Prostitution in Hamburg

Prostitution, d.h. die gewerbsmäßige Ausübung sexueller Handlungen, ist in der Bundesrepublik Deutschland eine als solche grundsätzlich rechtlich zulässige ­ steuerpflichtige ­ Tätigkeit. Ihr gehen in Deutschland etwa 400000 Personen ­ überwiegend Frauen ­ nach. Die Dienstleistungen der Prostituierten werden in der Bundesrepublik täglich von über einer Million Männern in Anspruch genommen.

In der Bundesrepublik Deutschland ist Prostitution ein sittenwidriges Gewerbe. Prostituierte müssen zwar auf ihre Einkünfte Steuern zahlen, sozialversichern können sie sich hingegen nicht. Eine Prostituierte, die eine vorab vom Freier bezahlte „Dienstleistung" verweigert, macht sich des Betruges strafbar, eine um ihren Lohn geprellte Prostituierte hat hingegen keinerlei rechtliche Möglichkeit, diesen einzuklagen. Es ist kaum möglich, eine Krankenversicherung mit der tatsächlich ausgeübten angegebenen Tätigkeit ­ Prostituierte ­ abzuschließen, einen Krankenversicherungsvertrag unter falscher Berufsbezeichnung abzuschließen hingegen ist rechtlich unwirksam.

Den nicht gegen Arbeitslosigkeit versicherten Prostituierten bleiben beim Ausstieg aus der Prostitution Leistungen durch das Arbeitsamt verwehrt. Durch die fehlende Rentenversicherung sind Prostituierte im Alter häufig auf Sozialhilfe angewiesen. Die einseitige gesellschaftliche Ächtung der Ausübung der Prostitution fördert die Zuhälterei und damit die Abhängigkeit der Frauen, denn sie vermindert den Spielraum für Selbständigkeit. Für den sogenannten Schutz durch die Zuhälter zahlen die Frauen einen hohen Preis ­ im wörtlichen Sinne.

Das Thema Prostitution ist nach wie vor mit einem hohen Maß an Doppelmoral behaftet, eine Moral, die den Kunden nutzt, den sich prostituierenden Frauen hingegen schadet.

Durch die Halblegalität des Milieus ist die Abgrenzung legaler Prostitution von schweren Verbrechen wie etwa Kinderprostitution oder Frauenhandel erschwert und damit auch die Bekämpfung dieser Deliktbereiche.

Die Bundesfrauenministerin hat im August 1999 angekündigt, die rechtliche Benachteiligung von Prostituierten zu beseitigen und Prostitution als Beruf anerkennen zu wollen. Dies eröffnet sich prostituierenden Frauen und Männern insbesondere in Hinblick auf Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- sowie Rentenversicherung bedeutende neue Möglichkeiten.

Die Gefahr der Abhängigkeit von Zuhältern und der stets drohenden Gefahr der Verelendung der Prostituierten wird eingeschränkt. Die Polizei hofft, durch die Anerkennung der Prostitution als Beruf illegale Formen der Prostitution, wie z. B. Prostitution von Kindern oder Zwangsprostitution, besser bekämpfen zu können.

In Hamburg gibt es im starken Maße legale Prostitution, aber auch illegale Prostitution, Menschenhandel, Elends- und Kinderprostitution. Die geplante Initiative der Bundesregierung hat daher vielfältige Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Prostituierten und die damit verbundenen Auswirkungen. Es bietet sich die Chance, die soziale und die gesundheitliche Situation sich prostituierender Frauen zu verbessern.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

1. Das Ausmaß der Prostitution in Hamburg

Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Anzahl sich prostituierender Menschen in Hamburg, insbesondere zu den im folgenden genannten Gruppen? Auf welcher Grundlage basieren diese Erkenntnisse?

1. Frauen,

2. Männer,

3. Minderjährige Mädchen,

4. Minderjährige Jungen,

5. Migrantinnen und Migranten (unterteilt nach Herkunftsländern).

Die Anzahl der Personen, die in Hamburg der Prostitution nachgehen, kann nur geschätzt werden, da eine entsprechende Meldepflicht nicht besteht. Die folgenden Schätzungen basieren auf Auswertungsergebnissen des Landeskriminalamtes und Milieuerkenntnissen des Polizeikommissariats 11 (St.Georg), des Polizeireviers 15 (St.Pauli) und der Dienstgruppe Jugendschutz in der Polizeidirektion Mitte: Frauen ­ gesamt ­ ca. 3700, Männer ­ gesamt ­ ca. 220, Weibliche Minderjährige ca. 30 bis 40, Männliche Minderjährige ca. 5 bis 10 Ausländerinnen ca. 1950 davon ca. 1600 aus Osteuropa und ca. 1950 davon ca. 0350 aus Asien, Europa, Süd- und Mittelamerika und ca. 1950 davon ca. 0350 Westafrika Ausländer ca. 60 überwiegend aus Thailand

In welchen Formen und an welchen Orten arbeiten Prostituierte in Hamburg (oder werden im Fall der Zwangsprostitution dazu gezwungen)? Welche Kenntnisse liegen dem Senat über Ausmaß und Orte unter anderem der Straßenprostitution, der sogenannten Modellprostitution, der Prostitution von Minderjährigen oder der Elendsprostitution von Drogenabhängigen vor? Wie viele Bordelle gibt es in Hamburg und wieviel Prostituierte ohne Anbindung an ein Bordell? Wie bewertet der Senat die beobachteten Erscheinungsformen von Prostitution im einzelnen?

