Gülleausbringung und Beweidung im Wasserschutzgebiet

Zum qualitativen Schutz der Trinkwasservorkommen werden Wasserschutzgebiete festgesetzt. Die Festsetzung eines Schutzgebietes besteht in der Regel aus seiner räumlichen Abgrenzung in drei Wasserschutzgebietszonen und der Festlegung der darin geltenden Schutzanordnungen. Entsprechend dem Arbeitsblatt W 101 Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) vom Februar 1995 sowie der in Hessen erlassenen Verwaltungsvorschriften für die Festsetzung von Wasserschutzgebieten vom 2. Februar 1996 13/1996 S. 985) richtet sich die Abgrenzung des Wasserschutzgebietes und der einzelnen Schutzzonen I, II und III nach naturwissenschaftlichen, hygienischen und technischen Gesichtspunkten.

Die Zone I (Fassungsbereich) dient dem Schutz der unmittelbaren Umgebung der Fassungsanlage vor jeglichen Verunreinigungen und Beeinträchtigungen.

Die Zone II (engere Schutzzone) soll den Schutz vor Verunreinigungen durch pathogene Mikroorganismen (z.B. Bakterien, Protozoen) sowie vor sonstigen Beeinträchtigungen gewährleisten, die bei geringer Fließdauer und -strecke zur Trinkwassergewinnungsanlage gefährlich sind. Schließlich dient die Zone III (weitere Schutzzone) dem Schutz vor weit reichenden Beeinträchtigungen.

Bei der Gefährdung des Grundwassers durch Gülleausbringung und Beweidung ist zwischen einer möglichen Belastung durch Nitrat und einer möglichen mikrobiologischen Verunreinigung zu unterscheiden.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Ist es richtig, dass es in Abhängigkeit von der Bodenart und der den Grundwasserleiter überlagernden Deckschichten eine unterschiedliche Gefährdung des Grundwassers durch die Ausbringung von Gülle bzw. durch eine Beweidung gibt?

Es ist richtig, dass die Bodenart und die den Grundwasserleiter überlagernden Deckschichten einen Einfluss auf die Gefährdung des Grundwassers haben. In Abhängigkeit von der Bodenart, dem Humusgehalt und der Lagerungsdichte besitzt der Boden die Fähigkeit, Wasser in unterschiedlicher Höhe zu speichern. So weisen sandige Böden ein geringeres Wasserspeichervermögen auf als lehmige und tonige Böden. Die Wasserspeicherung des Bodens ist ein wichtiges Kriterium zur Ermittlung der potenziellen Nitrataustragsgefährdung und somit ein wichtiges Indiz zur Gefährdung des Grundwassers durch die Ausbringung von Gülle. Bei den den Grundwasserleiter überlagernden Deckschichten sind die vorhandenen Hohlräume von entscheidender Bedeutung für eine mögliche Gefährdung des Grundwassers.

Besonders in Kluft-Hohlräumen können Stoffe auf direktem Weg ins Grundwasser eingetragen werden.

Aus den genannten Gründen können somit in Abhängigkeit von der Nitratkonzentration im Rohwasser und der Nitrataustragsgefährdung der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke standortangepasste Zeiträume für die Ausbringung von Gülle in der Schutzzone III festgelegt werden. Ein Beweidungsverbot in der Schutzzone III ist unabhängig von den Standortbedingungen nur bei großflächiger Zerstörung der Grasnarbe vorgesehen.

Frage 2. Wurden seit 1996 Wasserschutzgebietsverordnungen erlassen, in denen pauschal, also ohne Berücksichtigung der Bodenarten, ein Begüllungs- und Beweidungsverbot ausgesprochen wurde, durch das, zumindest in Einzelfällen, ein Übermaß an Nutzungsbeschränkungen entstanden ist?

Frage 3. Wenn ja, welche Wasserschutzgebiete in Hessen sind davon betroffen, und in welcher Höhe wurden die Nutzungseinschränkungen finanziell ausgeglichen?

Frage 4. Auf welche Weise kann, wenn geschehen, eine solche Überregulierung abgestellt werden?

Wie in der Antwort zur Frage 1 aufgeführt, ist die potenzielle Verlagerung von Nitrat-Stickstoff aus dem Wurzelraum und der damit verbundenen Nitratbelastung des Grundwassers Ursache für die Regelungen in der Schutzzone III. In der Zone III besteht allerdings kein pauschales Begüllungs- und Beweidungsverbot.

Das Trinkwasser muss als wichtigstes Lebensmittel frei von Krankheitserregern sein. Aus diesem Grunde wird nach den Vorgaben der 13/1996 S. 985) in der Zone II (engere Schutzzone) von Wasserschutzgebieten die Ausbringung von Gülle und die Beweidung aus Gründen des vorsorgenden Schutzes der Wassergewinnungsanlagen vor nachhaltigen mikrobiologischen Belastungen ausgeschlossen.

