Bergschäden durch Wiederanstieg des Grundwassers im Aachener / Erkelenzer Revier

Im Aachener / Erkelenzer Revier wurden die letzten verbliebenen Zechen mit dem Verbundbergwerk Anna (Alsdorf)/Emil Mayrisch (Aldenhoven-Siersdorf) sowie Sophia Jacoba (Hückelhoven) in den 1990er Jahren zusammengefasst und liegen zurzeit alle im Eigentum der RAG Tochter Eschweiler Bergwerks Verein (EBV) AG.

Nach Einstellung des Bergbaus in der letzten im Aachener / Erkelenzer Revier noch aktiven Zeche Sophia Jacoba und Aufgabe der Wasserhaltung 1997, gibt es im ehemaligen Revier von Sophia Jacoba einen Wiederanstieg des Grundwassers und dadurch verursacht Geländehebungen, die 5 bis 10 % der vorherigen Bergbausenkungen betragen können.

Durch diese Geländehebungen werden erhebliche Schäden an Gebäuden und möglicherweise auch an Straßen und Kanalisationen verursacht. So sollen z. B. in den Jahren 2002 2004 im Einzugsbereich der ehemaligen Zeche Sophia Jacoba alleine in Wassenberg acht Häuser abgerissen worden sein. Weitere Häuser, darunter auch das alte historische Rathaus der Stadt Wassenberg, sind praktisch nicht mehr wieder herzustellen. Die Frage des Ausmaßes der Schäden und der Art der Regulierung durch die Verursacher ist nicht nur für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger und für die betroffenen Kommunen im ehemaligen Aachener / Erkelenzer Revier von Bedeutung. Angesichts der von der Landesregierung richtigerweise geplanten Beendigung des Bergbaus am Niederrhein und im Ruhrgebiet ist die Frage, wie die Schäden im Aachener / Erkelenzer Revier reguliert werden, auch für die möglicherweise zukünftig dort Betroffenen wichtig.

Ich frage die Landesregierung:

1. Bei welchen Zechen des ehemaligen Aachener / Erkelenzer Reviers ist zu welchem Zeitpunkt die Wasserhaltung eingestellt worden?

2. Wie hoch sind zurzeit in den einzelnen im Aachener / Erkelenzer Revier aufgegebenen Zechen die Wasserstände des wieder ansteigenden Grundwassers?

3. Bis zu welcher Höhe ist geplant das Grundwasser in den einzelnen im Aachener / Erkelenzer Revier aufgegebenen Zechen wieder ansteigen zu lassen?

4. Wann wird dieser Endzustand des Grundwasserwiederanstiegs in den einzelnen im Aachener / Erkelenzer Revier aufgegebenen Zechen voraussichtlich erreicht sein (Ich bitte um Einzelangaben für jeden einzelnen Zechenstandort)?

5. Aus welchen Kommunen des ehemaligen Aachener / Erkelenzer Steinkohlereviers sind Schäden an Gebäuden, an Straßen und an Kanalisationen durch wieder aufsteigendes Grundwasser bekannt?

Antwort der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie vom 5. Januar 2006 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen und Verkehr und dem Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:

Vorbemerkung:

Wie in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage zutreffend ausgeführt ist, wurde im Aachener Revier zuletzt das Verbundbergwerk Emil Mayrisch und im Erkelenzer Revier zuletzt das Bergwerk Sophia Jacoba geschlossen. Die behauptete pauschale Korrelation zwischen den durch Grubenwasseranstieg bedingten Bodenbewegungen und den durch vorangegangenen Abbau eingetretenen Bodenbewegungen, nach der die Hebungen 5 bis 10 % der vorherigen Senkungen betragen könnten (bezogen auf die Absolutbeträge), wird jedoch weder durch die dort noch in anderen stillgelegten Bergbaurevieren mit ansteigenden Grubenwasserständen durchgeführten Messungen bestätigt. Die Annahme, es bestehe grundsätzlich ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem abbaubedingten Senkungsbetrag eines Punktes und seinem Hebungsbetrag nach Einstellung der Wasserhaltung konnte in bisher vorgenommenen Auswertungen nicht verifiziert werden. In Einzelfällen führte ein Ansteigen des Grubenwasserstandes nach Einstellung der Wasserhaltung sogar zu weiteren Senkungen.

