Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks

Die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks muss vom bautechnischen Standpunkt her notwendig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten vermeidbar sein. Es genügt nicht, dass sich eine bauliche Maßnahme verteuert, wenn sie ohne Benutzung des Nachbargrundstücks vorgenommen wird. Vielmehr muss ein grobes Mißverhältnis zwischen den dabei entstehenden Kosten und den bei Benutzung des Nachbargrundstücks anfallenden Kosten vorliegen. Die Duldung der Grundstücksbenutzung muss dem Nachbarn bei Abwägung der beiderseitigen Vor- und Nachteile zumutbar sein. Diese Voraussetzung ist ein Ausfluß der Grundsätze des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses auf den konkreten Fall.

Grundsätzlich ist es nach Treu und Glauben zumutbar, eine geringfügige Belästigung zu dulden, wenn dem Nachbarn dadurch erhebliche Nachteile erspart bleiben.

Absatz 2 betont noch einmal den Rechtsgedanken der Zumutbarkeit im Zusammenhang mit Art und Zeitpunkt der Rechtsausübung. Die Bestimmung ist der Regelung des § 1020 des Bürgerlichen Gesetzbuches nachgebildet.

Bei der Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts ist auf die Benutzungsart des in Anspruch genommenen Nachbargrundstücks besondere Rücksicht zu nehmen, um die mit der Rechtsausübung verbundenen Belästigungen des Nachbarn auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Zur Unzeit wird das Recht beispielsweise ausgeübt, wenn ein landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutztes Nachbargrundstück kurz vor der Ernte betreten werden soll und dabei Schäden verursacht würden, die wenige Zeit später nach dem Abernten nicht entstehen könnten.

Zu § 22:

Der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte des Nachbargrundstücks sollen grundsätzlich über die vorgesehene Inanspruchnahme ihres Grundstücks rechtzeitig unterrichtet werden. In aller Regel ist der Nachbar auch in der Lage, seine entsprechende Absicht rechtzeitig anzukündigen. Für Ausnahmefälle trifft § 24 eine Sonderregelung.

Die Frist von zwei Wochen erscheint notwendig, aber auch ausreichend, um allen Beteiligten genügend Zeit zur Vorbereitung zu geben. Durch die Verweisung auf § 6 Abs. 3 soll der Fall erfaßt werden, dass der Anzeigeberechtigte nicht oder nur schwer erreichbar ist.

Zu § 23:

Es erscheint billig, demjenigen, der den Vorteil aus der Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts hat, auch zum Ersatz des Schadens zu verpflichten, der dem Duldungspflichtigen dabei entsteht. Zu ersetzen ist nicht nur der an dem Nachbargrundstück entstehende Sachschaden, sondern auch etwaiger Vermögensschaden, z. B. Verluste des Nachbarn durch die entgangene Benutzbarkeit eines Grundstücksteils. Anspruchsberechtigt sind die Duldungspflichtigen, also sowohl der Eigentümer als auch die Nutzungsberechtigten des Nachbargrundstücks. Verpflichtet ist derjenige, der das Recht ausübt. Das kann sowohl der Eigentümer als auch der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks sein. Auch hier erscheint es billig, von dem Grundsatz der Verschuldenshaftung abzugehen und eine Gefährdungshaftung zu begründen. Der Nachweis eines Verschuldens bei der Schadensentstehung ist hier dem Geschädigten oft nur unter großen Schwierigkeiten möglich und kaum zumutbar. Im Hinblick darauf, dass der Geschädigte möglicherweise Gefahr läuft, seine Ansprüche bei einem zahlungsschwachen Schuldner nicht verwirklichen zu können, soll er auch die Möglichkeit haben, die Rechtsausübung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

Zu § 24:

Die in § 22 normierte Pflicht zur vorherigen Anzeige der Rechtsausübung ist nicht zumutbar, wenn zur Abwendung einer akuten Gefahr ein sofortiges Eingreifen geboten ist. Dabei ist in etwa an die Notwendigkeit zu denken, Schäden, die durch Sturm oder Unwetter plötzlich entstanden sind, unverzüglich auszubessern oder Sicherungsvorkehrungen bei drohender Einsturzgefahr zu treffen. In solchen Fällen ist dem duldungspflichtigen Nachbarn nach Treu und Glauben auch zuzumuten, auf eine Sicherheitsleistung für ihm etwa entstehende Schäden zu verzichten.

