Arbeitszeit von Ärztinnen und Ärzten im Krankenhaus

Das Arbeitszeitgesetz schreibt vor, dass die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten darf. Eine Verlängerung auf bis zu zehn Stunden ist nur dann zulässig, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Der Europäische Gerichtshof entschied mit Urteil vom 3. Oktober 2000, dass die gesamte Zeit des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit zu werten ist.

Die Ärztekammer Hamburg und der Marburger Bund berichten übereinstimmend, dass diese Vorgaben nicht eingehalten werden, und fordern, Arzt oder Ärztin nach einer normalen Arbeitszeit nicht mehr zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen, und umgekehrt nach einem Bereitschaftsdienst keine Heranziehung zur normalen Arbeit.

Am 14. Dezember hat der Deutsche Bundestag das Fallpauschalengesetz beschlossen (Bundestagsdrucksache 14/6893). Dies schafft die Voraussetzungen zum Abbau der Belastungen des Krankenhauspersonals mit Bereitschaftsdiensten und Überstunden durch eine Neuordnung der Arbeitszeitgestaltung. Dazu werden den Krankenhäusern im Jahr 2003 zweckgebunden 100 Millionen E zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2004 weitere 100 Millionen E, soweit sie in den Krankenhäusern erwirtschaftet werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

1. Für welche Krankenhäuser gelten die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes unmittelbar und bei welchen Krankenhäusern kann aufgrund eines Tarifvertrages davon abgewichen werden?

Grundsätzlich gelten die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes für alle Krankenhäuser.

Für die tarifgebundenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. Krankenhäuser setzen jedoch Tarifverträge als Tarifnormen verschiedene vom Arbeitszeitgesetz zugelassene abweichende Arbeitsbedingungen fest, wie z. B. BAT (insbesondere die SR 2c zum BAT) oder AVR (Richtlinien für Arbeitsverträge in Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes oder der Diakonie).

2. Welche Erkenntnisse hat der Senat bezüglich der Einhaltung der gesetzlichen sowie tariflichen Vorschriften zur Arbeitszeit in den hamburgischen Krankenhäusern? Bitte differenziert nach LBK und weiteren Trägern angeben.

Das Arbeitszeitgesetz ist in den Hamburger Krankenhäusern weitgehend umgesetzt.

Im Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) Hamburg ist das Arbeitzeitgesetz umgesetzt. Es ist genügend ärztliches Personal vorhanden, um alle Dienste entsprechend dem geltenden Tarifrecht zu besetzen.

Allerdings beschäftigt sich der LBK Hamburg im Rahmen seines Projektes PANDA mit der Frage, ob Bereitschaftsdienste abgelöst werden können, um verlässliche Arbeitszeiten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schaffen und den Patienten eine optimale Versorgung mit gesicherter Qualität anzubieten. Im Rahmen dieses Projektes werden derzeit auch organisatorische und strukturelle Maßnahmen bis hin zu möglichem Personalbedarf entwickelt und geprüft, um die Bereitschaftsdienste abzulösen.

Sowohl in den Häusern des LBK, den freien und gemeinnützigen sowie den privaten Krankenhäusern als auch in den Kliniken des UKE hat es in den letzten Jahren eine kontinuierliche Verbesserung des Arbeitszeitschutzes gegeben.

Lediglich in einigen sehr arbeitsintensiven Bereichen mit gleichzeitig geringem Personal wurden in den letzten Jahren Verstöße gegen die Vorgaben des festgestellt.

3. Teilt der Senat die Einschätzung der Ärztekammer Hamburg, dass in 40 Prozent das Arbeitszeitgesetz nicht eingehalten wird? Wenn ja, um welche Verstöße handelt es sich dabei?

Der Senat sieht in ständiger Praxis davon ab, zu öffentlichen Äußerungen Dritter Stellung zu nehmen.

4. Wie werden die Arbeitszeiten in den Krankenhäusern generell erfasst?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Hamburger Krankenhäusern dokumentieren ihre Arbeitszeit weitgehend durch Stundennachweise und über die Dienst- und Einsatzpläne.

5. Wurden in den letzten zwei Jahren Kontrollen hinsichtlich der Arbeitszeit durchgeführt?

Ja.

5. a) Wenn ja, durch wen und mit welchen Ergebnissen?

b) Wenn nein, warum nicht?

