Mine Bitte bezieht sich auf die integrierte Versorgung

PD Dr. Bernward Vieten (Westfälisches Zentrum Paderborn, Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie): Gestatten Sie mir einige Worte an Sie als Abgeordnete. Neben dem Dank für die Durchführung dieser Anhörung, die ich für sehr verdienstvoll halte - hoffentlich hat sie auch entsprechende Konsequenzen für das Land -, ein Dank und eine Bitte in Bezug auf die Beratungen zur Gesundheitsreform, die gerade anstehen: Nehmen Sie Ihren direkten Einfluss wahr. Wirken Sie auf die Bundestagsabgeordneten und die Entscheidungsfindung im Bundesrat ein. Wenn es dabei bleibt, dass das Sonderopfer für psychiatrische Kliniken vom Tisch ist, sage ich ganz ausdrücklich herzlichen Dank dafür.

Mine Bitte bezieht sich auf die integrierte Versorgung. Dort findet eine gigantische Quersubventionierung der Somatik aus dem Topf der Psychiatrie statt. Lediglich etwas mehr als 1 % der Verträge kommt aus dem Bereich der psychiatrischen Versorgung. Dies betrifft das Budget der ambulanten und der stationären Versorgung. Ich spreche das an, weil es hier noch nicht Thema war. 500 Millionen sind ausgegeben worden - eine gigantische Summe -, davon nach meiner Schätzung 487 Millionen im Bereich der Somatik. Setzen Sie sich in den bevorstehenden Beratungen für eine Quotierung für Patientengruppen ein! Über die Frage, wie das technisch geht, mögen sich Experten austauschen. Es ist sicherlich machbar, wenn man es denn will. Das freie Spiel der Kräfte hat dazu geführt, dass die Krankenkassen die genannte Summe lediglich im Bereich der Somatik ausgeben. Dieses Volumen von 500 Millionen wird auch aus dem Bereich der Psychiatrie abgezogen. Das führt zu der genannten Quersubventionierung.

Johannes Tack (Sozialpsychiatrische Initiative Paderborn e. V.): Herr Vorsitzender!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich vertrete hier auch die Arbeitsgemeinschaft der medizinischen Rehabilitationseinrichtungen. Das Thema Rehabilitation ist in der Diskussion des heutigen Tages ein wenig zu kurz gekommen. Herr Prof. Regus hat in seinen Ausführungen ja auf diese Problematik aufmerksam gemacht und gesagt, dass die Probleme der psychiatrischen Rehabilitation zu wenig angesprochen werden.

Wenn wir den Blick auf unser gesamtes Land richten, stellen wir fest, dass es zwei verschiedene Regionen gibt:

In Westfalen-Lippe sind alle ehemaligen Übergangsheime inzwischen zu gemeindenahen medizinischen Rehabilitationseinrichtungen mutiert. Wir haben über viele Jahre Verhandlungen geführt - zum einen mit den Rentenversicherungsträgern, zum anderen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen. Seit einem Jahr haben alle diese Einrichtungen - bis auf zwei Ausnahmen - Versorgungsverträge. Wir haben es sogar geschafft, mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe eine Leistungsvereinbarung über eine soziale Rumpfrehabilitationsmaßnahme in der Einrichtung, wenn ich das einmal so bezeichnen darf, abzuschließen.

Im Rheinland sieht es anders aus. In den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege wird diskutiert, jetzt auch medizinische Rehabilitationseinrichtungen zu implementieren. Das ist auch sinnvoll und richtig. Wir warnen aber davor, die Landschaft der etablierten Übergangseinrichtungen völlig durch medizinische Rehabilitationseinrichtungen zu ersetzen; denn in den Übergangsheimen beispielsweise der gemeindepsychiatrischen Verbünde wird sehr kompetente, sehr qualifizierte soziale Rehabilitation bildet. So macht es Sinn, neben diesen Einrichtungen zusätzliche medizinische Rehabilitationseinrichtungen zu schaffen. Damit vermeidet man auch, dass mühselige Verhandlungen, wie wir sie in den vergangenen Jahren geführt haben, letzten Endes zulasten der Betroffenen gehen.

Ich möchte noch einmal kurz die Diskussion zur Versorgung der Kinder und Jugendlichen aufgreifen. Im Laufe des heutigen Tages ist ja deutlich geworden, dass hier eine eklatante Unterversorgung besteht - gerade in den Gemeinden. Wir als medizinische Rehabilitationseinrichtungen stellen fest, dass vermehrt Anfragen aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie an uns herangetragen werden, bei denen es darum geht, ähnliche Programme für Kinder und Jugendliche in den Gemeinden umzusetzen.

In Westfalen haben dies zumindest drei Träger getan: die Einrichtung Trialog in Essen, der Förderkreis Sozialpsychiatrie Münster und wir in Paderborn, die SPI.

Der Gedanke, sich mit dieser Zielgruppe näher zu beschäftigen, hat in der Diskussion unserer Arbeitsgemeinschaft jetzt Vorrang bekommen. Alle Einrichtungen setzen sich mit der Frage auseinander, dieses Thema möglicherweise für ihre Region aufzugreifen und den Dialog mit den zuständigen Ansprechpartnern der Jugendhilfe und der Kinder- und Jugendpsychiatrie vor Ort zu führen. Auch in der Arbeitsgruppe Neue Zielgruppen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation wird dieses Thema aktuell diskutiert.