Zu § 25:

Die Inanspruchnahme eines fremden Grundstücks zu den in § 21 genannten Zwecken kann sich unter Umständen über einen längeren Zeitraum erstrecken. Der Entwurf geht von der Überlegung aus, dass in solchen Fällen die Grenze des dem Betroffenen Zumutbaren überschritten ist. Es wird deshalb vorgeschlagen, dem Berechtigten eine Entschädigungspflicht aufzuerlegen, wenn er das Nachbargrundstück länger als zwei Wochen in Anspruch nimmt. Eine solche Regelung wird den Berechtigten auch veranlassen, seine Arbeiten möglichst zu beschleunigen und die Benutzung des Nachbargrundstücks auf den unbedingt notwendigen Umfang zu beschränken.

Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung gibt der Entwurf einen Anhaltspunkt insoweit, als die Entschädigung in der Regel mindestens der ortsüblichen Miete für einen Lagerplatz zu entsprechen hat; sie kann im Einzelfall aber auch höher sein. Auf die Nutzungsentschädigung sind Ersatzleistungen an den Betroffenen nach § 23 für anderweitig entgangene Einkünfte aus der Grundstücksnutzung anzurechnen (Absatz 2).

Zu § 26: § 26 des Entwurfs geht von der Vorstellung aus, dass für jedes Grundstück die Möglichkeit bestehen muß, an das Wasserversorgungs- und das Entwässerungsnetz angeschlossen zu werden. Wenn dies ohne Inanspruchnahme eines fremden Grundstücks nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten und nicht in technisch einwandfreier Art und Weise möglich wäre, so sollen der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten des fremden Grundstücks verpflichtet sein, die Verlegung von Leitungen über ihr Grundstück zu dulden. Betroffen ist nicht nur das unmittelbar angrenzende Grundstück, sondern jedes Grundstück, das zur Herstellung eines Anschlusses benötigt wird. Die Duldungspflicht ist davon abhängig, dass damit keine erheblichen Beeinträchtigungen verbunden sind.

Hinsichtlich der Strom- und Gasversorgung erscheinen hingegen nachbarrechtliche Vorschriften über die Verpflichtung zur Duldung nicht erforderlich, da die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen eine ausreichende Rechtsgrundlage bilden, um jedermann an diese Versorgungsleitungen anzuschließen, notfalls auch unter Inanspruchnahme fremder Grundstücke.

Absatz 2 beschränkt die Duldungspflicht nach Absatz 1 auf die Duldung eines An-schlusses, wenn auf dem betroffenen Grundstück bereits Leitungen liegen, die auch zur Versorgung des berechtigten Grundstücks ausreichen würden. In diesem Fall soll der Anschließende einen angemessenen Beitrag zu den Herstellungskosten des mitbenutzten Leitungsteils entrichten und hierfür notfalls Sicherheit leisten. Für die Frage, in welcher Höhe der Beitrag angemessen ist, ist auf die ursprünglichen Herstellungskosten abzustellen und der Umfang der zwischenzeitlichen Abnutzung zu berücksichtigen.

Absatz 3 hebt den Grundsatz der Rücksichtnahme auf das betroffene Grundstück hervor. Wenn die Ausübung des Rechts nach Absatz 1 oder Absatz 2 technisch auf verschiedene Weise möglich ist, so muss der Berechtigte die Ausführung wählen, die für das betroffene Grundstück die wenigsten Nachteile mit sich bringt.

