Justizvollzugskrankenhaus

Die Große Anfrage der Fraktion der Linkspartei.PDS mit dem Titel Situation und zukünftige Entwicklung des Thüringer Justizvollzugs (Drucksache 4/2330) wurde von der Thüringer Landesregierung (Justizministerium) mit Datum vom 8. Januar 2007 in Drucksache 4/2594 beantwortet. Seit dem Jahr 2006 fanden weitere bzw. neue Diskussionen und Aktivitäten in diesem Themenfeld statt wie z. B. die Entwicklung eines Suizidpräventionskonzepts oder die Planungen zur Errichtung einer neuen Justizvollzugsanstalt in Ostthüringen/Westsachsen. Insbesondere mit Blick auf die voraussichtlich noch in diesem Jahr beginnende parlamentarische Diskussion um ein eigenes Thüringer Strafvollzugsgesetz - die Landesregierung hat im Januar-Plenum 2011 des Landtags in Beantwortung einer Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Hauboldt (DIE LINKE) einen entsprechenden Entwurf angekündigt - ist eine Bestandsaufnahme der Entwicklungen im Bereich des Thüringer Justizvollzugs seit dem Jahr 2006 sinnvoll und notwendig. Nach eigenen Aussagen der Landesregierung ist es z. B. immer schwieriger, ärztliches Personal für die Betreuung von Justizvollzugsanstalten zu bekommen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie stellen sich die gesundheitliche Situation sowie die medizinische und therapeutische Versorgung der Gefangenen dar und welche Einrichtungen/Organisationen/Personen sind daran beteiligt? Welche rechtlichen Vorgaben werden für diese Bereiche gemacht (bitte auch Veränderungen seit dem Jahr 2006 darstellen und nach Justizvollzugsanstalten aufschlüsseln)?

2. Wie hat sich die Problemlage bei infektiösen Krankheiten (z.B. Tuberkulose) in Justizvollzugsanstalten hinsichtlich der Erkrankungszahlen entwickelt? Welche Gründe sind hierfür ersichtlich? Welche Maßnahmen zum Schutz vor ansteckenden Krankheiten gibt es in den Justizvollzugsanstalten (bitte gegebenenfalls Veränderungen seit 2006 für die einzelnen Einrichtungen in Jahresscheiben ausweisen)?

3. Welche Therapieangebote gibt es, welche Einrichtungen/Organisationen/Personen sind daran beteiligt und wie werden diese Angebote angenommen (bitte gegebenenfalls Veränderungen seit 2006 für die einzelnen Einrichtungen in Jahresscheiben ausweisen)? Wie hat sich die personelle, sächliche und finanzielle Untersetzung seit dem Jahr 2006 entwickelt?

4. Welche Therapiekonzepte und -angebote sowie welche (Personal-)Ausstattungs-, Belegungs- und Unterbringungssituation bestehen in den sozialtherapeutischen Abteilungen, insbesondere Tonna? Welche Zusammenarbeit gibt es in diesem Bereich gegebenenfalls mit anderen Bundesländern?

5. Wie stellt sich die Situation von sucht- und drogenabhängigen Gefangenen dar und was lässt sich zum Problem Sucht und Drogen hinter Gittern, bezogen auf Thüringen, sagen? Nach welchen Kriterien werden Gefangene für Therapieplätze ausgewählt? Wie viele solcher Plätze stehen in Thüringen oder in anderen Bundesländern für Gefangene aus Thüringen zur Verfügung und wie gestaltet sich - aufgeschlüsselt in Jahresscheiben - seit 2006 deren Auslastung? In welcher Form findet eine Evaluierung der medizinischen/therapeutischen Versorgung (seit 2006) statt - mit welchen Konsequenzen?

6. Wie wird in der medizinischen und therapeutischen Versorgung auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung in Haft eingegangen (bitte auch Veränderungen seit 2006 ausweisen)?

