Krankenpflege

Mit der Gutachtenerstellung wurde Frau Ellen Wittrich beauftragt. Der Senat hat in seiner Antwort vom 5. Mai 2000335 erklärt, dass Frau Wittrich eine ehemalige Mitarbeiterin der BAGS ist.

Der LBK führt zu dem Gutachtenauftrag eine Akte ohne Aktenzeichen, die den Titel „Organisationsgutachten Kinderkrankenpflegeschule Heidberg" trägt. Die Akte ist dem Ausschuss vorgelegt worden. Sie ist lückenhaft. Wesentliche Vorgänge, die für eine Beurteilung des Vergabeverfahrens unerlässlich sind, sind in der Akte nicht enthalten.

So ist aus der Akte des LBK nicht erkennbar, wie der Kontakt zwischen dem AK Heidberg und Frau Wittrich zustandegekommen ist. Genauso wenig ergeben sich aus der Akte Erkenntnisse darüber, wie Frau Wittrich ausgewählt worden ist. Es ist lediglich ein Schreiben von Herrn Wirth, dem Pflegedienstdirektor des AK Heidberg, vom 27. Mai 1994 in der Akte enthalten, in dem er sich bei Frau Ellen Wittrich für ihre Bereitschaft bedankt, ein Organisationsgutachten über die Kinderkrankenpflegeschule zu erstellen. In demselben Schreiben umreißt Herr Wirth die Anforderungen, die an das Gutachten zu stellen sind. Zugleich fordert er Frau Wittrich auf, ihre Honorarvorstellungen zu äußern. Bereits am 2. Juni 1994 kündigte Herr Wirth in einem Schreiben an die Lehrkräfte der Kinderkrankenpflegeschule an, dass Frau Wittrich das Organisationsgutachten erstellen werde.

Frau Wittrich antwortete allerdings erst am 21. Juni 1994. In diesem Schreiben erklärte sie sich bereit, die Erstellung des Gutachtens zu übernehmen, und kündigte an, bei voraussichtlich 30 bis 40 Arbeitsstunden einen Stundenlohn von 80 DM in Rechnung zu stellen. Das Antwortschreiben von Frau Wittrich vom 21. Juni 1994 ist ausweislich des Eingangsstempels des AK Heidberg am 5. September 1994 dort eingegangen.

Die Akte des LBK enthält keinen schriftlichen Vertrag mit Frau Wittrich über die Durchführung des Gutachtens und über die Auftragsmodalitäten.

Auf Anfrage von Herrn Wirth vom 9. August 1994338 übersandte Frau Wittrich dem AK Heidberg am 30. August 1994 eine siebenseitige Sachstandsmitteilung, die als „IstAnalyse" überschrieben war und über mehrere Seiten hinweg aus bloßen StichwortAufzählungen und Gliederungspunkten bestand3. Diese „Ist-Analyse" wurde am 26. September 1994 durch ein einzelnes Blatt Papier mit insgesamt acht Zeilen ergänzt, dessen Inhalt im wesentlichen aus Spiegelstrich-Aufzählungen bestand3. Zugleich wurde das Organisationsgutachten überreicht, welches eine zweiseitige, inhaltlich ungeordnete „Schwachstellen-Analyse mit kritischer Würdigung" enthielt sowie auf drei weiteren Seiten u.a. Vorschläge zum Unterricht und zu Leitungs- und Personalstrukturen machte. Am 1. November 1994 stellte Frau Wittrich für das Gutachten einen Be334

Akte des LBK Organisationsgutachten Kinderkrankenpflegeschule Heidberg (ohne Az.), S.68; Situationsbeschreibung von Herrn Wirth (Pflegedienstdirektor).

Akte des PUA, Az.: 1-703-2, Antwort des Senats vom 5. Mai 2000.

Akte des LBK Organisationsgutachten Kinderkrankenpflegeschule Heidberg (ohne Az), S. 10.

Akte des LBK Organisationsgutachten Kinderkrankenpflegeschule Heidberg (ohne Az), S. 15.

Akte des LBK Organisationsgutachten Kinderkrankenpflegeschule Heidberg (ohne Az), S. 18.

Akte des LBK Organisationsgutachten Kinderkrankenpflegeschule Heidberg (ohne Az), S. 20 ff.

Akte des LBK Organisationsgutachten Kinderkrankenpflegeschule Heidberg (ohne Az), S. 42.

Akte des LBK Organisationsgutachten Kinderkrankenpflegeschule Heidberg (ohne Az), S. 43 ff. trag von insgesamt 3.400 DM in Rechnung, der am 22. Dezember 1994 an sie ausgezahlt wurde.

Aufgrund der vorgelegten lückenhaften Akte kann der Ausschuss nicht erkennen, ob ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchgeführt worden ist. Es sind keinerlei Hinweise dafür in der Akte enthalten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, ob die Notwendigkeit einer externen Auftragsvergabe geprüft wurde und ob Vergleichsangebote anderer Anbieter eingeholt wurden. Dies ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil es sich bei der Auftragnehmerin um eine (ehemalige) Mitarbeiterin der BAGS handelt.