Zu § 27:

Die in § 27 vorgeschlagene Regelung ergibt sich zwingend aus der Natur der Sache. Die Verpflichtung, die Leitungen oder Anschlußleitungen zu unterhalten, muss grundsätzlich den treffen, der sie verlegt hat. § 27 Satz 2 knüpft an § 26 Abs. 2 an und legt dem Anschließenden die Verpflichtung auf, einen angemessenen Beitrag zu den Unterhaltungskosten der mitbenutzten Leitung zu leisten. Was angemessen ist, entscheidet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls. Falls die Leitung von beiden Grundstücken ungefähr gleichmäßig in Anspruch genommen wird, muss jeder die Hälfte der Unterhaltungskosten tragen. Wenn ein Grundstück die Leitung in wesentlich stärkerem Umfang benutzt als das andere, ist es angemessen, wenn der Eigentümer dieses Grundstücks einen entsprechend höheren Beitrag zu den Unterhaltungskosten zahlt.

Zu § 28:

Der Sechste Abschnitt des Entwurfs enthält in seinen Grundgedanken eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Fünften Abschnitt (Hammerschlags- und Leiterrecht). Die gesetzgeberischen Erwägungen, die dort für die Begründung einer Anzeigeund einer Schadensersatzpflicht des Berechtigten angeführt sind, gelten uneingeschränkt auch für das Recht des Leitungsnotwegs. Es erscheint deshalb geboten, in Absatz 1 die Bestimmungen der §§ 22 und 23 für entsprechend anwendbar zu erklären. Das gleiche Bedürfnis liegt allerdings hinsichtlich des § 24 (Gefahr im Verzug) nicht vor. Derartige Fälle sind hier kaum vorstellbar, mit Ausnahme von dringenden Ausbesserungsarbeiten. Insoweit trifft § 30 Abs. 2 eine Sonderregelung.

Absatz 2 bezweckt den Schutz des Berechtigten. Der Nachbar soll sich rechtzeitig auf Veränderungen einstellen können, die der Duldungspflichtige auf seinem Grundstück vorzunehmen beabsichtigt, um prüfen zu können, ob er nicht vor dem Überbau etwaiger wertvoller Anlagen eine Ersatzlösung wählt, die eine erhebliche Ersatzpflicht bei späteren Leitungsreparaturen vermeidet.

Zu § 29:

Zum Ausgleich gegenüber seiner Verpflichtung, die Verlegung einer fremden Leitung auf seinem Grundstück zu dulden, will § 29 Abs. 1 dem Eigentümer des betroffenen Grundstücks das Recht geben, sich seinerseits an diese fremden Leitungen anzuschließen, wenn die Leitungen ausreichen, um die Wasserversorgung oder Entwässerung beider Grundstücke sicherzustellen. Durch die Verweisung auf § 26 Abs. 2 Satz 2 ist gesagt, dass er im Falle der Ausübung dieses Rechts einen angemessenen Beitrag zu Herstellungskosten des mitbenutzten Teils der Leitungen und auf Verlangen Sicherheit hierfür zu leisten hat. Die Verweisung auf § 27 stellt klar, dass der Berechtigte seine Anschlußleitungen selbst zu unterhalten und zu den Unterhaltungskosten der mitbenutzten Teile der fremden Leitung einen angemesseneren Beitrag zu zahlen hat. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Anzeige und zum Schadensersatz wird auf § 28 verwiesen, die dortige Begründung gilt entsprechend.

Absatz 2 betrifft den Fall, dass die Leitungen nach § 26 noch nicht verlegt sind, der Eigentümer des betroffenen Grundstücks jedoch bereits entschlossen ist, im Falle einer Leitungslegung sein Grundstück an die fremden Leitungen nach Absatz 1 anzuschließen. Bei einer solchen Sachlage verlangt schon der Gedanke des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses eine Rücksichtnahme auf die Vorstellungen des Eigentümers des betroffenen Grundstücks. Absatz 2 gibt ihm ein Recht, eine solche Leitungslegung zu verlangen, dass sein späterer Anschluß keinen Schwierigkeiten begegnet. Dieses Verlangen kann sich sowohl räumlich auf Leitungsführung beziehen als auch auf die technische Durchführung. Insbesondere soll der Berechtigte verlangen können, dass die Leitungen schon jetzt in einer solchen Stärke verlegt werden, dass auch seinen Bedürfnissen Rechnung getragen ist. Ein Vorbild für diese Regelung findet sich in § 12, der bei der Errichtung einer Nachbarwand dem Nachbarn den Anspruch gibt, eine solche Gründung zu verlangen, dass auch seinen Bauabsichten Rechnung getragen ist.