Das Thüringer Justizministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 2. Mai 2011 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die gesundheitliche Situation der Gefangenen entspricht im Wesentlichen derjenigen von nicht inhaftierten Personen. Es sind nahezu alle Krankheitsbilder vertreten.

Für die medizinische Versorgung der Gefangenen sind in erster Linie die Anstaltsärzte und Anstaltszahnärzte sowie die Sanitätsbediensteten der Justizvollzugsanstalten zuständig. Im Bedarfsfall werden externe (Fach-)Ärzte auf Veranlassung der Anstaltsärzte zur konsiliarischen Tätigkeit bzw. zur fachärztlichen Mitbehandlung von Gefangenen hinzugezogen.

In Thüringen gibt es kein Justizvollzugskrankenhaus. Falls Gefangene stationär behandelt werden müssen, können nach den Vereinbarungen zwischen dem Thüringer Justizministerium und den jeweiligen Landesjustizverwaltungen das Krankenhaus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Leipzig (Sachsen), das Zentralkrankenhaus bei der JVA Kassel I (Hessen), die Tbc-Abteilung der JVA St. Georgen-Bayreuth (Bayern), das Justizvollzugskrankenhaus in Fröndenberg (Nordrhein-Westfalen) sowie die Krankenabteilung der JVA Volkstedt

- Außenstelle Naumburg - (Sachsen-Anhalt) gegen Erstattung der jeweiligen Pflegesätze mitgenutzt werden. Soweit erforderlich werden Gefangene mit Bewachung von Justizvollzugsbediensteten in öffentlichen Krankenhäusern untergebracht.

Nach § 58 Strafvollzugsgesetz haben erwachsene auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst insbesondere ärztliche Behandlung, zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. Nach § 61 gelten für die Art der Gesundheitsuntersuchungen und medizinischen Vorsorgeleistungen sowie für den Umfang dieser Leistungen und der Leistungen zur Krankenbehandlung einschließlich der Versorgung mit Hilfsmitteln die entsprechenden Vorschriften des Sozialgesetzbuches und die aufgrund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen. Entsprechende Vorschriften wurden für Jugendstrafgefangene in § 34 des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetzes und für Untersuchungsgefangene in § 22 des am 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Thüringer Untersuchungshaftvollzugsgesetzes aufgenommen.

Nach § 65 bzw. § 35 bzw. § 23 kann ein kranker Gefangener in ein Anstaltskrankenhaus oder in eine für die Behandlung seiner Krankheit besser geeignete Vollzugsanstalt verlegt oder überstellt werden. Kann die Krankheit eines Gefangenen in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden oder ist es nicht möglich, den Gefangenen rechtzeitig in ein Anstaltskrankenhaus zu verlegen, ist dieser in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs zu bringen.

Die therapeutische Versorgung der Gefangenen obliegt insbesondere den Anstaltspsychologen, die Einzelund Gruppengespräche anbieten. Sexualstraftäter werden besonders intensiv Sozialpädagogen und externen Psychotherapeuten sozialtherapeutisch betreut.

Nach § 56 Abs. 1 bzw. § 32 bzw. § 20 ist für die körperliche und geistige Gesundheit der Gefangenen zu sorgen. Nach § 155 Abs. 2 bzw. § 102 bzw. § 80 ist für die medizinische und therapeutische Versorgung der Gefangenen das erforderliche Personal vorzuhalten, insbesondere Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter. Nach § 9 Abs. 1 ist ein Gefangener in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn er wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder § 182 Strafgesetzbuch zu zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt angezeigt ist. Nach § 14 können Jugendstrafgefangene in einer sozialtherapeutischen Abteilung untergebracht werden, wenn deren besondere therapeutische Mittel und soziale Hilfen zum Erreichen des Vollzugsziels angezeigt sind. Nach § 37 Abs. 5 soll ein Gefangener arbeitstherapeutisch beschäftigt werden, wenn er zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig ist. Eine arbeitstherapeutische Beschäftigung ist auch für Jugendstrafgefangene unter den in § 37 Abs. 2 genannten Voraussetzungen vorgesehen.

