Ökologisch und ökonomisch verfehlt - Land muss das "newPark-Projekt" unverzüglich stoppen

Im Landesentwicklungsplan VI (LEP VI) wurden 1978 14 Gebiete für flächenintensive und mit Blick auf die Wirtschaftsstruktur des Landes bedeutende Großvorhaben ausgewiesen.

Auf Flächenabschnitten mit einer Mindestgröße von 200 ha sollten hier Unternehmen bzw. Produktionsverbünde der Eisen- und Stahlindustrie, der Metallindustrie, der Mineralölindustrie, der chemischen Industrie oder aus dem Fahrzeugbau angesiedelt werden. Im Zuge einer LEP-Überarbeitung im Jahr 1994 wurde die Untergrenze für den Flächenbedarf auf 80 ha reduziert. Da jedoch auch nach erfolgter Anpassung des Größenparameters keine Investoren für die vorgehaltenen Großflächen interessiert werden konnten, wurden ­ zumindest de facto ­ auch die grundlegenden Zielvorgaben umgedeutet und die einzelnen LEP VI Flächen zunehmend als Ansiedlungsoptionen zur Entwicklung der jeweiligen Region begriffen.

Vor diesem Hintergrund werden seit dem Jahr 1998 im Kreis Recklinghausen im Bereich der Städte Datteln und Waltrop Pläne vorangetrieben, auf der dortigen LEP VI Fläche in den Rieselfeldern ein bis zu 1.000 ha großes industrielles Gewerbegebiet zu etablieren. Diese Planungen firmieren unter dem Namen "newPark" und beinhalten die Schaffung eines Industrieparks zur Ansiedlung von großen Unternehmen vor allem aus der Energie- und Umwelttechnik sowie der Haus- und Gebäudetechnik. Grundlegendes Ziel ist die Stärkung und Weiterentwicklung der regionalen Wirtschaftsstruktur im Emscher-Lippe-Raum.

Angelehnt an die Konzepte für große Einkaufszentren ist ein zentrales Parkmanagement vorgesehen, das sowohl die Flächenentwicklung und die infrastrukturelle Erschließung als auch die anschließende Vermarktung steuern soll. Zudem soll es für die angesiedelten Unternehmen weitreichende Serviceaufgaben übernehmen und als Mittler zwischen ihnen, den Behörden und anderen Projektpartnern fungieren.

Aktuelle Gesellschafter dieser (bereits im Juni 2001 gegründeten) „newPark" Planungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH ("newPark" GmbH) sind die Stadt Datteln, der Kreis Reckling1 hausen, die Stadt Lünen, die Stadt Olfen, die WiN Emscher Lippe Gesellschaft zur Strukturverbesserung mbH, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Unna mbH und die IHK Nord Westfalen. Ziel ist es, durch eine breit angelegte Gesellschafterstruktur die regionale Verankerung des Projektes zu dokumentieren. Insofern soll auch die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr (WMR) als Gesellschafter gewonnen werden. In der am 18. Dezember 2009 von den Fraktionen SPD und Bündnis90/Die Grünen unterzeichneten "RVRKoalitionsvereinbarung" wird allerdings eine Beteiligung der WMR an der "newPark" GmbH ausdrücklich ausgeschlossen. Fakt ist zudem, dass sich die Stadt Waltrop, auf deren Gebiet ein Teil des „newPark"-Areals liegt, gestützt auf ein eindeutiges Votum sowohl der Bürgerschaft als auch des Rates bereits im Jahr 2003 eindeutig ablehnend zum Projekt positioniert hat. Ähnliches gilt für die Stadt Castrop-Rauxel. Massive Vorbehalte gegenüber dem „newPark"-Projekt bestehen - obwohl die "newPark" GmbH den Bereich der Medizintechnik aus dem anvisierten Branchenkanon herausgenommen hat - auch in Bochum.

Das „newPark"-Projekt, dessen Finanzierungsvolumen mit 100 Mio EUR veranschlagt wird, wurde dem Land zur Förderung im Rahmen des NRW-Ziel2 Programms (EFRE) 2007-2013 vorgeschlagen. Bereits in der Förderperiode 2000­2006 wurden die Weiterentwicklung des „newPark"-Konzeptes aus dem im Jahr 2000 durchgeführten städtebaulichen Wettbewerb sowie anschließende Realisierbarkeitsstudien mit ca. 230.000 EUR EU-Mitteln gefördert. Aktuell wird die "newPark"-Planung über das "Regionale Wirtschaftsförderungsprogramm" (RWP) bezuschusst. Ein erster Förderbescheid in Höhe von 2,9 Mio EUR wurde im Mai 2009 überreicht.

II. Aktueller Planungsstand:

Am 28.09.2009 hat der Regionalrat des Regierungsbezirkes Münster im Zuge einer Änderung des Regionalplans die Weichen für die Realisierung des "newPark"-Projektes gestellt.

Beschlossen wurde, das „newPark"-Gebiet auf 330 ha zu begrenzen und die restliche Fläche ­ unter Streichung der hier aktuell noch bestehenden Zweckbindung für Kraftwerke ­ (zunächst) als allgemeinen Freiraum und Agrarbereich darzustellen.

Allerdings werden die Größenvorgaben für die Unternehmensansiedlungen deutlich nach unten korrigiert. So soll nunmehr für einen Kernbereich eine Mindestgröße von 10 ha und für einen Ergänzungsbereich eine Mindestgröße von nur noch 3 ha gelten. Damit wird das Ziel, ein Angebot für großflächige Ansiedlungen vorzuhalten, bis nahe zur Unkenntlichkeit relativiert. Hinzu kommt die explizite Zulässigkeit von Verbundansiedlungen, bei denen kleine Zulieferer und das zugehörige Großunternehmen bei der Berechnung des Mindestflächenbedarfes zusammengefasst und als ein Unternehmen gewertet werden.

