Steuer

Im ersten Kapitel wird zunächst dargestellt, von welcher Definition des Mittelstandes der vorliegende Bericht ausgeht und auf welchen statistischen Grundlagen er basiert. Anschließend wird die Bedeutung des Mittelstandes für die Thüringer I

Die Stellung des Mittelstandes in der Thüringer Wirtschaft Tabelle I-1

Die deutsche Mittelstandsdefinition Mittelstandsabgrenzung Merkmal Zahl der Umsatz in Beschäftigten DM/Jahr Mittelstand (= KMU) Kleine Unternehmen Mittlere Unternehmen 10­499 1 Großunternehmen 500 100 Mio. und mehr Kriterium 1 Kriterium 2 Kriterium 3

Beschäftigtenzahl Jahresumsatz oder Konzernunabhängigkeit Bilanzsumme KMU Als unabhängig gelten Unternehmen, Kleine Unternehmen Große Unternehmen 250 Beschäftigte 50 Mio. Jahresumsatz und 27 Mio. Bilanzsumme Quelle: Amtsblatt der EU L 197 vom 30.4.96, S. 4­7. schaft dargestellt und ausgeführt, welche Unterschiede bezüglich der Stellung des Mittelstandes zwischen der Thüringer Wirtschaft und der Wirtschaft der alten Länder und der anderen neuen Länder zu verzeichnen sind.

Tabelle I-2

Die europäische Mittelstandsdefinition

1. Definition und statistische Erfassung des Mittelstandes DEUTSCHE DEFINITION DES MITTELSTANDES

Im vorliegenden Bericht wird unter dem Mittelstand die Gesamtheit aller mittleren und kleinen Unternehmen (KMU) verstanden, einschließlich derer, die keine Arbeitnehmer beschäftigen. Der Ausdruck mittelständische Unternehmen wird entsprechend als Synonym für kleine und mittlere Unternehmen behandelt. Den Gegenpart zu den mittelständischen Unternehmen bilden die großen Unternehmen. Die Abgrenzung von mittelständischen und großen Unternehmen folgt im vorliegenden Bericht der in Wissenschaft und Wirtschaftspolitik in Deutschland üblichen Praxis. Als mittelständisch werden alle Unternehmen definiert, die weniger als 500 Beschäftigte haben. Diesem Schlüsselkriterium zur praktischen Abgrenzung des Mittelstandes wird häufig noch ein ergänzendes Umsatzkriterium hinzugefügt. Danach gelten als mittelständisch alle Unternehmen, die weniger als 100 Mio. DM Umsatz aufweisen (vgl. Tabelle I-1). Die Abgrenzung des Mittelstandes nach dem Beschäftigungs- und Umsatzkriterium führt auf volkswirtschaftlicher Ebene im wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen, auf sektoraler Ebene können sich allerdings erhebliche Unterschiede ergeben. EUROPÄISCHE MITTELSTANDSDEFINITION

Neben der deutschen Definition gewinnt eine europäische Definition (vgl. Tabelle I-2) wachsende Bedeutung für die Thüringer Mittelstandspolitik, welche in Programmen, die durch die EU kofinanziert werden, über die Zurechenbarkeit eines Unternehmens zu den kleinen und mittleren Unternehmen entscheidet. Die europäische Definition setzt mit Blick auf die Unternehmensstrukturen der südeuropäischen Länder und der kleinen EU-Mitgliedsländer die Abgrenzungsschwelle für die Unterscheidung von KMU und Großunternehmen bedeutend niedriger an als die deutsche.

Nach der Definition der EU müssen Unternehmen zugleich drei Kriterien genügen, um den KMU zugerechnet zu werden:

Der vorliegende Bericht stützt sich vornehmlich auf Statistiken des Thüringer Landesamtes für Statistik (TLS). Zu Vergleichszwecken werden auch Daten des Statistischen Bundesamtes und der anderen Statistischen Landesämter herangezogen.

