Schulden

Zur Ganztagsentwicklung: Wir haben das Problem der mangelhaften Ausstattung der Kommunen. Die G8-Entwicklung, die Ganztagsentwicklung wird gerade bei kleinen Kommunen, die nur eine geringe Schulpauschale bekommen, dazu führen, dass - sie müssen schon aufgrund des Pausenerlasses usw. investieren, sie können die Kinder ja nicht auf die Flure schicken, sie werden Geld in die Hand nehmen, aber nicht mehr, als sie können und haushaltsrechtlich dürfen - teilweise auch nicht nachhaltige Lösungen gefunden werden müssen, was wir außerordentlich bedauern.

Claus Hamacher (Städte- und Gemeindebund NRW): Frau Beer, Sie hatten gefragt, ob wir Gewehr bei Fuß stehen, um Modellprojekte zu initiieren. Zunächst einmal ist mir wichtig festzuhalten, dass nicht alles, worüber man reden kann, zwingend ein Modellprojekt erfordert. Frau Prof. Faber hat eine Reihe von Themen genannt, bei denen wir auch heute schon aktiv werden könnten, ohne dass vorher Modellprojekte stattfinden müssen.

Wenn Modellprojekte sinnvoll erscheinen, dann bin ich sicher, dass sich auch relativ rasch Kommunen finden, die bereit sind, dort einzusteigen. Allerdings gebe ich zu bedenken - das hat Herr Prof. Hasenclever eben vollkommen zu Recht gesagt -: Die Erfolgsaussichten von Modellprojekten hängen stark davon ab, dass es gelingt, alle Beteiligten in solch einem Prozess mitzunehmen. Das sind in dem Fall nicht nur die Kommunen bzw. die Vertreter der Kommunalverwaltungen, sondern auch die Schüler, Eltern, Lehrer und insbesondere die Schulleiter. Das heißt, wenn es gelingen kann, eine breite Bereitschaft für die Durchführung eines Modellprojekts herbeizuführen, dann ließe sich das relativ rasch machen. Das ist eine Voraussetzung, ohne deren Erfüllung man lieber Abstand davon nehmen sollte. Ich weiß nicht, ob es nicht mehr Schaden anrichten, als es Nutzen bringen würde, einfach etwas überzustülpen in einer Zeit, in der durch viele Umstellungsprozesse, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, eine gewisse Reformmüdigkeit eingetreten ist.

Zur Frage der unterschiedlichen Finanzkraft: Ich bekomme zunehmend Zweifel, ob es sinnvoll ist, die Lösung für dieses Problem in einem segmentierten Politikfeld zu suchen. Denn dass die Kommunen eine unterschiedliche Finanzausstattung haben, schlägt nicht nur auf den Schulbereich durch, sondern auch auf andere Bereiche.

Deswegen ist für mich die Frage offen, ob man das durch eine Reform des Schulfinanzrechts oder der Schulfinanzbeziehungen lösen kann. Wenn man im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse den Anspruch hat, alle zumindest in eine vergleichbare, wenn auch nicht gleiche Lage zu versetzen, kommunales Engagement zu zeigen, dann muss der Lösungsansatz tiefer greifen.

Die letzten beiden Jahre waren konjunkturell bedingt sehr gute Jahre für die Kommunen. Wir haben 2007 zum ersten Mal wieder einen Überschuss erwirtschaftet.

Wenn man allerdings genauer hinschaut, sieht man auch, dass die Schere im Land zwischen den einzelnen Städten und Gemeinden nicht enger, sondern im Gegenteil weiter auseinanderklafft. Manche schaffen es, sich zu entschulden, und können dann Veröffentlichungen wie 1-2-3 Schuldenfrei in die Welt setzen. Andere stehen relativ fassungslos davor, weil es ihnen ausgesprochen dreckig geht, um es etwas volkstümlich zu sagen. Die Voraussetzungen sind so unterschiedlich, dass wir sie auch nicht durch eine Umverteilung des Mangels innerhalb des kommunalen Finanzausgleichs lösen werden.

Man kann an Schräubchen bei der Schulpauschale drehen, aber damit werden Sie das grundlegende Problem, dass es eine strukturelle Unterfinanzierung gibt, die sich nicht nur in den Schulbereich, sondern auch in andere Bereiche auswirkt, ob es die U3-Betreuung oder etwas anderes ist, nicht in den Griff bekommen. Über die Zukunft der kommunalen Finanzausstattung werden wir sehr viel grundsätzlichere Gespräche führen müssen und wahrscheinlich nicht hier im Schulausschuss, sondern in anderen Zusammenhängen.

Über die Frage der kommunalen Öffnungsklausel müssen wir noch einmal nachdenken. Auch da müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen.

Zum Thema Schulleiterbestellung haben wir Stellung genommen. Ich wiederhole es gerne noch einmal, will es aber nicht in die Breite ziehen. Uns fehlt ein bisschen das Verständnis für die Bedeutung, die die Bestellung von Schulleitungsfunktionen für die Kommunen insgesamt hat. Das Problem lässt sich wahrscheinlich auch nicht allein im Schulrecht lösen, sondern insbesondere beamtenrechtliche Vorschriften verhindern, dass es zu einer Einflussnahme der kommunalen Seite kommen kann. Da kommen wir nicht ohne Weiteres dran. Man muss aus kommunaler Sicht zur Kenntnis nehmen, dass dem Grenzen gesetzt sind, die nur beschränkt beeinflussbar sind.

Zur Schulaufsicht hatten wir gesagt, dass wir uns eher eine ortsnahe Variante gewünscht hätten, aber das müssen wir nicht noch einmal vertiefen.

