Wie aus einer „Pestwiese" Bauland wird: NRW-Minister Wittke mischt sich in kommunale Angelegenheiten

Die „Pestwiese" ist eine rund 4.300 Quadratmeter große Fläche in einem Landschaftsschutzgebiet am Nordrand des Düsseldorfer Stadtteils Angermund. Vor rund 400 Jahren sollen an dieser Stelle mehrere hundert Pestopfer begraben worden sein.

Vor rund einem Jahr wurde für das dortige Grundstück eine Bauvoranfrage für neun Einfamilienhäuser gestellt. Seitdem tobt ein Streit darüber, ob eine Wohnbebauung an dieser historisch wie landschaftlich schützenswerten Stelle zulässig ist. Der Beirat bei der Unteren Landschaftsbehörde Düsseldorf beabsichtigte, dem Bauherrn unter bestimmten Auflagen im Rahmen der Baugenehmigung eine Befreiung zu erteilen.

Die zuständige Bezirksvertretung stimmte daraufhin nur unter dem Druck der Düsseldorfer Stadtverwaltung, die auf einen unstreitigen Rechtsanspruch und mögliche Regressansprüche des Bauherrn hinwies, dem Vorhaben zu. Mittlerweile protestieren jedoch die Bezirksvertreter aller Fraktionen sowie zahlreiche Bürgerinnen und Bürger gegen eine Bebauung in diesem landschaftlich schützenswerten Außenbereichs.

Nach rechtlicher Würdigung einer Bebauung im Landschaftsschutzgebiet folgte die Bezirksregierung als zuständige Kommunalaufsicht einem Einspruch aus der Bürgerschaft und hob die Baugenehmigung auf. Die Bezirksregierung hatte festgestellt, dass es sich bei dem genannten Grundstück um eine Randlage (§35 BauGB, Randbebauung) handelt, so dass eine Bebauung rechtswidrig sei.

Einer Auslegung nach §34 BauGB (Baulücke) wurde damit widersprochen. Auch ein in einem Wäldchen verstecktes Kloster (Solitär in der Landschaft) war offensichtlich als Bezugspunkt nicht zulässig.

Das Gelände „Pestwiese" befindet sich nach Presseberichten im Besitz des Grafen von Spee, für dessen Liegenschaften der Düsseldorfer CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Elbers zuständig ist. Hier wird in aller Öffentlichkeit eine nicht zu akzeptierende Einflussnahme auf politische Entscheidungen vermutet. Auch fragt sich die Bürgerschaft, warum die Stadt Düsseldorf nicht ein geordnetes Bebauungsplan-Verfahren eingeleitet hat. Hierbei wäre es zu einer Interessens-Abwägung (Landschaftsschutz, Bauinteressen, Pestgebeine) gekommen, bei der auch die Anwohner von Angermund Gehör gefunden hätten.

Stattdessen hat nun der nordrhein-westfälische Minister für Bauen und Verkehr, Herr Oliver Wittke, der Bezirksregierung Düsseldorf die Weisung erteilt, die Aufhebung der Baugenehmigung gegenüber der Stadt Düsseldorf rückgängig zu machen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welches Landes-Interesse liegt vor, das das ungewöhnliche Eingreifen des LandesMinisters in kommunale Belange mit einer Weisung an die Bezirksregierung rechtfertigt?

2. Wer bzw. welcher Sachverhalt hat Herrn Minister Wittke veranlasst, die Bezirksregierung aufzufordern, die Entscheidung gegenüber der Stadt Düsseldorf aufzuheben?

3. Auf welcher rechtlichen Grundlage bzw. Prüfung widerspricht der Minister der Rechtsauffassung der Bezirksregierung und den klaren Vorschriften des Bundesrechts (Baugesetzbuch §35)?

4. Warum hat die Landesregierung der Stadt Düsseldorf bei einem Interessenskonflikt nicht ein geordnetes Bebauungsplan-Verfahren angeraten?

5. Hat es persönliche Einflussnahme von Seiten des Oberbürgermeisters Erwin bzw. des Bürgermeisters Elbers auf die Minister-Weisung gegeben?

