Abschiebungen per Charterflug

Am 25. Juli gab die Staatliche Pressestelle bekannt, dass „fünf ausreisepflichtige Afrikaner mit zwei Charterflügen und 15 Sicherheitsbegleitern auf dem Luftweg in ihre Heimatländer zurückgeführt" worden seien. Darunter, so die Innenbehörde, „befanden sich auch Straftäter, die wegen Urkundenfälschung, Scheckkartenbetrug und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Erscheinung getreten" seien. Die Maßnahme sei notwendig geworden, weil sich die Menschen bei vorangegangenen Abschiebungsversuchen gewehrt hätten. Die Kosten für diese Maßnahme beliefen sich auf rund 200 000 DM.

Die von den Innenministern zur Ausarbeitung von Vorschlägen zur Beseitigung von Rückführungsschwierigkeiten eingesetzte Arbeitsgruppe der Staatssekretäre hat in ihrem der Innenministerkonferenz im Mai 2000 vorgelegten Bericht empfohlen, verstärkt Kleinstchartermaschinen und Sammelrückführungen bei Personen einzusetzen, die gewalttätigen Widerstand leisten. Diese Maßnahme habe sich bewährt, müsse jedoch aufgrund der hohen Kosten auf Einzelfälle beschränkt bleiben. Bei entsprechender Personenzahl seien deshalb Sammelrückführungen in größeren Kontingenten anzustreben.

Hierbei solle die Kooperation mit anderen EU-Mitgliedstaaten verstärkt werden.Einer Bereitstellung von Fluggerät und -personal der Bundeswehr stünden Bedenken des Bundes entgegen.

Dieser Empfehlung ist Hamburg bei der Rückführung von fünf Personen am 25. Juli 2000 per Charterflug gefolgt. Es handelte sich hierbei in zwei Fällen um Rückführungen, die in Amtshilfe für Niedersachsen durchgeführt wurden, und um drei Rückführungen in eigener Zuständigkeit. Bei den Betroffenen hatte es zuvor in einem Fall vier, in drei Fällen zwei und in einem Fall einen vergeblichen Abschiebungsversuch gegeben. Diese Versuche scheiterten jeweils am Widerstand der Betroffenen. In dem einen Fall hatte sich der Betroffene dabei bereits beim ersten Versuch so gewalttätig verhalten, daß davon auszugehen war, dass keine Luftfahrtgesellschaft ihn als zurückzuführenden Passagier auf einem Linienflug akzeptieren werde. Die beiden aus Niedersachsen kommenden Personen wurden nach Nigeria und Burkina Faso zurückgeführt. Der Burkiner war bereits in Hamburg in Abschiebehaft. Für den Nigerianer wurde dem Land Niedersachsen ein Rückführungsplatz zur Verfügung gestellt. Seine Zuführung erfolgte direkt aus Niedersachsen in den Zuständigkeitsbereich des Bundesgrenzschutzes (BGS). Die Rückführungen selbst erfolgten in der Verantwortlichkeit und unter der Einsatzleitung des BGS.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

Von welchen Fluggesellschaften wurden die Fünf nicht mitgenommen, weil sie sich gewehrt haben, in Herkunftsländer abgeschoben zu werden, in denen ihnen Gefahr droht?

Aus Sicherheitsgründen und um den Erfolg weiterer Rückführungen nicht zu beeinträchtigen, sieht der Senat von einer Benennung einzelner Fluggesellschaften im Zusammenhang mit Abschiebungen ab.

Haben sich die fünf Menschen am 25. Juli erneut gegen ihre Abschiebung gewehrt?

Nein.

Wieviel Gewalt, das heißt, welche genauen Maßnahmen körperlichen Zwangs, wurden von den „Sicherheitsbegleitern" im Auftrag der rotgrünen Landesregierung an den fünf Menschen vor und während der Abschiebung ausgeübt, um diese durchzuführen?

Die Betroffenen wurden in Handfesseln zum Flugzeug gebracht, diese blieben auch während der Rückführung angelegt. Die Sicherungsmaßnahmen bei Rückführungen per Flugzeug erfolgen auf Grundlage der seit dem 15. März 2000 geltenden „Bestimmungen über die Rückführung ausländischer Staatsangehöriger auf dem Luftweg ­ Best.-Rück Luft" auf Anordnung und in der Verantwortung des BGS.

Aus jeweils welchen Dienststellen, welchen Bereichen kamen die 15 Sicherheitsbegleiter?

Auf welche Weise wurden die 15 Sicherheitsbegleiter rekrutiert (dienstverpflichtet, freiwilliger Einsatz o.a.)?