Bereits länger zurück liegende Beobachtungen im Bereich der Wittener Mulde (Südliches Ruhrrevier) weisen Hebungen aus, deren Maxima 2,0 bis 2,5 % der jeweils größten summarisch gebauten Mächtigkeit betrugen. Jüngere Beobachtungen im Südlimburger Revier zeigten entsprechende Werte von 2 bis 5 % der eingetretenen Senkungen, während aus dem Ibbenbürener Revier bis zu 7 % bekannt sind, wobei eine Korrelation zwischen den Hebungsmaxima und den ehemaligen Abbauschwerpunkten nicht erkennbar war.

Zur Frage 1:

Als letztes Bergwerk des Aachener Reviers wurde das Verbundbergwerk Emil Mayrisch zum Ende des Jahres 1992 stillgelegt. Das Grubenwasser des Verbundbergwerks Emil Mayrisch wurde an den Standorten der Bergwerke Anna, Carl-Alexander, Emil Mayrisch (östlich der tektonischen Störung „Feldbiß") sowie an den Schächten „Von-Goerschen-Schacht" und "Beerenbosch II" (Grubenfelder Gouley-Laurweg und Domaniale, westlich des „Feldbiß") gehoben. Die östlich des „Feldbiß" gelegenen Wasserhaltungen wurden im Jahr 1993 endgültig eingestellt. Die südöstlich des Grubenfeldes Anna im Feld Maria gelegene Wasserhaltung war bereits im Jahr 1990 eingestellt worden.

In den westlich des „Feldbiß" gelegenen Grubenfeldern wurden die Wasserhaltungen im vonGoerschen-Schacht (Würselen) am 13.01.1994 bzw. im Schacht Beerenbosch II (KerkradeNL) am 31.01.1994 zunächst gestundet und schließlich am 07.02.1994 mit der Option eingestellt, diese im Zusammenhang mit dem gestuften Grubenwasseranstieg wieder in Betrieb nehmen zu können.

Als letztes Bergwerk des Erkelenzer Reviers wurde das Bergwerk Sophia-Jacoba 1997 stillgelegt. Mit der Stilllegung des Bergwerks wurde auch die Wasserhaltung an den einzelnen Hebungsstandorten eingestellt. Im Ergebnis einer gutachterlichen Einschätzung wurde abweichend von der Vorgehensweise im Aachener Revier auf einen gestuften Grubenwasseranstieg verzichtet.

Zur Frage 2:

Im Rahmen des Grubenwasseranstiegs im Aachener Revier haben sich auf Grund der besonderen geologischen und bergbaulichen Verhältnisse zwei hydrogeologische Homogenbereiche ausgebildet (westlich und östlich des "Feldbiß"). Innerhalb dieser Homogenbereiche erfolgt der Grubenwasseranstieg auf einem weitgehend einheitlichen Niveau.

Im westlichen Homogenbereich, der auf deutschem Staatsgebiet die westlichen Teile der Ortslagen Würselen und Herzogenrath überdeckt, steht das Grubenwasser derzeit auf einem Niveau von +19 m NN (Stand 14.11.2005), d.h. rund 90 m unterhalb des tiefsten Vorflutniveaus der Wurm (+107 m NN). Im östlichen Homogenbereich (Ortslagen Herzogenrath (tlw.), Würselen (tlw.), Alsdorf, Baesweiler, Aldenhoven, Übach-Palenberg) steht das Grubenwasser derzeit auf einem mittleren Niveau von -175 m NN (Stand 14.11.2005).

