und Verwaltung aber mehrerer Schritte über einen längeren Zeitraum sowie der hinreichenden Qualifizierung und Motivierung. Deutlich wird dies an der Diskussion um die Vielzahl der in den Auswahlbereichen dargestellten Ziele und Kennzahlen, deren politische und verwaltungsbezogene Steuerungsrelevanz oft nicht erkennbar ist und daher dafür nicht genutzt werden wird.

Ziel der Bürgerschaft bleibt es, die Umstellung auf ein doppisches Haushaltswesen weiter voranzutreiben, um die Transparenz und den Informationsgehalt der Haushaltsdarstellung auch im Sinne von mehr Generationengerechtigkeit zu verbessern. Um diese Transparenz zu erreichen, ist eine übersichtliche Haushaltsstruktur erforderlich, die dem Parlament als Haushaltsgesetzgeber ausreichend Informationen bietet, um seiner verfassungsmäßigen Rolle gerecht zu werden. Die haushaltspolitische Ermächtigung muss hinsichtlich der Ermächtigungsebene und in ihrem Umfang derart begrenzt erfolgen, dass zwar eine reibungslose Durchführung des Haushaltsplanes gewährleistet ist, die Bürgerschaft aber gerade bei sich abweichend entwickelnden Haushaltsverläufen vom Senat informiert werden muss und gegebenenfalls nachsteuern kann.

Die Modernisierung des Hamburger Haushaltswesens bleibt ein komplexes Vorhaben, das auch aufgrund der erforderlichen Weiterentwicklung der IT-Verfahren kostenintensiv ist. Umso wichtiger ist es, dass Sonderausprägungen in einzelnen Behörden vermieden werden. Haushaltsmodernisierung kann nur als Top-down-Prozess effektiv und effizient gelingen. Entscheidend ist daher, dass der Senat sicherstellt, dass die auf Basis der Vereinbarungen zwischen Bürgerschaft und Senat entwickelten Vorgaben zentral durchgesetzt werden können und dass sich alle Behördenleitungen das Anliegen, die Haushaltsmodernisierung in einem zügigen und stringenten Verfahren durchzuführen, zu eigen machen.

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

Der Senat wird gebeten, im Rahmen der strategischen Neuausrichtung des Haushaltswesens folgende Punkte zu berücksichtigen:

I. Haushaltsstruktur

1. Der Gesamtplan der Freien und Hansestadt Hamburg gliedert sich unterhalb der Ebene der Einzelpläne künftig in circa 250 Produktgruppen. Mehrere Produktgruppen eines Einzelplans werden in Aufgabenbereichen zusammengefasst.

2. Der Zuschnitt von Aufgabenbereichen und Produktgruppen orientiert sich an den Organisationsstrukturen der Behörden, Senats- und Bezirksämter.

3. Mit der Strukturreform wird auch eine weitere Modernisierung der Verwaltungssteuerung angestrebt. Ziel ist es, dem AKV-Prinzip (Aufgabe-Kompetenz-Verantwortung) entsprechend Verantwortung zu delegieren und der für eine Produktgruppe direkt verantwortlichen Leitungsperson neben der fachlichen auch die Ressourcenverantwortung zu übertragen. Der Senat wird gebeten, die dafür erforderlichen Maßnahmen hinsichtlich der Implementierung dieses Ansinnens in konkretes Handeln sowie bei der Personalauswahl und der Qualifizierung der Beschäftigten zu ergreifen und der Bürgerschaft über die Umsetzung dieses Zieles regelmäßig im Rahmen der Haushaltsberatungen zu berichten.

4. Für jedes Bezirksamt wird ein eigener Einzelplan ausgewiesen, der entsprechend den oben genannten Vorgaben untergliedert wird.

5. Intendanzbereiche sollen eigene Produktgruppen und Produkte ausbringen. Die Ausgestaltung der Produktgruppen ist möglichst weitgehend zu standardisieren.

6. Große oder politisch bedeutende Projekte können auf der gleichen Ebene wie Produktgruppen separat dargestellt werden.

7. Für jede Produktgruppe sind jeweils die Erlöse und Kosten in einem Ergebnisplan zu veranschlagen. Unterhalb der Ebene der vorgenannten Kontengruppen können zu Informationszwecken weitere Konten dargestellt und beplant werden. Dies geschieht für folgende Konten:

3) Kosten aus Verwaltungstätigkeit

a. davon Mieten, Pachten und Erbbauzinsen

b. davon IT-Kosten

c. davon Kosten für Prüfung, Beratung, Rechtsschutz

4) Personalkosten

a. davon Kosten für Entgelte

b. davon Kosten für Bezüge

c. davon Sonstige Kosten mit Entgelt- oder Bezugscharakter

d. davon Kosten für Sozialleistungen e. davon Kosten für Versorgungsleistungen

II. Ermächtigung

1. Die Ermächtigung der konsumtiven Mittel erfolgt auf der Ebene der Produktgruppen, indem die einzelnen vorgenannten Kontengruppen gemäß Ziffer 7. ermächtigt werden.

2. Investitionen werden auf der Ebene der Aufgabenbereiche ermächtigt. Jedes Investitionsprogramm und jede Einzelinvestition werden einzeln ermächtigt. Sonstige Investitionen werden in Summe ermächtigt.

3. Die Bürgerschaft kann bei Bedarf für jede Produktgruppe und bei Investitionen konkrete Verwendungsauflagen formulieren.

4. Gesetzliche Leistungen werden auf Ebene der Produktgruppen in der zugehörigen Kontengruppe ermächtigt. Auf der Ebene der Aufgabenbereiche werden Übersichten über die einzelnen gesetzlichen Leistungen mit ihren jeweiligen Planwerten dargestellt.

III. Darstellung und Erläuterung

1. Für jede Produktgruppe werden Leistungszwecke in Form der zugeordneten Produkte, der Ziele, Kennzahlen und Kennzahlenwerte als Grundlage der Ermächtigung verbindlich dargestellt.

2. Verbindlichkeit des Leistungszwecks bedeutet, dass die Gliederung in Produkte, die Ziele, Kennzahlen und geplanten Kennzahlenwerte nur mit Zustimmung der Bürgerschaft gestrichen, geändert oder hinzugefügt werden dürfen.

3. Zur Spezifikation des Leistungszwecks sind in jedem Fall aussagekräftige ressourcenbegründende Kennzahlen erforderlich.

4. Ziel bleibt es, zunehmend auch wirkungsbezogene Kennzahlen auszuweisen. In der Startphase soll für jeden Aufgabenbereich mindestens eine wirkungsbezogene Kennzahl ausgewiesen werden.

5. Bei der Darstellung von Zielen und Kennzahlen soll sich auf die für Senat oder Bürgerschaft steuerungsrelevanten beschränkt werden. Es ist sicherzustellen, dass jedem ausgewiesenen Ziel mindestens eine Kennzahl klar zugeordnet werden kann.