Auswirkungen geologisch bedingter Radonbelastungen in Thüringen

Im August haben verschiedene regionale Thüringer Zeitungen berichtet, dass sowohl der Thüringer Wald als auch die ehemalige Wismutregion in Ostthüringen zu den belasteten Radongebieten aufgrund natürlicher Gegebenheiten durch den Gebirgsaufbau zählen. Die Landesregierung habe zudem die Daten der Öffentlichkeit vorenthalten. Darüber hinaus wurde berichtet, dass die Bundesregierung gesetzlich verbindliche Grenzen vorbereite, die zu einem Sanierungsaufwand in Milliardenhöhe führen könnte.

Ich frage die Landesregierung:

1. Gibt es Untersuchungen zur Belastung durch natürliche Radioaktivität durch Radon in Thüringen?

2. Wenn ja, wann und wie wurden diese Daten veröffentlicht?

3. Gibt es gesetzlich verbindliche Vorgaben für Messungen und Grenzwerte für Radon?

4. Wenn ja, wurden Grenzwerte in Thüringen überschritten?

5. Welche Empfehlungs- und Richtwerte gibt es für den Arbeitsplatz und den Privatbereich?

6. Welche Personengruppen (Arbeitsplätze, Privatwohnungen, öffentliche Einrichtungen) sind besonders von hohen Radonkonzentrationen betroffen?

7. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Lungenkrebsrisiko und Radonbelastung? Welche epidemiologische und theoretische Studien liegen dazu vor?

8. Gibt es Radon-Belastungswerte, unterhalb derer praktisch keine Gefahren zu befürchten sind?

9. Welche Empfehlungs- und Grenzwerte hält die Landesregierung für angemessen, um vorsorgliche Radonschutzmaßnahmen und Sanierungen zur Gefahrenabwehr in privaten und öffentlichen Gebäuden anzuregen bzw. durchzusetzen?

10. In welcher rechtlich verbindlichen Form (Strahlenschutzvorsorgegesetz/Strahlenschutzverordnung/Bauoder Mietrecht) sollten diese Neuregelungen erfolgen?

11. Gibt es neben dem Bund auch Länderzuständigkeiten?

12. Welche technischen und organisatorischen Maßnahmen können zur Begrenzung der Radonbelastung im Altbaubestand und für Neubauten ergriffen werden?

13. Mit welchen finanziellen Aufwendungen ist zu rechnen?

Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 7. Oktober 2004 wie folgt beantwortet:

Zu 1. und 2.: Wegen des inhaltlichen Zusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 gemeinsam beantwortet.

1. Untersuchungen der Landesregierung

Von der Thüringer Landesregierung wurden in der zurückliegenden Zeit folgende Untersuchungen zu Radon veranlasst:

· Studie zur Radonverfügbarkeit in Thüringen (1995) Zusammenfassende Ergebnisse hierzu wurden mit einer Radonkarte im Thüringer Umweltbericht 1995 veröffentlicht.

· Studien zu Radon in Wasseraufbereitungsanlagen (1996) und Radon in Höhlen und Besucherbergwerken (1999)

Die Ergebnisse der Studien waren behördenintern bei der Umsetzung der neuen Strahlenschutzverordnung erforderlich. Ausgewählte Ergebnisse waren Gegenstand von Fachvorträgen.

· Radonmessnetz zur Überwachung der Wismutanlagen (seit 1992)

Die Ergebnisse werden jährlich im Thüringer Umweltbericht veröffentlicht.