Durch das Verlangen nach Absatz 2 werden regelmäßig höhere Kosten entstehen als bei der Verlegung von Leitungen, die nur auf die Bedürfnisse des einen Grundstücks abgestellt sind. Ähnlich wie im Falle des § 12 erscheint es auch hier billig, dem Anschlußberechtigten die Mehrkosten aufzuerlegen und ihn zur Vorschußzahlung zu verpflichten.

Zu § 30:

Die Duldungspflicht für das Verlegen von Leitungen in einem fremden Grundstück bedarf einer Ergänzung durch Begründung einer Art von Hammerschlagsrecht, um dem Berechtigten die praktische Durchführung und Aufrechterhaltung seiner Rechte zu ermöglichen. Der Berechtigte muss in der Lage sein, zum Zwecke der Verlegung, Änderung, Unterhaltung oder Beseitigung der von ihm verlegten Leitungen das fremde Grundstück zu betreten und die erforderlichen Maßnahmen dort vornehmen zu lassen. Bei der notwendigen Abgrenzung dieser Befugnisse bietet sich von der Sache her eine Anlehnung an die Bestimmungen über das Hammerschlags- und Leiterrecht an. Die Voraussetzungen sind deshalb in § 30 denen in § 21 angeglichen.

Ebenso gelten die für die §§ 22 bis 25 maßgeblichen Gesichtspunkte auch hier. Durch die in Absatz 2 vorgeschlagene Verweisung auf diese Bestimmungen soll der Berechtigte daher verpflichtet werden, die beabsichtigte Rechtsausübung vorher anzuzeigen (§ 22), den bei der Rechtsausübung entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 23), notfalls Sicherheit dafür zu leisten (§ 23), es sei denn, dass Gefahr im Verzug ist (§ 24). Ebenso erscheint es billig, die Bestimmungen über die Nutzungsentschädigung (§ 25) entsprechend anzuwenden, da hier eine vergleichbare Interessenlage gegeben ist.

Zu § 31: § 26 macht zwar die Duldungspflicht davon abhängig, dass mit der Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks keine erhebliche Beeinträchtigung verbunden ist. Es ist jedoch denkbar, dass sich erst nachträglich solche erhebliche Beeinträchtigungen herausstellen, die dem Betroffenen nicht zumutbar sind. Für diesen Fall gibt § 31 Abs. 1 Satz 1 dem Betroffenen einen Anspruch auf Beseitigung der Leitungen. Der Berechtigte kann aber diesem Beseitigungsrecht dadurch begegnen, dass er durch geeignete Maßnahmen die Beeinträchtigungen so herabmindert, dass sie nicht mehr erheblich und damit dem Duldungspflichtigen noch zumutbar sind. Falls im Zusammenhang mit der Beseitigung der Leitungen auf dem betroffenen Grundstück Schaden entsteht, soll ihn der aus § 26 Berechtigte ohne Rücksicht auf Verschulden tragen, weil er die nachträglichen erheblichen Beeinträchtigungen auch verursacht hat.

Zu § 32: Ähnlich wie in den Fällen des § 20 und des § 25 entspricht es auch hier einem Gebot der Billigkeit, für die dauernde Inanspruchnahme eines fremden Grundstücks dem Begünstigten eine Entschädigungspflicht aufzuerlegen. Absatz 2 bestimmt die Grundsätze, die bei der Bemessung der Entschädigung zu beachten sind.

Zu § 33:

Soweit die Gemeinden den Anschluß an eine Fernheizung zwingend vorschreiben können, kann ein solcher Anschluß unter Umständen ohne Inanspruchnahme eines fremden Grundstücks nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen möglich sein. Es besteht deshalb ein Bedürfnis, die Bestimmungen des Sechsten Abschnitts auch auf solche Fälle für entsprechend anwendbar zu erklären.