Wie viele Einsätze aus anderen Anlässen z. B. nächtliche Ruhestörung haben sich am Einsatzort als Fälle von häuslicher Gewalt

Thüringer Landtag - 4. November 2004 frage ich die Landesregierung:

1. Wie viele Einsätze wegen häuslicher Gewalt hatte die Polizei in Thüringen in diesem Jahr schon?

2. Wie viele Einsätze aus anderen Anlässen - z. B. nächtliche Ruhestörung - haben sich am Einsatzort als Fälle von häuslicher Gewalt erwiesen?

3. In wie vielen Fällen waren

a) Frauen das Opfer,

b) Männer das Opfer,

c) Kinder involviert?

4. In wie vielen Fällen haben die Beamtinnen und Beamten eine Anzeige aufgrund einer erfolgten Straftat aufgenommen bzw. selbst gestellt?

5. In wie vielen Fällen haben die Beamtinnen und Beamten die betroffene Person auf das Gewaltschutzgesetz hingewiesen - und, falls es in manchen Fällen unterlassen wurde, was waren die Gründe für dieses Versäumnis?

6. Wie viele der Fälle wurden a) 2003 und b) 2004 gerichtlich verfolgt, in wie vielen Fällen ist bereits ein Urteil ergangen und wie sind diese Urteile ausgefallen?

7. Bei wie vielen Einsätzen wegen häuslicher Gewalt in a) 2003 und b) 2004 haben die Beamtinnen und Beamten einen Platzverweis für wie viele Stunden ausgesprochen?

8. Beabsichtigt die Landesregierung § 18 Abs. 1 des Polizeiaufgabengesetzes so zu ändern, dass eine längere Wegweisung des Täters (der Täterin) aus der gemeinsamen Wohnung möglich wird?

9. Beabsichtigt die Landesregierung, Stalking verschärft unter Strafe zu stellen oder wie will sie die Aussagen der Beauftragten für die Gleichstellung von Frau und Mann, Johanna Ahrenhövel, in die Tat umsetzen, wenn diese sagt, dass die Landesregierung bei dem Stalking-Gesetz mitwirken will?

7. Januar 2005

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 21. Dezember 2004 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Eine zentrale statistische Erfassung von Fällen häuslicher Gewalt erfolgt halbjährlich.:

In Fällen, zu denen ein Straftatverdacht besteht, werden grundsätzlich Anzeigen aufgenommen. Eine statistische Zuordnung der Anzeigen zu Fällen häuslicher Gewalt erfolgt erst ab dem Jahr 2005.

Zu 5.: Im ersten Halbjahr 2004 wurde in 442 Fällen auf das Gewaltschutzgesetz hingewiesen.

Die Hinweise erfolgen situationsbedingt und fallbezogen. Eine Statistik, weshalb die Maßnahme erfolgte oder nicht erfolgte, wird nicht geführt.

Zu 6.: Die Anzahl der eingehenden Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz werden, soweit das Amtsgericht als Familiengericht zuständig ist, seit dem 1. Januar 2003 erfasst.

Im Übrigen sind auch die Amtsgerichte und Landgerichte als allgemeine Zivilgerichte für Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz zuständig. Diese Verfahren werden seit dem 1. Januar 2004 gesondert festgestellt. Eine detaillierte Auswertung der Statistik insbesondere über die Art der Verfahrenserledigung ist aus technischen Gründen noch nicht möglich.

Anzahl der eingegangenen Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz beim Amtsgericht als Familiengericht

1. Januar bis 31. Dezember 2003 1. Januar bis 30. Juni 2004

Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellung gemäß § 1 98 67

Wohnungsüberlassung gemäß § 2 57 26

Anzahl der erledigten Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz, soweit die allgemeinen Zivilgerichte zuständig sind.

1. Januar bis 30. September 2004

Verfahren vor dem Amtsgericht 85

Verfahren vor dem Landgericht

1. Instanz 2

Zu 7.: Im Jahr 2003 wurden 277 Platzverweise ausgesprochen und im ersten Halbjahr 2004 waren es 187. Zur Dauer der Wegweisungen werden keine statistischen Daten erhoben.

Zu 8.: Die Frage nach der Rechtsgrundlage für das Einschreiten der Polizei in Fällen häuslicher Gewalt wurde im Zuge der letzten Änderung des Polizeiaufgabengesetzes im Jahr 2002 ausgiebig erörtert. Die zwischenzeitlich gesammelten Erfahrungen lassen bisher keine zwingende Notwendigkeit erkennen, eine spezielle Befugnisnorm für Wohnungsverweisungen im Polizeiaufgabengesetz zu verankern.

Zu 9.: Die Landesregierung ist der Auffassung, dass das Phänomen Stalking von der derzeitigen Rechtslage nicht hinreichend erfasst ist. Daher beteiligt sich die Landesregierung intensiv an den diesbezüglichen Diskussionsprozessen in den Ausschüssen des Bundesrats. Zum momentanen Zeitpunkt liegen unterschiedliche Regelungsentwürfe mehrerer Länder zur Beratung vor, die entweder auf die Schaffung eines neuen spezifischen Straftatbestands im Strafgesetzbuch oder auf eine Erweiterung des Schutzrahmens des Gewaltschutzgesetzes abzielen. Die Entscheidung für einen dieser Lösungsansätze bedarf einer sorgfältigen Abwägung. Der federführende Rechtsausschuss des Bundesrates hat daher die weiteren Beratungen zunächst bis März nächsten Jahres vertagt, um die Ergebnisse einer durch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt durchgeführten Expertenanhörung in die Entscheidungsfindung einbeziehen zu können.

In den Leitlinien der Thüringer Polizei Polizeiliche Maßnahmen in Fällen häuslicher Gewalt ist das Phänomen Stalking erfasst und es findet in den polizeilichen Maßnahmen zunehmend Beachtung.

Dr. Gasser Minister.