Der Regionalrat hat auf die Festsetzung einer strategischen Umweltprüfung (SUP) verzichtet. Mit dieser Entscheidung bewegt er sich auf der Linie der Landesregierung, die in ihrer Vorlage 14/3158 für den Landtag NRW vom 19.1.2010 konstatiert, dass „bei diesen Neudarstellungen nicht von regionalbedeutsamen Umweltauswirkungen auszugehen" sei.

Grundsätzlich anders stellt sich die Position des RVR dar, der - wie die Mehrheitsfraktionen der Verbandsversammlung in ihrer Koalitionsvereinbarung nochmals deutlich gemacht haben - vehement auf die Durchführung einer SUP drängt und damit der Tatsache Rechnung trägt, dass die Planungen auf der Fläche der Rieselfelder bislang noch nie einer SUP unterzogen worden sind.

Unabhängig von der Frage einer SUP-Durchführung ist die Landesregierung bei der Bewertung der vorgenommenen Regionalplanänderung zu dem Schluss gekommen, dass diese dem geltenden LEP widerspricht. Folglich hat sie ein Zielabweichungsverfahren gemäß § 24 Abs. 1 Landesplanungsgesetz (LPlG) eingeleitet. Dabei hat neben der Landesregierung

(19.1.2010) stellvertretend für den Landesgesetzgeber am 27.1.2010 auch der Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie der planerischen Neuausrichtung der LEP VI ­ Fläche in Datteln/Waltrop mehrheitlich zugestimmt.

In einem ersten Bauabschnitt sollen nun ca. 50 % einer 136 ha-Fläche, die sich auf dem Gebiet der Stadt Datteln befindet und als besonders gut vermarktbar gilt, erschlossen werden. Erste Ansiedlungen sollen ab 2012 erfolgen.

III. Projektanalyse:

a) Die ökologische Analyse:

Die Rieselfelder sind eine große Naturfläche, die teilweise bis in das einem besonderen Schutz unterliegende FFH-Gebiet der Lippeaue hineinragen. Die Realisierung des „newPark"-Projektes würde die hier bestehende Schutzfunktion massiv beeinträchtigen und so die sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene verfolgte Leitlinie, speziell Auenlandschaften aufgrund ihrer zunehmenden Seltenheit unter einen besonderen Schutz zu stellen, konterkarieren. Die Rieselfelder sind aber nicht nur für den Natur- und Landschaftsschutz unverzichtbar, in Verbindung mit ihrem Charakter als Überschwemmungsgebiet sind sie auch aus der Perspektive der Wasserwirtschaft von grundlegender Bedeutung.

Besonders hervorzuheben ist auch die Klimafunktion der Rieselfelder, die als Frisch-, und Kaltluftentstehungsgebiet maßgeblich dazu beitragen, dass der südlich gelegene Ballungsraum des Ruhrgebiets belüftet wird. Ohne diesen virulenten Luftaustausch, der im Zuge einer „newPark"-Realisierung und der damit verbundenen Flächenversiegelung zwangsläufig zurückginge, würden die Wärmestaus in den Ballungszentren und die hierdurch induzierten gesundheitsschädigenden Belastungen für die dort lebenden Menschen deutlich zunehmen.

Bedingt durch ihre Lage im Ballungsrandbereich kommt den Rieselfeldern überdies eine hohe Bedeutung als Naherholungsgebiet zu. Auch diese Funktion ginge bei einer Umsetzung des „newPark"-Projektes in erheblichem Maße verloren.

b) Die regional-ökonomisch Analyse: Spätestens seit der im Juli 2001 erfolgten Entscheidung der BMW AG, das geplante neue Werk in Leipzig und nicht auf einer der angebotenen LEP VI Fläche in NRW zu errichten, ist offenkundig, dass eine Ansiedlung industrieller Großvorhaben mit einem Flächenbedarf in der Größenordnung von 80 ha zumindest für das „newPark"-Areal unrealistisch ist. Vor diesem Hintergrund haben die Verantwortlichen des „newPark"-Projektes die Flächenanforderung grundlegend herabgesetzt. Mit der nunmehr festgelegten Mindestgröße von 3 ha allerdings wird der "newPark" zu einem gewöhnlichen Industrie- und Gewerbegebiet, das sich von anderen kommunalen und interkommunalen Gewerbegebieten nur noch durch die Ausdehnung des Gesamtareals unterscheidet.

Dabei besteht gerade im Ruhrgebiet kein Bedarf für ein zusätzliches Gewerbegebiet in der Dimension des „newParks". Denn hier ist nach der Rückführung im Kohlenabbau und der Verringerung der Stahlproduktion eine Vielzahl von Brachflächen entstanden, von denen die meisten aufgrund ihres Charakters als ehemalige Industriestandorte sogar bereits infrastrukturell entwickelt sind. Laut Analyse des RVR stehen in einem Umkreis von 30 km um das „newPark" Areal allein an nutzbaren Brachflächen 370 ha zur Verfügung. Schon dies macht deutlich, dass es kein potentielles Ansiedlungsvorhaben gibt, das nicht auf einer Industriebrache im Ruhrgebiet realisiert werden könnte. Der "newPark" ist somit überflüssig.