2. Untersuchungen des Bundes

Im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz wurde in Thüringen im Rahmen von Forschungsprojekten an verschiedenen Orten die Radonkonzentration in der Bodenluft ermittelt. Entsprechende Messungen erfolgten bundesweit und führten im Ergebnis zu der vielfach zitierten Radonkarte des Bundes (www.bmu.de). Kritisch ist hierzu anzumerken, dass die Messorte in Thüringen auf einige wenige Gebiete konzentriert sind. In Teilen des Thüringer Beckens sowie großen Gebieten Ostthüringens und südlich des Thüringer Waldes fehlen Messungen in weiten Bereichen. Hier wurden offensichtlich geologische Modellparameter zur Kartierung herangezogen. Wegen der inhomogenen Verteilung der Messorte kann die des Bundes nicht als repräsentativ eingeschätzt werden. des wurden in Thüringen im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte des Bundes weiterhin in 793 Häusern Langzeitmessungen der Radonkonzentration der Raumluft durchgeführt. Die bundesweit erhobenen Ergebnisse sind in der Schriftenreihe Reaktorsicherheit und Strahlenschutz des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) unter dem Titel Validierung der regionalen Verteilung der Radonkonzentration in Häusern mittels Radonmessungen unter Berücksichtigung der Bauweise veröffentlicht. Die Ergebnisse der Einzelmessungen sind den Inhabern der betroffenen Häuser vom Bundesamt für Strahlenschutz mit einer Bewertung ihrer Situation übergeben worden.

Zur Bewertung des Lungenkrebsrisikos in Deutschland durch Radon in Häusern wurde vom BMU eine epidemiologische Studie in Auftrag gegeben. Die langjährigen Untersuchungen standen unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Wichmann. Ein Teil der Erhebungen fanden auch in Thüringen statt. Die Ergebnisse sind als Endbericht zum Forschungsvorhaben beim Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GFS) erhältlich.

Zu 3.: Gesetzlich verbindliche Vorgaben und Grenzwerte gibt es für Radon bisher im beruflichen Strahlenschutz (Teil 3 Kapitel 1 und 2 der Strahlenschutzverordnung).

Zu 4.: Diese Grenzwerte wurden in Thüringen nicht überschritten.

Zu 5.: Der Grenzwert der effektiven Dosis an Arbeitsplätzen beträgt 20 Millisievert im Kalenderjahr (siehe Frage 3).

Für Privatwohnungen und öffentliche Einrichtungen gibt es in Deutschland bisher keine gesetzliche bzw. untergesetzliche Regelung. Es liegt jedoch der Entwurf einer von der Bauministerkonferenz initiierten Richtlinie für die Bewertung und Sanierung radonbelasteter Gebäude und Empfehlungen zum radongeschützten

Bauen (Radon-Baurichtlinie) vor. Vor dem Hintergrund von Empfehlungen der deutschen Strahlenschutzkommission, der internationalen Strahlenschutzkommission, der Europäischen Kommission sowie der Ergebnisse der oben genannten epidemiologischen Studie wird die Radonkonzentration in Aufenthaltsräumen von Gebäuden im Hinblick auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung in der Richtlinie wie folgt bewertet:

· Bei Radonkonzentrationen im Jahresmittel von 200 bis 1 000 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft wird empfohlen, die Radoneintrittspfade aufzuspüren und die Radonbelastung durch geeignete Maßnahmen unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und in Abhängigkeit von der Radonkonzentration zu verringern (z. B. häufiges Lüften). Dies gilt insbesondere für Radonkonzentrationen oberhalb von 400 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft.

· Radonkonzentrationen im Jahresmittel oberhalb von 1 000 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft werden als ein auf die Dauer nicht mehr zumutbares Gesundheitsrisiko angesehen (Gefahrenwert). Bei diesen Radonkonzentrationen sind Maßnahmen zur Verringerung der Radonbelastung innerhalb von drei Jahren durchzuführen (oberhalb 10 000 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft alsbald).

Dem Entwurf der Radon-Baurichtlinie haben die Bauministerkonferenz und Gesundheitsministerkonferenz bereits zugestimmt. Gegenwärtig wird der Entwurf im Auftrag der Umweltministerkonferenz vom Länderausschuss für Atomkernenergie geprüft.