Unter den insgesamt 15 Begleitpersonen befanden sich zwei Ärzte, von denen einer auf Honorarbasis beschäftigt wurde. Vom BGS wurden neun Sicherheitsbegleiter gestellt, zu deren dienstlichen Aufgaben auch die Begleitung derartiger Rückführungen gehört. Die fünf Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter des Einwohner-Zentralamtes, zu denen auch eine Ärztin gehörte, die als Begleitung an diesen Rückführungsmaßnahmen teilgenommen haben, taten dies freiwillig. Sie waren der Einsatzleitung des BGS unterstellt.

Welche zusätzliche Gratifikation, welches zusätzliche Entgelt wurde den 15 Sicherheitsbegleitern jeweils in welcher Höhe bezahlt?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Einwohner-Zentralamtes erhalten keinerlei zusätzliche Entgelte. Die Dienstreisen werden nach der Auslandsreisekostenverordnung (ARV) abgerechnet. Das für einen begleitenden Arzt vereinbarte Honorar betrug 1000 DM. Hinsichtlich der durch den BGS gestellten Sicherheitsbegleiter kann diese Frage nicht beantwortet werden.

Wurden auch private Sicherheitsdienste eingesetzt? Wenn ja, wie wurden diese ausgewählt und welche Kosten waren damit verbunden?

Nein.

Welche und wie viele weitere Personen waren in den Charterflugzeugen an den Abschiebungen beteiligt (Crewmitglieder, Mitarbeiter/innen der Ausländerbehörde o.a.)?

Trifft die Information zu, dass auch Ärzte mit an Bord waren? Wenn ja, war an beiden Flügen jeweils ein Arzt beteiligt?

Neben den Sicherheitsbegleitungen und je einem Arzt waren jeweils zwei Crewmitglieder an Bord der Chartermaschinen.

Was war jeweils die besondere Begründung für die ärztliche Begleitung?

Die ärztliche Begleitung wurde in einem Fall durch den BGS angeordnet, da ­ ohne dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung von dem Betroffenen vorgetragen wurde ­ der BGS bei einem vorangegangenen Abschiebungsversuch eine schlechte körperliche Gesamtverfassung feststellte.

Über die Hintergründe der ärztlichen Begleitung im zweiten Fall (Amtshilfe für Niedersachsen) ist bekannt, dass bei dem Betroffenen die Gefahr epileptischer Anfälle bestand. Die ärztliche Begleitung in diesem Fall wurde durch Niedersachsen veranlaßt.

Wurden vor oder während der Flüge Medikamente verabreicht? Wenn ja, welche, auf Grundlage welcher Diagnose, zu welchem Zweck?

Nein.

War einer der fünf Abgeschobenen a) krank, lagen b) ärztliche Begutachtungen über Krankheiten vor bzw. c) verletzte sich einer der fünf im Rahmen einer vorangegangenen Abschiebung selbst? Wenn ja, welcher Art war die Krankheit / die Verletzung?

a) und b): Nein.

c): Ein Nigerianer hatte sich bei einem früheren Abschiebungsversuch mit einer Rasierklinge leicht verletzt, bei einem weiteren Versuch riß er sich den Verband vom Körper, so dass die verletzungsbedingten Wunden aufbrachen. Im übrigen siehe Antwort zu 3.3.

Wie viele der fünf Abgeschobenen wurden jeweils wegen welcher Taten, gerichtlich zu jeweils welcher Strafe verurteilt?

Ein Betroffener wurde vom Amtsgericht Hamburg wegen illegaler Einreise und illegalem Aufenthalt zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Weiterhin liegt für diese Person eine Verurteilung des Amtsgerichts Hamburg zu einer Geldstrafe wegen Betrugs und Urkundenfälschung in fünf Fällen vor. In den übrigen Fällen sind keine Verurteilungen bekannt. Hinsichtlich der Amtshilfefälle für Niedersachsen liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.

Trifft die Information zu, dass alle fünf Betroffenen aus der Abschiebungshaft und nicht etwa aus der Strafhaft abgeschoben wurden?

Ja.

Trifft die Information zu, dass keiner der fünf Abgeschobenen zu einer Strafhaft verurteilt wurde?

Siehe Antwort zu 4.1.

Ist der Senat der Auffassung, dass es sich bei den von der Innenbehörde veröffentlichten Vorwürfen (Urkundenfälschung und Scheckkartenbetrug) gegenüber einzelnen Abgeschobenen um Anwürfe handelt, die die freiheitlich demokratische Grundordnung der BRD nachhaltig untergraben und die Innere Sicherheit Hamburgs in ihren Grundfesten erschüttern?