Angesichts der fehlenden Unterlagen kann der Verdacht einer auf sachwidrigen Erwägungen gestützten Entscheidung zugunsten von Frau Wittrich nicht ausgeschlossen werden.

Zeit ab November 1997

Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen

Mit Wirkung zum 1. November 1997 trat bundesweit die VOF in Kraft. Bei ihr handelt es sich um eine Rechtsnorm, mit der die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der EG-Dienstleistungsrichtlinie von 1992 in nationales Recht nachgekommen ist. Ihr Anwendungsbereich und ihr Regelungsgehalt entspricht weitgehend dem der EG-Dienstleistungsrichtlinie. Diese Änderung hatte auf die Gutachten während des Untersuchungszeitraums praktisch keine Auswirkungen mehr.

Die VOF ist anzuwenden, wenn der Gegenstand des Auftrags zu den in Anhang I A oder I B enthaltenen Leistungen gehört und der Auftragswert den Schwellenwert von 200.000 EURO übersteigt.

Dienstvorschriften

Der Senat teilte dem Ausschuss mit, die BAGS habe auf das Inkrafttreten der VOF reagiert, indem sie die Dienstvorschrift zum Verfahren bei Forschungsaufträgen zum 31. Januar 1998 entsprechend geändert habe (dazu Ziffer 2.9.1.).

Einzelfälle

Dem Ausschuss liegen keine Gutachten vor, die in der Zeit nach November 1997 vergeben und noch innerhalb des Untersuchungszeitraums abgeschlossen worden sind.

Eine Darstellung von Einzelfällen für den vorgenannten Zeitraum ist dem Ausschuss daher nicht möglich.

Akte des LBK Organisationsgutachten Kinderkrankenpflegeschule Heidberg (ohne Az), S. 52.

Akte des LBK Organisationsgutachten Kinderkrankenpflegeschule Heidberg (ohne Az), S. 74.

Akte des PUA, Az.: 1-703-2, Antwort des Senats vom 5. Mai 2000.

4. Bewertung

Der Ausschuss hat die Auftrags- und Gutachtenvergabe in der BAGS exemplarisch anhand einzelner Gutachtenaufträge untersucht, die von der BAGS und dem LBK innerhalb mehrerer Jahre vergeben worden sind.

Der Ausschuss stellt als Ergebnis seiner Untersuchungen fest, dass die Gutachtenvergabe in der BAGS im Untersuchungszeitraum mit erheblichen Mängeln behaftet war.

Keines der vom Ausschuss untersuchten Vergabeverfahren war fehlerfrei. Vielmehr war jedes Verfahren mit mindestens einem, überwiegend aber mit mehreren Fehlern behaftet. In vielen Fällen war ein leichtfertiger Umgang mit rechtlichen Vorschriften festzustellen. Vor diesem Hintergrund kann der Ausschuss nicht ausschließen, dass der Freien und Hansestadt Hamburg durch die Nichtbeachtung bzw. die fehlerhafte Umsetzung des Vergaberechts ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass nach Aktenlage Vergabeentscheidungen darüber hinaus in mehreren Fällen aus rein persönlichen Aspekten getroffen worden sein könnten und dabei möglicherweise auch strafrechtliche Vorschriften verletzt worden sind.

Fehlerhafte Wahl der Vergabeart

Der Ausschuss stellte in jedem der von ihm untersuchten Gutachtenaufträge Fehler bei der Wahl der Vergabeart fest.

Die Qualität der festgestellten Fehler

Wie bereits unter Ziffer 2 dargestellt, differenziert die Beschaffungsordnung (BO) zwischen verschiedenen Vergabearten, deren Anwendbarkeit sich in Abhängigkeit vom Auftragswert beurteilt. Bei allen Vergabearten ist grundsätzlich die Einholung von Vergleichsangeboten erforderlich; die Vergabearten unterscheiden sich aber unter anderem durch die Methoden, mit denen die Vergleichsangebote einzuholen sind3.

Diese Grundsätze sind in den untersuchten Fällen von der BAGS bzw. vom LBK missachtet worden. Die vom Ausschuss festgestellten Verfahrensfehler reichen von einer bloßen Falschanwendung der Vergaberegeln bis hin zu ihrer vollständigen Außerachtlassung.

· Soweit die BAGS bei einzelnen Gutachtenaufträgen tatsächlich Vergleichsangebote eingeholt hat, wurden regelmässig solche Vergabeverfahren gewählt, die nicht den rechtlichen Vorgaben entsprachen. Herauszuheben sind insoweit zwei Gutachtenaufträge mit einem Auftragsvolumen von jeweils mehr als 100.000 DM, nämlich die „Betriebswirtschaftliche Untersuchung von Sozialstationen" und das Projekt „Wohn- und Lebenssituation älterer ausländischer Hamburgerinnen und Hamburger"3. Anstelle der hier grundsätzlich gebotenen Öffentlichen Ausschreibung hat die BAGS lediglich ein Verfahren durchgeführt, das einer förmlichen Freihändigen Vergabe entsprach, denn hier wurden Vergleichsangebote nur von einem be345

Vgl. die Darstellung in Ziffer 2.6.

Dazu Ziffer 3.2.2.

Dazu Ziffer 3.5.2.2.