Prostitution stellt sich in Hamburg überwiegend als Straßenprostitution, Modellprostitution und Prostitution in sogenannten Sex-Clubs dar. Während der Straßenprostitution überwiegend in den Stadtteilen St.Georg, St.Pauli und auf dem sogenannten Straßenstrich in der Süderstraße nachgegangen wird, verteilt sich die Modellprostitution und die Prostitution in sogenannten Sex-Clubs auf das ganze Stadtgebiet (geschätzte Zahlen hierzu siehe nachfolgende Tabelle).

Über die genaue Anzahl aller Räumlichkeiten und Objekte, in denen der Prostitution nachgegangen wird (sogenannte Bordelle), liegen keine Erkenntnisse vor.

Die Prostitution durch drogenabhängige Menschen ­ sogenannte Beschaffungsprostitution ­ findet in weit überwiegendem Maße in der Form der Straßenprostitution im Stadtteil St.Georg statt.

Nach auf polizeiliche Erkenntnisse gestützten Schätzungen stellt sich das Ausmaß und die örtliche Verteilung der unterschiedlichen Formen von Prostitution in Hamburg derzeit wie folgt dar: Modellprostitution ca. 1700 Frauen in ca. 560 Wohnungen ­ darunter ca. 1400 aus Osteuropa ca. 40 Männer Straßenprostitution: St.Georg in Kraftfahrzeugen, Wohnungen der ca. 600 Frauen Freier und in ca. zwölf Beherbergungs- ­ darunter ca. 30 bis 40 minderjährige Mädchen stätten (Hotels und Pensionen) ca. 15 Männer ­ darunter ca. 15 Männer 1 Gewerbliche Zimmervermietungen, in denen sich die Prostituierten vor ihren Zimmern in den Fluren, in denen die Freier durch das Haus gehen können, anbieten.

Wie beurteilt der Senat die Sinnhaftigkeit von Aufklärungskampagnen für potentielle Freier, die beispielsweise das Ziel verfolgen, sie dazu zu bewegen, freiwillig Präservative zu nutzen, oder sie darüber aufzuklären, dass auch sie sich strafbar machen, wenn sie wissentlich die Dienste von Minderjährigen oder Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen?

Die Erfahrungen der „Zentralen Beratungsstelle für sexuell übertragbare Erkrankungen" zeigen, daß „normale" Freier für Gesundheitsprävention relativ gut zu erreichen sind. Erfahrungsgemäß sind die Freier von besonders verelendeten Prostituierten oft jene, die die Machtgefühle über die Frauen als besondere Stimulation erleben. Da ihr Verhalten einer größeren gesellschaftlichen Tabuisierung unterliegt bzw. einem Straftatbestand entspricht, sind sie durch individuelle Ansprache nicht zu erreichen.

Kampagnen, die dieses Freierverhalten als Voraussetzung für Elendsprostitution in den Mittelpunkt stellen, könnten jedoch einen Beitrag dazu leisten, dafür ein vermehrtes gesellschaftliches Bewußtsein zu schaffen.

Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über die quantitative und qualitative Entwicklung der Prostitution in den letzten Jahren vor?

Wie schätzt der Senat die Entwicklung der Prostitution in den kommenden Jahren ein?

In den letzten Jahren wurden in Hamburg signifikante Entwicklungen hinsichtlich der Quantität lediglich für die Form der Modellprostitution festgestellt.

Vor der Öffnung der Grenzen im osteuropäischen Raum war die Modellprostitution ein polizeilich unauffälliger Bereich, in dem sich vereinzelt z. B. Hausfrauen und Studentinnen als „Modelle" anboten. Seit der Öffnung der Grenzen hat sich diese Form der Prostitution zu einem besonderen Schwerpunkt entwickelt. Seit 1997 begegnet die Polizei diesen Entwicklungen mit einem Bekämpfungskonzept „Modellprostitution" unter anderem durch enge Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Fachberatungsstellen.

Die Zahl der Modellwohnungen konnte in dieser Zeit durch offensive polizeiliche Maßnahmen von rund 900 auf derzeit ca. 560 reduziert werden. Hierdurch ging auch die Anzahl der ausländischen Prostituierten von etwa 2500 auf derzeit rund 1950 zurück. Während 1997 für den Raum Hamburg noch durchschnittlich 390 Kontaktanzeigen täglich in einer bevorzugten Hamburger Tageszeitung geschaltet waren, sind es derzeit etwa 260.

Die Polizei Hamburg geht davon aus, dass nennenswerte Entwicklungen im Bereich der Prostitution auch nur für die Modellprostitution zu erwarten sind, da es den Tätern, aufgrund des wirtschaftlichen Ost/West-Gefälles, weiterhin möglich sein wird, Ausländerinnen in Modellwohnungen der Prostitution zuzuführen. Die Bekämpfung der Modellprostitution wird deshalb auch künftig einen besonderen Schwerpunkt der polizeilichen Arbeit darstellen. Ziel ist es, die Anzahl der Modellwohnungen weiter zu reduzieren und gegen die kriminellen Ausbeuter vorzugehen. Dabei trifft die Polizei gezielt Maßnahmen gegen Tätergruppierungen, die sich neu im Bereich der Prostitution etablieren bzw. dort expandieren wollen, um eine Verfestigung dieser Tätergruppierungen in der Szene zu verhindern.

2. Soziale Einrichtungen für Prostituierte in Hamburg

Welche Einrichtungen und Träger, die zum Ziel haben, die Situation von Prostituierten in Hamburg zu verbessern, insbesondere in den Bereichen

a) Gesundheit,

b) Drogen,

c) Bekämpfung von Obdachlosigkeit,

d) sich prostituierender Migrantinnen,

e) Schutz für minderjährige weibliche und männliche Prostituierte,

f) Beratung für sich prostituierende Frauen und Männer,

g) Angebote der Qualifizierung, Fortbildung und Beschäftigung für sich prostituierende Frauen und Männer, die aussteigen wollen.