Voraussetzungen Arbeitslosengeld II (ALG II)

Eigentümer von selbst genutztem Wohneigentum können unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitslosengeld II (ALG II) beziehen. Als Eigentümer können diese Personen auch Beitragsschuldner für Abwasserund Straßenausbaubeiträge sein. Bei der Berechnung des Regelsatzes sind derartige finanzielle Belastungen aus Abwasser- und Straßenausbaubeiträgen nicht mitkalkuliert. Die mögliche zinslose Stundung derartiger Beitragsschulden auf Grundlage der Zinsbeihilferichtlinie entlastet die Betroffenen nicht tatsächlich, weil jährliche Ratenzahlungen von mindestens 1 000 Euro unterstellt werden. Die verzinste Stundung sieht ebenfalls im Regelfall eine Ratenzahlung vor und erzeugt Zinsbelastungen, die ebenfalls im Regelsatz des ALG II nicht kalkuliert sind.

Ich frage die Landesregierung:

1. Unter welchen Voraussetzungen haben ALG II-Bezieher einen Rechtsanspruch auf Stundung von Abwasser- und Straßenausbaubeiträgen und welche finanziellen Belastungen sind dabei jährlich für die betroffenen Beitragsschuldner aus Sicht der Landesregierung zumutbar? Wie wird diese Zumutbarkeitsgrenze begründet?

2. Unter welchen Voraussetzungen können bei ALG II-Beziehern die finanziellen Belastungen infolge von Beitragsschulden bei Abwasser und Straßenausbau bei der Bewilligung der Kosten der Unterkunft Berücksichtigung finden? Wie wird diese Auffassung seitens der Landesregierung begründet?

3. Unter welchen Voraussetzungen können bei ALG II­Beziehern die Beitragsschulden für Abwasser und Straßenausbau zins- und tilgungsfrei gestundet werden? Wer ersetzt dabei den Gemeinden und Aufgabenträgern die entstehenden Mindereinnahmen?

4. Welche Probleme sind der Landesregierung im Zusammenhang mit der Erhebung von Abwasser- und Straßenausbaubeiträgen von ALG II-Beziehern bekannt? Welche Maßnahmen hält die Landesregierung in diesem Zusammenhang für erforderlich?

5. Welche Hinweise hat die Landesregierung im Rahmen ihres rechtsaufsichtlichen Wirkens an die Gemeinden und Aufgabenträger hinsichtlich der Verfahrensweise zur Erhebung von Abwasser- und Straßenausbaubeiträgen II-Beziehern gegeben? Weshalb hat die Landesregierung möglicherweise auf solche Hinweise bisher verzichtet? Hält die Landesregierung derartige Hinweise für sinnvoll und wie wird dies begründet?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 29. August 2007 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Das Thüringer Kommunalabgabengesetz enthält eine Reihe von Stundungsmöglichkeiten, die neben die allgemeinen Billigkeitsmaßnahmen nach der Abgabenordnung treten. Gemäß § 7 b Abs. 1 Thüringer Kommunalabgabengesetz können einmalige Beiträge auf Antrag des Beitragspflichtigen insoweit verzinslich gestundet werden, als die Beitragsschuld in bis zu fünf aufeinander folgenden Jahresraten beglichen wird.

Die Höhe und Fälligkeit der Raten wird durch Bescheid oder öffentlich-rechtlichen Vertrag festgelegt.

Nach § 7 b Abs. 2 Thüringer Kommunalabgabengesetz können einmalige Beiträge zur Vermeidung erheblicher Härten im Sinne des § 222 Satz 1 der Abgabenordnung im Einzelfall über die in Absatz 1 genannte Frist hinaus gestundet werden. In diesem Fall soll der Beitrag in höchstens 20 Jahresraten entrichtet werden. Die Höhe und der Zeitpunkt der Fälligkeit der Jahresraten werden durch Bescheid festgelegt. Der jeweilige Restbetrag ist mit höchstens sechs vom Hundert jährlich zu verzinsen. Der Beitragsschuldner kann am Ende eines jeden Jahres den Restbetrag ohne weitere Zinsverpflichtung tilgen.

Neben den sich aus § 7 b Abs. 1 und 2 Thüringer Kommunalabgabengesetz ergebenden Stundungsmöglichkeiten finden auch die Billigkeitsmaßnahmen nach der Abgabenordnung Anwendung.

Des Weiteren eröffnet § 7 b Abs. 3 bis 6 Thüringer Kommunalabgabengesetz spezielle Stundungsmöglichkeiten für bestimmte Gruppen von Beitragspflichten.

Weder die Regelungen des Thüringer Kommunalabgabengesetzes noch diejenigen der Abgabenordnung enthalten konkrete Zumutbarkeitsgrenzen, sondern bedingen eine konkrete Prüfung des Einzelfalls.

Zu 2.: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Träger der Leistung nach § 22 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch sind die kreisfreien Städte und Landkreise. Für die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung haben die Leistungsträger die so genannten Unterkunftsrichtlinien erstellt.

Die zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Unterkunft umfassen bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die in einem nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch geschützten Eigenheim oder einer Eigentumswohnung leben, im Wesentlichen die Kosten, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 7 Abs. 2 der Verordnung zu § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch abgesetzt werden können, sowie die angemessenen Betriebskosten. Dies sind zum Beispiel die angemessenen Schuldzinsen für die Finanzierung der Immobilie, die Grundsteuer, die Wohngebäudeversicherung sowie die Gebühren für Wasser, Abwasser und die Müllabfuhr. Die Abwasser- oder Straßenausbaubeiträge werden in diesem Zusammenhang nicht mit aufgeführt.

Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch werden nur dann gewährt, soweit eine Hilfebedürftigkeit besteht und diese nicht anderweitig beseitigt werden kann (Nachrang- oder Subsidiaritätsprinzip).

Hinsichtlich der Aufwendungen für Abwasser- und Straßenausbaubeiträge ist daher zunächst zu prüfen, ob eine Zahlungserleichterung nach dem Thüringer Kommunalabgabengesetz in Verbindung mit der Abgabenordnung zur Anwendung kommt. Eine Kostenübernahme ist im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende daher nicht angezeigt.

Zu 3.: Nach der Richtlinie über die Gewährung von Zinsbeihilfen zur Finanzierung von Beiträgen nach § 7 Thüringer Kommunalabgabengesetz und von Erschließungsbeiträgen nach dem Baugesetzbuch können Zinsbeihilfen als nicht rückzahlbare Zuwendungen für die durch die Stundung von Beiträgen entstehenden Zinsaufwendungen gewährt werden. Zuwendungsempfänger können Gemeinden oder Zweckverbände sein.

Der Landesregierung sind im Rahmen der Bearbeitung von Eingaben und Petitionen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bisher kaum Fälle bekannt geworden, die diese Problematik zum Gegenstand hatten. Zur Vermeidung von wirtschaftlichen Härten wurde den Hilfebedürftigen empfohlen, die Möglichkeiten zur Zahlungserleichterung nach dem Thüringer Kommunalabgabengesetz in Verbindung mit zu nutzen.

Zu 5.: Das Thüringer Innenministerium hat Hinweise zur Anwendung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes vom 28. Februar 2005 im Thüringer Staatsanzeiger Nr. 12/2005 veröffentlicht.