Herr Link hatte danach gefragt: Wie bewerten Sie die Möglichkeiten, im geltenden Rahmen zu Veränderungen zu kommen? Ich meine, da müssen wir jetzt nicht nachkarten, das war Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens zum Schulrechtsänderungsgesetz. Ohne Veränderung des Rahmens werden wir nicht zu grundsätzlichen Veränderungen kommen. Es gibt auch im geltenden gesetzlichen Rahmen Handlungsspielräume, aber wir sollten weniger vor dem aktuellen Recht argumentieren und denken, sondern die richtige Sichtweise ist immer: Wie hebe ich die Bildungspotenziale bei den Schülerinnen und Schülern am besten? Welche Strukturen passen dazu? Organisationsstrukturen kann man nicht um ihrer selbst willen erhalten, man muss sie vor dem Hintergrund dessen, was man damit erreichen will, infrage stellen.

Um unseren Altbundeskanzler zu zitieren: Wichtig ist, was hinten rauskommt. Wenn ich dann zu der Erkenntnis komme, dass ein Rechtsrahmen dem angepasst werden muss, dann sei es eben so. Dann muss das auch hier im Landtag - er hat die Kraft dazu - geschehen. Aber ich fange nicht an, vom Rechtsrahmen aus zu argumentieren.

Markus Leßmann (Landkreistag NRW): Um es nicht unnötig in die Länge zu ziehen, schließe ich mich hinsichtlich der Fragen von Herrn Link komplett Herrn Hamacher an, auch was die Finanzfragen angeht. Für diese Diskussion hätte ich gern einen globalen Ansatz und nicht nur einen schulbezogenen, bei dem wieder irgendwelche speziellen kommunalen Unterschiede hineingerechnet werden. Wir haben genug Einzelfalllösungen in der kommunalen Finanzierung. Das Gleiche gilt hinsichtlich der angesprochenen Probleme bei der Schulleiterwahl usw.

Zu Frau Beer: Können wir morgen starten? Sie meinen, glaube ich, nicht die Einzelschritte, die Frau Prof. Faber richtigerweise aufgezählt hat, bei denen einiges in der Umsetzung ist und anderes - gesetzliche Änderungen - noch politisch diskutiert werden muss. Das könnte, wenn es entschieden ist, sicherlich sehr schnell ins Werk gesetzt werden.

Wenn Sie einen umfassenderen Modellversuch meinen, was Sie kurz angesprochen haben, also Zuständigkeiten für Schulformen zu kommunalisieren, dann müssen wir erst einmal klarbekommen: Was wollen wir erproben? Modellversuche ersetzen nicht die inhaltliche Diskussion der Entscheidung über die Zielrichtung. Das muss zuerst kommen. Mir ist im Moment noch etwas zu unkonkret, welches Bild von kommunaler Schulstruktur Sie vor Augen haben. Dass einige interessante Diskussionen auf uns zukämen und das nicht ganz unproblematisch wäre, wenn wir alle Sekundarstufen II bei den Kreisen ansiedeln würden, können Sie sich denken. Es ist noch etwas zu früh, zu sagen: Wir starten einen Modellversuch. Die Bereitschaft wäre sicherlich da, wenn die Inhalte stimmig sind.

Generell möchte ich noch einmal auf das hinweisen, was Herr Hamacher gesagt hat.

Der Schulbereich ist in der letzten Zeit nicht durch eine Armut an Reformen geprägt.

Mein Grundappell ist, erst einmal die Reformen, die man schon ins Werk gesetzt hat, kraftvoll und konsequent umzusetzen, bevor man alle Akteure wieder einem neuen Veränderungsbedarf aussetzt.

Damit kommen wir zu den regionalen Bildungsnetzwerken. Das betrifft eine Reform, die man jetzt gemeinsam mit der eigenverantwortlichen Schule in Angriff genommen hat, es ist ein Gesamtprojekt. Aus unserer Sicht gilt es, das erst einmal kraftvoll umzusetzen und eher noch zu stärken. Wenn man Bildungsnetzwerke gründet und das als Einheit bezeichnet, wo regionale Bildungslandschaften gestaltet und Schulen unterstützt werden, dann ist es falsch, relativ zeitgleich die Verantwortung für die Schulaufsicht auf eine andere Ebene hochzuzonen. Dann wäre es richtig gewesen wie es heute schon mehrfach gesagt worden ist -, es dort zu belassen oder diese Ebene in der Schulaufsicht vielleicht sogar noch weiter zu stärken.

Ich kann nur sagen: Ein bisschen mehr Mut, um ein solches Projekt kontinuierlich und konsequent durchzuführen. Dann vermeidet man die von Frau Schäfer angesprochenen Parallelstrukturen. Es gibt noch vieles, was man vereinheitlichen könnte.

Man bildet Kompetenzteams, regelt die Schulaufsicht, und alles läuft als Reförmchen nebeneinander her. Darin wäre noch Potenzial, das Ganze mehr zu einer kompletten stringenten Reform weiterzuentwickeln, die das Problem dann einer Lösung zuführen kann.

Zu der Frage von Herrn Kaiser nach Erfahrungen auch außerhalb der bisherigen 19 Modellkommunen: Erfahrungen haben sie noch nicht, sie starten jetzt alle. Aber die Bereitschaft, sich an diesen Projekten zu beteiligen, ist überaus groß. Das Interesse ist so, dass ich vermute, dass wir sehr schnell zu flächendeckenden Bildungsnetzwerken kommen.