Im ehemaligen Wasserhebungsbereich des Erkelenzer Reviers hat sich ein einheitliches Standwasserniveau ausgebildet, das mit Stand zum 01.07.05 bei -39 m NN lag.

Zur Frage 3:

Im Aachener Revier ist vorgesehen, das Grubenwasser bis auf das Niveau der „natürlichen Vorflut" ansteigen zu lassen. Der Grubenwasseranstieg erfolgt dabei stufenweise und ist zurzeit für den östlichen Bereich bis zum Niveau +40 m NN und für den westlichen Bereich bis zum Niveau +/-0 m NN zugelassen.

Im westlichen Homogenbereich liegt das natürliche Vorflutniveau im Wurmtal zwischen rund +107 m NN und +130 m NN. In den besiedelten Hochflächen zu beiden Seiten des Wurmtals wird das Grubenwasser nach dem Anstieg auf das natürliche Vorflutniveau durch ein System von gesicherten Entwässerungsstollen des Altbergbaus auf dem Niveau des Wurmtals kurz gehalten.

Im östlichen Homogenbereich liegt das tiefste Vorflutniveau am Nordrand des Reviers zwischen rund +70 und +105 m NN. Gegebenenfalls zu Tage austretendes Wasser würde über die lokalen Vorfluter - u. a. Wurm, Merzbach, Settericher Fließ - zur Rur abfließen.

Auch im Erkelenzer Revier ist die Wiedereinstellung natürlicher Wasserstände angestrebt.

Im Bereich des ehemaligen Bergwerks Sophia Jacoba ist gemäß gutachterlicher Aussage mit Wasseraustritten an der Tagesoberfläche oder mit Beeinflussungen der oberen Grund wasserleiter nicht zu rechnen. Das mittlere Anstiegsniveau wird maximal bei rund +60 m NN, dem örtlichen, mittleren Vorflutniveau der Rur, liegen.

Zur Frage 4:

Auf Grund der Unwägbarkeiten bezüglich der hydraulischen Verbindungen innerhalb des Grubengebäudes, der Größe der beiden hydrogeologischen Homogenbereiche, die sich im Aachener Revier ausgebildet haben, und der nur überschlägig bestimmbaren Hohlraumvolumina in den Homogenbereichen lässt sich die weitere Zeitdauer des Grubenwasseranstiegs nur grob abschätzen. Es ist davon auszugehen, dass der jeweilige Endzustand des Grubenwasseranstiegs an den einzelnen Zechenstandorten sich entsprechend ihrer Zugehörigkeit zum östlichen oder westlichen Homogenbereich entwickeln wird. In beiden Homogenbereichen werden sich Endstände frühestens in 10 bis 20 Jahren einstellen.

Im Erkelenzer Revier hat sich die Geschwindigkeit des Grubenwasseranstiegs auf aktuell weniger als 8m/a reduziert. Sie wird bei weiterer Annäherung an den natürlichen Schwankungsbereich des Endzustandes exponentiell abnehmen. Je nach Lage des örtlich differierenden natürlichen Vorflutniveaus wird sich der natürliche Endzustand in einem dem Aachener Revier vergleichbaren Zeitraum einstellen.

Zur Frage 5:

Schäden im Zusammenhang mit dem Wiederanstieg des Grubenwassers im Bereich des Erkelenzer Reviers sind der Landesregierung aus den Kommunen Wassenberg, Wegberg und Hückelhoven bekannt. Aus dem Bereich des Aachener Reviers liegen ihr bislang keine Kenntnisse über derartige Schäden vor.

Bei der Geltendmachung und Abgeltung von Bergschadensersatzansprüchen handelt es sich allerdings um eine ausschließlich auf zivilrechtlicher Ebene zwischen dem Geschädigten und dem Bergbauunternehmer oder Bergwerkseigentümer zu regelnde Angelegenheit. Da demzufolge behördliche Stellen mit der Regulierung nicht befasst sind, müssen die der Landesregierung vorliegenden Informationen über diese Schäden nicht vollständig sein.