Daten wissenschaftlicher Erhebungen (IAB-Betriebspanel, Thüringen-Panel des Verarbeitenden Gewerbes, Erhebungen der Forschungsagentur Berlin der Bundesanstalt für Arbeit, der Handwerkskammern und der Industrie- und Handelskammern sowie von Wirtschaftsverbänden ergänzen das Bild. Die statistische Erfassung des Mittelstandes setzt einen nach Unternehmensgrößenklassen differenzierten Ausweis der Wirtschaftsstatistiken voraus, der nicht für alle Wirtschaftsbereiche gleichermaßen verfügbar ist. Grenzen der statistischen Darstellungsmöglichkeiten sind nicht nur im Mangel einschlägiger Statistiken für bestimmte Wirtschaftsbereiche (insbesondere Dienstleistungen) begründet, sondern auch in den geltenden Datenschutzregelungen. Diese verbieten eine Veröffentlichung von Daten, wenn ­ bei geringen Fallzahlen ­ Rückrechnungen auf einzelne Wirtschaftssubjekte möglich sind. Die von der europäischen Definition geforderte Konzernunabhängigkeit der KMU wird in der deutschen Statistik nicht dokumentiert. Um den zu erfassenden Berichtszeitraum datenseitig für das Jahr 2000 zu vervollständigen, ergänzt der Anhang Daten zum Verarbeitenden, Bauhaupt- und Ausbaugewerbe. Diese Erfassung steht den Schlußfolgerungen des Berichtes nicht entgegen und wird daher an den betreffenden Kapiteln nicht gesondert erwähnt.

UNTERNEHMEN ­ BETRIEBE

Die mittelständische Struktur einer Volkswirtschaft ist nicht nur an Unternehmen festzumachen, sondern auch an Betrieben.

Unternehmen sind rechtlich selbständige organisatorische Einheiten, die jeweils einen oder mehrere Betriebe umfassen können. Die meisten KMU sind einbetriebliche Unternehmen, einige größere mittelständische Unternehmen umfassen jedoch auch zwei oder sogar mehrere Betriebe. Da in vielen Bereichen der amtlichen Statistik Betriebe ausgewiesen werden und nicht Unternehmen, ist es zweckmäßig, den Mittelstand von Fall zu Fall auf Basis von Unternehmen oder von Betrieben abzugrenzen. Dabei ist das für die Thüringer Unternehmen gewählte wichtigste quantitative Kriterium (Beschäftigten ist nämlich Bestandteil sehr großer mehrbetrieblicher Unternehmen, deren Hauptsitz in vielen Fällen nicht in Thüringen liegt.

MITTELSTÄNDISCHE PRÄGUNG ALS CHANCE UND HERAUSFORDERUNG

Die Thüringer Wirtschaft stellt sich 10 Jahre nach der Wiedervereinigung als stark mittelständisch und mittelbetrieblich geprägt dar. Hierin liegt zugleich eine Stärke und eine Schwäche der Wirtschaft des Freistaates: Es haben sich neue, entwicklungsfähige wirtschaftliche Strukturen herausgebildet und dabei sind viele Unternehmen neu entstanden, die Träger künftiger Wirtschaftsdynamik sein können. Zugleich haben sich großbetriebliche Strukturen zurückgebildet, die nicht mehr wirtschaftlich lebensfähig waren. Die Rückbildung der Großbetriebe hat Lücken hinterlassen, welche die entstandenen KMU nicht ohne weiteres füllen können. Die wichtigsten Anstöße für die Entwicklung der mittelständischen Wirtschaft gehen auf die frühen neunziger Jahre zurück, als im Zuge des Gründungsbooms zahlreiche neue Unternehmen entstanden, die den heutigen Unternehmensbestand stark prägen. Zugleich sind aus der Reprivatisierung und Privatisierung ehemaliger VEB sowie der Transformation von Produktionsgenossenschaften zahlreiche mittelständische Unternehmen hervorgegangen. Ein kleiner Teil der heutigen KMU hat schon vor der Wende bestanden und die Herausforderungen des wirtschaftlichen Umbruchs erfolgreich bewältigt.

2. Ein Kurzporträt des Thüringer Mittelstandes INDIKATOREN FÜR DIE ROLLE DER KMU

Die Stellung des Mittelstandes in der Thüringer Wirtschaft soll an folgenden Kriterien veranschaulicht und erörtert werden:

· dem Anteil der KMU am Unternehmensbestand

· dem Beitrag der KMU zur Produktion und Beschäftigung,

· der Unternehmensgrößenstruktur,

· der Betriebsgrößenstruktur sowie

· der Selbständigenquote.

KMU UND UNTERNEHMENSBESTAND Informationen zum Unternehmensbestand sind aus der Umsatzsteuerstatistik und der auf dem Mikrozensus fußenden Erwerbstätigenstatistik abzuleiten. Die Umsatzsteuerstatistik erfasst alle steuerpflichtigen Unternehmen und vermittelt verlässliche Einblicke in den Unternehmensbestand. Die Erwerbstätigenstatistik (Mikrozensus) informiert über die Zahl der Selbständigen. Da im allgemeinen jedem Unternehmen zumindest ein Selbständiger zuzuordnen ist, sind direkte Schlüsse aus dieser Statistik auf den Unternehmensbestand möglich, obwohl dessen Erfassung nicht Aufgabe des Mikrozensus ist.