Ein weiteres Problem ist die Vernetzung zwischen der medizinischen und der beruflichen Rehabilitation. Es gibt in unserem Land an einigen Standorten schon berufliche Trainingszentren. Dort ist die Zusammenarbeit zwischen medizinischer und beruflicher Rehabilitation sehr gut ausgeprägt. In den unterversorgten Regionen macht es aber möglicherweise Sinn, dass man an den Orten, an denen RPKs, medizinische Rehabilitationseinrichtungen, etabliert sind, unter dem Dach der RPKs auch berufliche Rehabilitationsmaßnahmen durchführt, sodass es zu einem fließenden Übergang zwischen medizinischer und beruflicher Rehabilitation kommt. Das hat auch den Nebeneffekt, dass es volkswirtschaftlich betrachtet viel effizienter, viel kostengünstiger ist. In anderen Bundesländern ist das inzwischen umgesetzt. Dort führen die RPKs also auch berufliche Rehamaßnahmen durch.

Vorsitzender Günter Garbrecht (AGS): Das regionale Psychiatriebudget ist schon mehrfach angesprochen worden. Zu der Frage der Einbeziehung der niedergelassenen Ärzte sollten sich aber auch die KVen noch äußern.

Wolfgang Voelzke (Stadt Bielefeld, Amt für Planung und Finanzen, Jugend/Soziales/Wohnen): Grundsätzlich finde ich es wichtig, neue Steuerungsmodelle wie das regionale Psychiatriebudget anzupacken und in diesem Zusammenhang Modellregionen zu ermöglichen, so etwas umzusetzen.

Fragen habe ich natürlich auch: Wie sieht es mit der Abgrenzung aus? Betrifft das regionale Psychiatriebudget die SGB-V-Leistungen? Betrifft es alle SGB-V-Leistungen, also auch die der niedergelassenen Psychiaterinnen und Psychiater sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten? Welche anderen Leistungen im SGB-V-Bereich sind einbezogen? Werden auch andere Leistungen der Eingliederungshilfe einbezogen?

Die Umsetzung setzt allerdings voraus, dass es - entsprechend der Zielrichtung des gemeindepsychiatrischen Verbundes - zu einer Versorgungsverpflichtung in der Region kommt. Das heißt, dass dann alle Leistungsanbieter bereit sein müssen, an einem Strang zu ziehen, um es möglichst flexibel hinzubekommen, dass mit den jeweiligen Rahmenbedingungen und dem Regionalbudget auch die dort lebenden Einwohnerinnen und Einwohner versorgt werden.

Die andere Frage ist - und das müsste ein Modellprojekt zeigen -, ob diese notwendige Flexibilität und Weiterentwicklung auch die gleiche Qualität sicherstellt oder ob dann bei aller Flexibilität - nicht mehr ganz die gleichen Qualitätsstandards gelten. - Das sind meine Fragen an dieses lohnende Modell.

Dr. Ulrich Thamer (Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe): Diese ergänzenden Fragen sind durchaus sinnvoll. Man müsste natürlich klären, wer aus diesem Budget gespeist wird.

Generell kann man sagen: Wir haben in Westfalen-Lippe drei Honorarnetze. Die haben im Grunde die Versorgungsverantwortung bekommen. Das Geld, das sie bisher im System gebraucht haben, wurde in ihre eigene Regie gegeben. Wenn man für Geld verantwortlich ist, geht man natürlich auch anders damit um. Das führt zur Verbesserung der Versorgung. Der Schnickschnack fällt weg. Die Effektivität wird verbessert. Wenn man ein solches Budget dann morbiditätsorientiert weiterentwickelt, macht das Sinn. Im Prinzip ist ein solches Modell also gut. Meines Erachtens sollte man es erproben.

Die Frage ist aber in der Tat, wer aus einem solchen Budget gespeist wird, welche Gruppen daran teilnehmen und wo es besonders sinnvoll ist. Man müsste noch einmal reflektieren, ob so etwas für die Gesamtversorgung oder nur für einen Teil der Versorgung, beispielsweise für bestimmte Krankheitsbilder, Sinn macht. Diese Frage kann ich aus dem Stand nicht beantworten, zumal ein solches Budget auch erhebliche Konsequenzen für die einzelnen Gruppen haben wird.

Vorsitzender Günter Garbrecht (AGS): Ich leite jetzt zum letzten Themenblock über die Schlussrunde haben wir ja gestrichen -, unter dem wir folgende Punkte vorgesehen haben: Zielgruppen (unter anderem geschlechtergerechte Ausrichtung, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Gerontopsychiatrie und Demenz, Migrant/-innen und Psychiatrie, Suchtkrankenhilfe und Versorgung) Selbsthilfe, Angehörige, Trialog

Eine Reihe dieser Punkte sind bereits in den vorigen Runden angesprochen worden.

Gleichwohl haben die Abgeordneten jetzt Gelegenheit, Fragen zu diesem Komplex zu stellen.