In Hamburg ist die Behörde für Umwelt und Gesundheit, Amt für Arbeitsschutz, für die Überwachung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes in den Krankenhäusern zuständig.

Das Amt für Arbeitsschutz führt seit In-Kraft-Treten des Arbeitszeitgesetzes regelmäßig stichprobenartige und anlassbezogene Arbeitszeitkontrollen in allen Hamburger Krankenhäusern durch.

Diese haben dazu geführt, dass sich die Arbeitszeitbedingungen in den Hamburger Krankenhäusern kontinuierlich verbessert haben. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz bzw. die entsprechenden Tarifverträge werden auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen nur noch vereinzelt festgestellt.

5. c) Welche Unterlagen wurden für die Kontrollen herangezogen?

In der Regel werden die Arbeitszeitnachweise aller in einem Bereich beschäftigten Ärzte mit den entsprechenden Regeldienstplänen und Bereitschafts-/Rufbereitschaftsdienstplänen über einen Zeitraum von mehreren Monaten abgeglichen und ausgewertet. Darüber hinaus werden Unterlagen interner Kontrollen, z. B. durch die Innenrevision, ausgewertet.

5. d) Wurden Ärzte direkt befragt?

Ja. Befragungen betroffener Ärzte fanden anlassbezogen bei Beschwerden statt.

5. e) Wurden Differenzen zwischen dokumentierter und tatsächlicher Arbeitszeit festgestellt?

f) Wie sind Differenzen ggf. zu erklären?

Diskrepanzen zwischen dokumentierter und tatsächlicher Arbeitszeit wurden bei der Kontrolle von Arbeitszeitnachweisen grundsätzlich nicht vorgefunden.

Lediglich in Einzelfällen gab es Hinweise auf Diskrepanzen zwischen dokumentierter und tatsächlicher Arbeitszeit, deren Ursachen so weit wie möglich, jedoch nur auf den jeweiligen Einzelfall bezogen, analysiert werden können. Aus Gründen der Anonymität der Beschwerdeführer und aus datenschutzrechtlichen Gründen werden solche Differenzen nicht systematisch weiterverfolgt.

6. Welche Maßnahmen werden ergriffen, wenn das Arbeitszeitgesetz nicht eingehalten wird:

a) seitens der Krankenhausleitung?

b) seitens der Abteilungsleitung sowie Chefärztinnen und Chefärzte?

c) seitens der betroffenen Ärztinnen und Ärzte?

Die einzelnen Betriebe des LBK Hamburg haben Dienstvereinbarungen über die Arbeitszeitgestaltung abgeschlossen, nach denen die jeweiligen Dienstpläne gestaltet werden. So wird sichergestellt, dass das Arbeitszeitgesetz eingehalten wird. Alle organisatorischen Veränderungen werden von den Krankenhausleitungen in Zusammenarbeit mit den zuständigen Personalvertretungen auf die Vereinbarkeit mit dem Arbeitszeitgesetz geprüft. Maßnahmen der Krankenhausleitung, der leitenden Krankenhausärzte sowie der betroffenen Ärztinnen und Ärzte zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes sind somit nicht erforderlich. Im Bereich des UKE werden erkannte Mängel beispielsweise durch Flexibilisierung der Arbeitszeit und damit Entzerrung der Arbeitsbelastung, Umwandlung von unständigen Bezügen in Stellen und Entlastung der Ärzte von nichtärztlichen Tätigen durch Übertragung auf andere Bereiche bzw. Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, behoben.

Zur Situation anderer Krankenhäuser erbrachte eine Nachfrage bei der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft keine weiterführenden Erkenntnisse.

7. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Ableistung, Dokumentation und Bezahlung von Überstunden in Krankenhäusern?

a) In wie vielen Fällen (Stundenzahl angeben) wurde seitens der Arbeitnehmer/innen/Arbeitgeber die Dokumentation und Anmeldung von Überstunden verweigert? Welche Folgen hatte die Verweigerung?

b) In wie vielen Fällen wurde seitens der Krankenhausleitung der Freizeitausgleich oder die Bezahlung von Überstunden verweigert? Welche Folgen hatte die Verweigerung?