Zu 6.: Nach Strahlenschutzverordnung sind folgende Arbeitsfelder von erhöhten Radon-Expositionen betroffen:

· Untertägige Bergwerke, Schächte und Höhlen, einschließlich Besucherbergwerke,

· Radon-Heilbäder und Radon-Heilstollen sowie

· Anlagen der Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung.

In Privatwohnungen und öffentlichen Einrichtungen wird die Radonkonzentration wesentlich durch das natürliche geogene Umfeld (siehe oben genannte Radonkarte, Thüringer Umweltbericht 1995), die Bauweise und Nutzungsweise der Häuser bestimmt.

Zu 7.: Die Strahlenschutzkommission der Bundesregierung hat mit ihren Stellungnahmen zur Wirkung des Radons vom 31. Oktober 2000 und 24. Juni 2004 Auswertungen der vorliegenden Gesundheitsstudien zum Radon vorgelegt. Berücksichtigt wurden neben der oben genannten deutschen Studie auch eine Reihe internationaler Arbeiten. Verschiedene Ergebnisse epidemiologischer Studien zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen der Radonexposition und dem Lungenkrebsrisiko. Von einer statistisch signifikanten Erhöhung kann oberhalb von 250 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft ausgegangen werden.

Die Aussagen der deutschen Studie im Bereich niedrigerer Konzentrationen soll durch eine gepoolte europäische Studie mit entsprechend größeren Fallzahlen überprüft werden.

Zu 8.: Die Strahlenschutzkommission der Bundesregierung geht nach derzeitigem Kenntnisstand von einem stochastischen Wirkungsmechanismus ohne Schwellenwert mit einer linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung aus.

Zu 9.: Der Entwurf der Radon-Baurichtlinie wurde bereits in der Bauministerkonferenz als auch Gesundheitsministerkonferenz von der Thüringer Landesregierung bestätigt. Der Gefahrenwert der Richtlinie wird akzeptiert.

Zu 10.: Die gegenwärtige Beschlusslage der Bauministerkonferenz und der Gesundheitsministerkonferenz würde eine zügige Umsetzung der Radon-Baurichtlinie durch eine Technische Baubestimmung nach § 3Abs. 3 der Thüringer Bauordnung ermöglichen. Den gegenwärtig bekannt gewordenen Entwurf eines Radonschutzgesetzes des BMU zur Änderung des Strahlenschutzvorsorgegesetzes lehnt die Thüringer Landesregierung ab. Gründe sind u. a. der unrealistisch niedrige Zielwert von 100 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft, der überbordende bürokratische Gesetzesvollzug und die extrem hohen Kosten für die Umsetzung.

Zu 11.: Die Radon-Baurichtlinie könnte nach deren Inkraftsetzung durch die unteren Thüringer Bauaufsichtsbehörden im bauaufsichtlichen Verfahren vollzogen werden.

Zu 12.: Zur Begrenzung der Radonbelastung in Aufenthaltsräumen von Alt- und Neubauten gibt es abhängig vom Grad der Radonbelastung eine Vielzahl technischer und organisatorischer Maßnahmen. In zusammengefasster Form sind diese Maßnahmen in der künftigen Radon-Baurichtlinie genannt. Zur eingehenden Information ist das Radon-Handbuch Deutschland zu empfehlen. Dieses kann über den Verlag Neue Wissenschaft Postfach 10 11 10 in 27511 Bremerhaven bezogen werden.

Zu 13.: Eine erste grobe Kostenabschätzung zu den Sanierungsaufwendungen bei radonbelasteten Gebäuden wurde im Rahmen der künftigen Radon-Baurichtlinie vorgenommen.

Danach sind bei Radonbelastung von Kosten pro Gebäude (im Mittel) 200 bis 1 000 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft 5 000 Euro 1 000 bis 10 000 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft 10 000 Euro mehr als 10 000 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft 25 000 Euro zu veranschlagen. Die realen individuellen Kostenvolumina werden von Fall zu Fall stark streuen und können erst nach entsprechenden Sanierungserfahrungen konkret angegeben werden.