Bei der Abschiebung von Personen, die nicht oder nicht mehr zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt sind, geht es um die Durchsetzung vollziehbarer Ausreisepflichten nach Maßgabe des Ausländergesetzes.

Seit jeweils wie vielen Jahren lebten die fünf Menschen in Hamburg, welches waren ihre Herkunftsländer, und wie beurteilt der Senat die politische Situation dort?

Ein Burkiner lebte seit sechs Jahren, ein Togoer seit acht Jahren und ein Nigerianer seit fünf Jahren in Hamburg. Der in Amtshilfe abgeschobene Burkiner lebte seit sechs Jahren in Niedersachsen. Für die zweite in Amtshilfe abgeschobene Person kann diese Frage nicht beantwortet werden. Eine Abschiebestoppregelung für Togo, Nigeria und Burkina Faso besteht nicht. Im übrigen vgl. Antwort des Senats zu 5. zur Drucksache 16/3902.

Seit jeweils welchem Zeitpunkt befanden sich die fünf Menschen in Abschiebungshaft?

Die betroffenen Personen befanden sich seit dem 8. September 1999, 3. Januar 2000, 19. März 2000 sowie dem 21. Juni 2000 in Abschiebungshaft. Hinsichtlich der direkt aus Niedersachsen überführten Person kann diese Frage nicht beantwortet werden.

Welche Kosten in welcher genauen Höhe sind im Rahmen der Abschiebungen angefallen (bitte genau aufschlüsseln nach Personalkosten, Hotel- und Übernachtungskosten, zusätzlichen Gratifikationen o.ä., die fällig wurden, Charterkosten, Flughafengebühren usw.)?

Die Frage kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden, da eine endgültige Abrechnung noch nicht vorliegt.

Die reinen Flugkosten für die Chartermaßnahme nach Burkina Faso und Togo werden sich auf voraussichtlich 115 000 DM und für den Flug nach Nigeria auf voraussichtlich 83 500 DM belaufen.

Auf den Flughäfen welcher Städte landeten die Charterflieger in den jeweiligen Ländern (Burkina Faso, Togo, Nigeria?)?

Die Chartermaschinen landeten in Ouagadougou / Burkina Faso, Lome/Togo und Lagos/Nigeria.

Welche Absprachen wurden imVorfeld mit den Behörden der angeflogenen Städte getroffen?

Es wurde jeweils über die Deutsche Botschaft die Zustimmung der zuständigen Behörden eingeholt, die Rückführung der betroffenen Personen per Kleinstcharter durchzuführen.

Welche Geldsummen flossen bzw.fließen in welcher Höhe an welche behördliche/private Stelle in den angeflogenen Ländern (bitte genau aufschlüsseln, einschließlich Landegebühren auf den Flughäfen usw.)? Keine. Die Begleichung von Landegebühren liegt im Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft.

Bei welcher Fluggesellschaft hat der Senat die Flugzeuge (jeweils welchenTyps?) gechartert?

Aus Sicherheitsgründen und um den Erfolg weiterer Rückführungen nicht zu beeinträchtigen, sieht der Senat von einer Benennung einzelner Fluggesellschaften oder weiterer Details zum Flugzeugtyp im Zusammenhang mit Abschiebungen ab.

Welche vertraglichen Vereinbarungen wurden getroffen (unter anderem bezogen auf Sicherheit, Anzahl und Freiwilligkeit des Einsatzes von Mitgliedern der Crews usw.)? Vertragliche Vereinbarungen wurden nur hinsichtlich der flugtechnischen Durchführung der Chartermaßnahme getroffen.

Wurden bereits weitere Abschiebungen per Charter mit den Fluggesellschaften vereinbart?

Nein.

Haben in der Vergangenheit bereits Abschiebungen per Charterflügen stattgefunden?

Wenn ja, wann, in welche Länder, wie viele Menschen waren von der Abschiebung betroffen, welche Kosten entstanden für die Abschiebung, wie viele Sicherheitskräfte bzw.Ärzte waren aus welchen Gründen im Einsatz?

Am 31. Mai 2000 wurden drei gambische Staatsangehörige mittels Charterflug nach Banjul/Gambia abgeschoben. Aus Gründen der Flugsicherheit wurde die Rückführung von sieben Sicherheitsbegleitern durchgeführt. Die Charterkosten beliefen sich auf 108 000 DM.