Es sind derzeit keine Verweigerungen bekannt. Überstunden werden im LBK gemäß dem MTV vorher schriftlich bzw. vom unmittelbaren Vorgesetzten angeordnet. Diese angeordneten Überstunden werden grundsätzlich durch entsprechende Freizeit ausgeglichen, wobei dieser Freizeitausgleich spätestens bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ableistung der Überstunden erfolgt. Eine Vergütung von Überstunden erfolgt bis auf wenige Einzelfälle, z. B. wenn ein Freizeitausgleich situationsbedingt nicht möglich ist, nicht.

Hinsichtlich der Erkenntnisse zu anderen Krankenhäusern siehe Antwort zu 6. a) bis c).

7. c) Wie beurteilt der Senat die Erbringung von wissenschaftlichen Leistungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen und Assistent/innen unter arbeitszeitrechtlichen Gesichtspunkten?

Die Erbringung von wissenschaftlichen Leistungen durch wissenschaftliche Mitarbeiter und Assistenten ist grundsätzlich im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes zulässig.

Das Arbeitszeitgesetz enthält hierzu in § 14 Absatz 2 Nummer 2 für den Bereich der wissenschaftlichen Arbeiten im Rahmen von Forschung und Lehre eine weitreichende Ausnahmemöglichkeit. Danach darf der Arbeitgeber in eigener Verantwortung von den Bestimmungen zur täglichen Arbeitszeit, zur Ruhepause bzw. Ruhezeit abweichen, wenn ihm keine anderen Vorkehrungen zugemutet werden können, ohne dass im Gesetz selber eine Obergrenze festgelegt wird.

8. Welche haftungsrechtlichen Folgen ergeben sich, wenn Ärztinnen und Ärzten aufgrund von Überarbeitung und Übermüdung Behandlungsfehler unterlaufen:

a) für die betroffenen Ärztinnen und Ärzte?

b) für die leitenden Ärztinnen und Ärzte?

c) für die Krankenhausleitung?

Das Arbeitszeitgesetz zielt primär auf den Schutz der Beschäftigten. Die Nichtbeachtung von Arbeitnehmerschutzvorschriften wird öffentlich-rechtlich geahndet.

Haftungsrechtliche Konsequenzen im Zusammenhang mit der Nichtbeachtung von Arbeitszeitvorschriften können sich dann ergeben, wenn im Einzelfall die schuldhafte Schädigung des Patienten durch die Missachtung der Arbeitszeitbestimmungen begründet ist. Grundsätzlich können sich haftungsrechtliche Konsequenzen sowohl für die betroffenen als auch für die leitenden Ärzte und bei einem Organisationsverschulden auch für den Träger ergeben. In der Rechtsprechung gibt es hierzu eine umfangreiche Kasuistik, sodass sich konkrete rechtliche Bewertungen nur im jeweiligen Einzelfall vornehmen lassen.

Unabhängig vom Entstehungsgrund des Behandlungsfehlers sind beispielsweise beim LBK sämtliche Ärztinnen und Ärzte, also auch die leitenden Krankenhausärztinnen und -ärzte und die Krankenhausleitungen gegen haftungsrechtliche Ansprüche über den Internen Versicherungsfonds (IVF) des LBK Hamburg haftungsrechtlich vollumfänglich abgesichert, soweit sie sich aus deren dienstlicher Tätigkeit im LBK Hamburg ergeben. Ausgenommen sind vorsätzlich verursachte Fehler.

Eine Inregressnahme erfolgt in den Fällen der fahrlässigen Verursachung (unabhängig vom Verschuldensmaßstab leicht bis grob fahrlässig) nicht.

9. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Arbeitsverträge des ärztlichen Personals, differenziert nach Krankenhäusern des LBK und solchen in anderer Trägerschaft?

a) Wie hoch ist jeweils der Anteil der befristeten Arbeitsverträge?

b) Wie viele Verträge von welcher Dauer wurden im Jahre 2001 mit den jeweiligen Krankenhausträgern abgeschlossen?

In Universitätsklinika ist die befristete Beschäftigung die Regelbeschäftigung für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Aufgaben in Forschung und Lehre betraut sind. Im UKE wurden z. B. in 2001 von 262 geschlossenen Arbeitsverträgen im wissenschaftlichen Bereich 98,6 Prozent befristet und 1,4 Prozent unbefristet abgeschlossen.

Im LBK Hamburg sind insgesamt zurzeit 195 Ärztinnen und Ärzte befristet beschäftigt. Eine Differenzierung nach Dauer der Verträge ist nicht möglich.