Antwort des Ministers für Bauen und Verkehr vom 14. März 2006 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Innenminister und dem Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:

Bei der im Volksmund „Pestwiese" genannten Fläche handelt es sich um eine Baulücke am Rande des Düsseldorfer Stadtteils Angermund. Die Stadt Düsseldorf hatte als örtlich zuständige Bauaufsichtsbehörde eine Bebauungsgenehmigung für den straßennahen, dreiseitig von Bebauung umgebenen Teil des Grundstücks erteilt. Die Stadt Düsseldorf hat das Baugrundstück in diesem Verfahren planungsrechtlich als im Zusammenhang bebauten Ortsteil nach § 34 Baugesetzbuch beurteilt.

Das Baugrundstück wird durch den Landschaftsplan der Stadt Düsseldorf als Landschaftsschutzgebiet festgesetzt. Nach § 16 Landschaftsgesetz erstreckt sich der Geltungsbereich des Landschaftsplans allerdings nur auf den baulichen Außenbereich im Sinne des Bauplanungsrechts. Eine Befreiung von den Vorschriften des Landschaftsplanes ist nach § 29 Abs. 3 Landschaftsgesetz NRW (LG) nicht erforderlich, da der Landschaftsplan bei der baurechtlichen Zulassung von Vorhaben in diesen Bereichen rechtsautomatisch außer Kraft tritt.

Ungeachtet dessen war die untere Landschaftsbehörde nach § 21 Abs. 3 BNatschG aus anderen Gründen im Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Im Rahmen der Benehmensherstellung hat sie (ohne das formale Erfordernis) eine Befreiung von der Landschaftsschutzgebietsfestsetzung in Aussicht gestellt.

Gegen die erteilte Bebauungsgenehmigung legten Nachbarn Widerspruch ein. Nach den Ermittlungen der Bezirksregierung Düsseldorf sind diese Nachbarwidersprüche zwar schon deswegen zurückzuweisen, weil die Widerspruchsführer nicht in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Rechten beeinträchtigt werden. Die Bezirksregierung nahm die Widersprüche aber zum Anlass, gleichwohl als Aufsichtsbehörde tätig zu werden, da sie die Auffassung vertritt, der Außenbereich erfasse hier auch den Bereich zwischen der vorhandenen Bebauung. Sie wies die Stadt Düsseldorf an, die Bebauungsgenehmigung zurückzunehmen.

Wo im vorliegenden Fall die Grenze zwischen Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 BauGB und Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB genau verläuft, mag streitig sein. Diese Entscheidung ist aber von der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde zu treffen. Die jeweilige obere Bauaufsichtsbehörde nimmt dagegen aufsichtliche Funktionen wahr.

Da die im vorliegenden Fall von der Stadt Düsseldorf als zuständige untere Bauaufsichtsbehörde getroffene Abgrenzung ohne weiteres nachvollziehbar ist, gibt es keine Veranlassung, seitens der oberen Bauaufsichtbehörde mit aufsichtlichen Mitteln in die Entscheidung über diesen Einzelfall einzugreifen. Das Ministerium für Bauen und Verkehr hat daher durch Weisung sichergestellt, dass die Bezirksregierung Düsseldorf dementsprechend verfährt.

Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Kleine Anfrage 471 im Einvernehmen mit dem Innenministerium und dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wie folgt:

Zur Frage 1:

Ein Eingreifen des Ministers für Bauen und Verkehr in kommunale Belange ist nicht erfolgt:

Das Ministerium für Bauen und Verkehr hat durch sein Handeln einen Eingriff in kommunale Belange verhindert.

Zur Frage 2:

Die Entscheidung der Stadt Düsseldorf ist planungsrechtlich ohne weiteres vertretbar; es gibt keinen Anlass, aufsichtlich gegenüber der Stadt Düsseldorf einzuschreiten.

Zur Frage 3:

Die von der Bezirksregierung Düsseldorf vorgenommene Zuordnung des Grundstücks zum Außenbereich (§ 35 Baugesetzbuch) ist nach der Örtlichkeit zumindest zweifelhaft.

Zur Frage 4:

Die Entscheidung über den Erlass eines Bebauungsplanes ist Bestandteil der verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungshoheit der Gemeinden. Ein Eingriff der Landesregierung in diesen Bereich kommunaler Planungshoheit ist nicht zulässig.

Zur Frage 5:

Nein.