Zu 2.: Statistisches Material zu (infektiösen) Krankheiten im Justizvollzug ist nicht verfügbar. Fest steht jedoch, dass Hepatitis C zu den häufigsten Infektionskrankheiten bei Gefangenen zählt. Nach bisherigen Erkenntnissen tritt Hepatitis C verstärkt bei Drogenabhängigen auf. Auffallend ist, dass die meisten der Hepatitis-C-infizierten Gefangenen tatsächlich bereits vor Haftantritt drogenabhängig waren. Auch ist kein Fall bekannt, in dem es (erst) während der Inhaftierung zu der Infektion kam.

Jeder Gefangene wird bei seiner erstmaligen Aufnahme in den Thüringer Justizvollzug im Rahmen der ärztlichen Zugangsuntersuchung darüber unterrichtet, dass er eine kostenlose Blutuntersuchung auf HIV-Antikörper in Anspruch nehmen kann. Die Zahl der Gefangenen, bei denen eine HIV-Infektion bzw. eine AIDSErkrankung festgestellt wurde, ist nach wie vor relativ gering.

Vereinzelt waren Tbc-Erkrankungen Gefangener zu beklagen. Auffallend war insoweit, dass es sich hierbei überwiegend um Gefangene ausländischer Herkunft handelte.

Jeder Gefangene hat sich bei der Aufnahme in den Thüringer Justizvollzug einem Tuberkulintest (Intrakutantest nach Mendel-Mantoux) zu unterziehen. Falls sich ein Tbc-Verdacht bestätigt, veranlasst das für die jeweilige Anstalt zuständige Gesundheitsamt die erforderlichen Umgebungsuntersuchungen.

Nach § 36 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz legen die Justizvollzugsanstalten in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene fest. Sie unterliegen der infektionshygienischen Überwachung durch die Gesundheitsämter. In jeder Thüringer Justizvollzugsanstalt gibt es einen Bediensteten, der zum geprüften Desinfektor ausgebildet wurde. Er führt u. a. gezielte Desinfektionsmaßnahmen zur Verhinderung von Infektionskrankheiten durch.

Allen Justizvollzugsbediensteten wird auf Kosten des Freistaats Thüringen eine Impfung gegen Hepatitis A und B angeboten.

Jedem Bediensteten werden bei Bedarf Einmalhandschuhe und/oder Mundschutz kostenlos zur Verfügung gestellt.

Darüber hinaus liegen sowohl für Bedienstete als auch für Gefangene Informationsmaterialien (Merkblätter, Broschüren etc.) bereit, die zur Aufklärung über Infektionsrisiken beitragen sollen.

Zu 3.: Zunächst wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.

Im September 2008 wurde in der Jugendstrafanstalt (JSA) Ichtershausen eine sozialtherapeutische Abteilung eingerichtet. Sie verfügt über 14 Haftplätze, die in der Regel voll ausgelastet sind.

Im Anfragezeitraum sind insbesondere im Bereich der sozialen und psychologischen Betreuung der Gefangenen personelle Verstärkungen der Fachdienste bei den Justizvollzugsanstalten erfolgt, sodass hier dem Betreuungs- und Behandlungsauftrag in deutlich besserer Qualität als bisher nachgekommen werden konnte. Insgesamt konnten sechs Diplom-Psychologen und 13 Diplom-Sozialarbeiter/-pädagogen für den Justizvollzug gewonnen werden. Allerdings stehen diesem Personalzugang im Anfragezeitraum auch personelle Abgänge entgegen. So sind drei Diplom-Psychologen und vier Diplom-Sozialarbeiter/-pädagogen wieder aus dem Justizvollzug ausgeschieden.

Darüber hinaus hat sich die sächliche und finanzielle Situation seit dem Jahr 2006 nicht nennenswert verändert.