Übersicht I-1

Die Position der kleinen und mittleren Unternehmen im internationalen Vergleich Betriebs- und Unternehmensgrößenstrukturen unterscheiden sich nicht nur stark zwischen den Wirtschaftszweigen einer Volkswirtschaft, sondern weisen auch erhebliche Differenzen unter den entwickelten Volkswirtschaften auf. In solchen Wirtschaftsbereichen, in denen positive Skalen- und Verbundeffekte in Produktion, Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Vertrieb eine entscheidende Rolle spielen, dominieren die großen Unternehmen. In Bereichen hingegen, in welchen Skalen- und Verbundeffekte nur eine geringe Rolle spielen und die mindestoptimalen Betriebsgrößen niedrig sind, beherrschen die kleinen und mittleren Unternehmen die Szene. Es wäre allerdings verfehlt, Betriebs- und Unternehmensgrößenstrukturen allein auf technologische Gegebenheiten zurückführen zu wollen. Gegen einen solchen technologischen Determinismus sprechen die durch technologische Faktoren nicht erklärbaren Unterschiede der Unternehmensgrößenstrukturen in den gleichen Branchen verschiedener entwickelter Volkswirtschaften. Hier macht sich der Einfluss institutioneller Faktoren auf die Marktprozesse (z.B. Wettbewerbspolitik, Verbandsstrukturen, Sozialstruktur und der Faktor Vertrauen) und einmal eingeschlagener sektoraler Entwicklungspfade bemerkbar.

Als Faustregel ist festzuhalten, dass in den entwickelten Ländern ­ den OECD-Staaten ­ über 98 % aller Unternehmen den kleinen und mittleren Unternehmen zuzurechnen sind. Der Unternehmensbestand wird also stets durch KMU dominiert und die Verhältnisse zwischen den entwickelten Volkswirtschaften unterscheiden sich hierin kaum. Unterschiedliche Angaben zum Anteil der KMU am Unternehmensbestand aus verschiedenen Ländern erklären sich entweder daraus, dass unterschiedliche KMU-Abgrenzungen verwandt wurden, oder daraus, dass bestimmte Kleinstunternehmen und im Nebenerwerb betriebene Unternehmen in einem Fall zum Unternehmensbestand gerechnet wurden und im anderen nicht.

Während bezüglich des Anteils der kleinen und mittleren Unternehmen am Unternehmensbestand keine gravierenden Unterschiede zwischen den entwickelten Volkswirtschaften zu verzeichnen sind, differieren die Beiträge der KMU zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und zur Beschäftigung zwischen den OECD-Ländern stark. Die Spannweite des KMU-Beitrages liegt hier jeweils zwischen 55 % und 80 %.

Im allgemeinen trifft zu, dass in ­ im Hinblick auf Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft ­ großen Volkswirtschaften die großbetriebliche Komponente stärker ausgeprägt ist, in kleinen Volkswirtschaften hingegen eher die kleinbetriebliche. Dies ist eine Folge der jeweiligen Größe des Binnenmarktes, der die stärkere oder schwächere Nutzung technischer und organisatorischer Skaleneffekte erlaubt. So ist die amerikanische, die deutsche und die britische Volkswirtschaft traditionell relativ stark großbetrieblich strukturiert, während z. B. in der dänischen, der niederländischen oder der schweizerischen Volkswirtschaft die KMU in stärkerem Maße zur volkswirtschaftlichen Produktion und Beschäftigung beitragen. Dies ändert freilich nichts an der großen Bedeutung des Mittelstandes für das Wettbewerbsgeschehen, die Innovationstätigkeit und wirtschaftliche Dynamik der deutschen Wirtschaft.

In der Wirtschaft der neuen Länder hat sich nach 1990 eine Dominanz klein- und mittelbetrieblicher Strukturen herausgebildet, die stark von den Größenstrukturen der westdeutschen Wirtschaft abweicht. Es ist damit zu rechnen, aber auch aus volkswirtschaftlicher Sicht wünschenswert, dass im Zuge des wirtschaftlichen Aufbaus in den neuen Ländern auf längere Sicht das großbetriebliche Element wieder stärker an Gewicht gewinnt. Hierbei könnten nicht zuletzt schnell wachsende KMU eine wesentliche Rolle spielen.