Die Vorgaben der Muster-Wasserschutzgebietsverordnung sind jedoch nur als Richtlinie zu betrachten. Bei der Formulierung der konkreten Verbote und Gebote bzw. Handlungspflichten ist in der jeweiligen Schutzgebietsverordnung auf jeden Fall ein Ermessen von der zuständigen Wasserbehörde auszuüben. Das bedeutet, dass je nach vorhandenen Verhältnissen von der Verbots- und Gebotsliste der bereits genannten Muster-Wasserschutzgebietsverordnung abgewichen wird. Die jeweilige Wasserschutzgebietsverordnung wird im konkreten Verfahren unter Beachtung der jeweiligen standörtlichen Verhältnisse entsprechend differenziert und modifiziert erarbeitet.

Nach der Verwaltungsvorschrift für die Festsetzung von Wasserschutzgebieten 13/1996 S. 985) geht der Verordnungsentwurf außerdem in jedem einzelnen Wasserschutzgebietsverfahren den Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie den Trägern öffentlicher Belange zur Stellungnahme zu.

Des Weiteren sind insbesondere die betroffenen Landwirte über Art und Umfang möglicher Beschränkungen der landwirtschaftlichen Nutzung in dem Wasserschutzgebiet zu informieren und der Verordnungsentwurf den landwirtschaftlichen Berufsorganisationen zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen dieses umfangreichen Verfahrens können Anregungen und Bedenken vorgebracht werden. Die obere Wasserbehörde hat die Anregungen und Bedenken zu prüfen und die Betroffenen schriftlich über die Gründe zu informieren, soweit diesen nicht entsprochen werden konnte.

Die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes erfolgt insofern im Rahmen eines komplexen und daher weitgehend formalisierten Verfahrens, das einerseits der umfangreichen Berücksichtigung fachlicher Gesichtspunkte dient, das andererseits aber auch eine sorgfältige Abwägung konkurrierender (Nutzungs-)Interessen sicherzustellen hat.

Frage 5. Mit Hilfe der Wasserschutzgebietsverordnung wird ein dem jeweiligen Standort entsprechender optimaler Schutz des Grundwassers angestrebt, ohne dass es zu einem Übermaß an Verboten und Nutzungsbeschränkungen kommt. Darf dieser optimale Schutz im Rahmen von freiwilligen Vereinbarungen zwischen Land- und Wasserwirtschaft beispielsweise durch den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen verringert werden?

Frage 6. Wenn ja, käme es in solchen Fällen nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung von Landwirten, die einer solchen Kooperationsvereinbarung nicht beigetreten sind?

Der kooperative Gewässerschutz ist materiell aus folgenden Gründen dem ordnungsrechtlichen Instrument des Gewässerschutzes durch eine Wasserschutzgebietsverordnung gleichzusetzen:

Eine kooperative Zusammenarbeit zwischen dem Träger der Wasserversorgung und den im Wasserschutzgebiet wirtschaftenden Landwirten wird primär in Wasserschutzgebieten mit erhöhten Nitratgehalten vereinbart und mit einer intensiven, auf die örtlichen Verhältnisse abgestimmten grundwasserschutzorientierten Zusatzberatung der Landwirte abgesichert. Die obere Wasserbehörde muss der privatrechtlichen Vereinbarung zustimmen. Werden während der Vertragsdauer Änderungen an den Bestimmungen zur landwirtschaftlichen Grundstücksnutzung in Wasserschutzgebieten erforderlich, bedürfen diese Änderungen ebenfalls der Zustimmung durch die obere Wasserbehörde. Damit ist der optimale Schutz der Grundwasservorkommen auch im Rahmen von privatrechtlichen Vereinbarungen dauerhaft sichergestellt.

Eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Landwirte, die sich keiner Kooperationsvereinbarung angeschlossen haben, besteht insofern nicht.

Die Ergebnisse bisheriger Kooperationen in Hessen wie z. B. in der Gemeinde Otzberg zeigen, dass die Kooperationen den ordnungsrechtlichen Maßnahmen zur Reglementierung der Landbewirtschaftung überlegen sind. Folgende Vorteile einer Kooperationsvereinbarung gegenüber dem Ordnungsrecht sind hervorzuheben:

- die Akzeptanz: im Sinne einer Umweltvereinbarung findet eine direkte Beteiligung und damit auch eine deutlich höhere Identifikation der Betroffenen mit den Grundwasserschutzmaßnahmen statt;

- die Flexibilität: die Kooperationsvereinbarung kann schneller an technische oder wissenschaftliche Neuerungen angepasst werden;

- der Standortbezug: im Rahmen der grundwasserschutzorientierten landwirtschaftlichen Beratung können die individuellen Bewirtschaftungsverhältnisse der einzelnen Landwirte besser berücksichtigt werden.

Da der Erfolg einer Kooperationsvereinbarung in erheblichem Maße von der Beteiligung der Landwirte abhängig ist, wäre es aus den genannten Gründen förderlich, wenn sich viele bzw. möglichst alle Landwirte in einem Wasserschutzgebiet einer vorhandenen Vereinbarung anschließen würden.