Benötigen mobile Verkaufswagen in NRW eine Baugenehmigung?

Ein Gewerbetreibender bietet in Bielefeld auf einem Parkplatz 100 m entfernt von der örtlichen Kfz-Zulassungsstelle seine Dienste als Schildermacher an. Dieser privat bewirtschaftete Parkplatz gehört zu einem baulichen Ensemble aus einem Studentenwohnheim und zwei Lebensmittelsupermärkten, auf dem der Gewerbetreibende eine separat liegende Parkfläche angemietet hat.

Nach etwa einem Jahr des Betriebs beklagten sich zwei den deutschen Markt beherrschende Konkurrenten über diesen Wagenverkauf. Darauf teilte die Stadt Bielefeld ihnen mit, dass sie sich erst zum Einschreiten genötigt sähe, wenn weitere Verkaufsfahrzeuge zum gleichen Zweck ortsnah aufgestellt würden. Diese städtische Einschränkung erfüllte einer der Konkurrenten umgehend, indem er einen weiteren Wagen auf seinem eigenen Grund aufstellte.

Aus dem Wagen wurden jedoch keine Dienstleistungen angeboten. Er war dauerhaft geschlossen. Er enthielt lediglich ein Schild, das auf den Service im dazugehörenden Ladenlokal verwies. Hierauf verfügte die Stadt Bielefeld aber erwartungsgemäß eine Nutzungsunterlassung mit Zwangsgeldandrohung an den anderen Wagenbetreiber. Die Konkurrenten wandten sich an die Bezirksregierung in Detmold, die eine Baugenehmigung für den Verkaufswagen für notwendig erachtete. Um dem Gewerbetreibenden die Ausübung seiner Tätigkeit zu ermöglichen, hätte nach Auffassung der Bezirksregierung der vorhabenbezogene Bebauungsplan geändert werden müssen.

Entgegen erster Absichtserklärungen entschieden sich die Bezirksvertretung Mitte und der Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss des Rates aber gegen die Änderung des Bebauungsplanes und damit gegen den Gewerbetreibenden. Die Bezirksregierung wies daraufhin die Einstellung des Kfz-Dienstleistungsbetriebes an, obwohl sie davon Kenntnis hatte, dass die Freie und Hansestadt Bremen in einem ähnlichen Fall anders entschieden hatte.

Die örtliche Presse kommentierte dies als mangelnde Courage der Stadt und ihrer demokratischen Gremien, sich mit Fragen eines kundenorientierten Wettbewerbs ehrlich auseinanderzusetzen.

Zudem wurde kritisch angemerkt, dass vergleichbare Verkaufsstellen auf Parkflächen (Blumen, Imbisse, Getränke, Eis, ...) unbehelligt geduldet werden. Es dränge sich der Eindruck auf, dass gerade die Befürchtung einer Legalisierung solcher allerorts anzufindenden Verkaufswagen die Entscheidung in kritischen Einzelfällen beeinflussen könnte. Die IHK Ostwestfalen zu Bielefeld bezeichnete den Vorgang als ein Beispiel für Überregulierung und Bürokratie auf der Suche nach Rechtssicherheit im Regelgeflecht.

Die Hansestadt Bremen hat in einem vergleichbaren Fall einer mobilen Kfz-Prägestelle mit z. T. identischen Konfliktakteuren völlig anders entschieden. Ihre Abwägung der bundesdeutschen Rechtsprechung führte zu dem Ergebnis, dass es „für ein mobiles Fahrzeug, das regelmäßig wieder abgefahren wird, (...) keiner Baugenehmigung" bedarf. [Zitat Amt für Stadtplanung und Bauordnung der Stadt Bremen].

Vor diesem Hintergrund stelle ich der Landesregierung folgende Fragen:

1. Wie bewertet die Landesregierung diesen Vorgang angesichts der Bemühungen um Bürokratieabbau, insbesondere im Hinblick auf das Statement der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld?

2. Benötigen mobile Fahrzeuge, die regelmäßig wieder abgefahren werden, in NRW für Dienstleistungen eine Baugenehmigung?

3. Wenn sie einer Baugenehmigung bedürfen, welche Besonderheiten führen in NRW zu einer solchen Notwenigkeit, die auf Bremen nicht zutreffen?

4. Hat die Bezirksregierung Detmold Anweisung durch die Landesregierung NRW erhalten, in solchen Angelegenheiten entsprechend zu verfahren bzw. hätte die Landesregierung interveniert, wenn Detmold in besagter Frage anders entschieden hätte?

5. Ist beabsichtigt, landesweit zu einer Regelung für vergleichbare Verkaufsstellen auf Parkflächen (Blumen, Bratwürstchen, Getränke, Eis, halbe Hähnchen...) zu kommen?

Antwort des Ministers für Bauen und Verkehr namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Innenminister und der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie:

Vorbemerkung:

Gemäß § 61 der Landesbauordnung haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden.

Die angesprochenen wettbewerbsrechtlichen Überlegungen sind dagegen nicht Regelungsgegenstand des Bauordnungsrechts.

Bauliche Anlagen sollen ­ von den im Gesetz geregelten Ausnahmen abgesehen ­ einer präventiven Prüfung unterworfen werden, bevor sie errichtet werden dürfen (Grundsatz der Baugenehmigung, § 63 BauO NRW). Von großer Bedeutung bei dieser Prüfung ist neben Sicherheitsaspekten auch stets die Frage, ob die beabsichtigte bauliche Anlage mit den bestehenden städtebaulichen Vorgaben vereinbar ist. Diese städtebaulichen Vorgaben können sich zum einen aus Bebauungsplänen ergeben, zum anderen unmittelbar aus dem Baugesetzbuch, wenn die jeweilige bauliche Anlage entweder im so genannten unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB oder im Außenbereich nach § 35 BauGB errichtet werden soll.

Bei der rechtlichen Beurteilung ist dabei stets im Auge zu behalten, dass gleichgelagerte Fälle gleich zu behandeln sind, d. h. gerade die städtebaulichen Konsequenzen sind immer auch im Hinblick darauf zu beurteilen, ob weitere vergleichbare Vorhaben ebenfalls zugelassen werden könnten.

Unter welchen Voraussetzungen Verkaufswagen bauliche Anlagen im Sinne der Landesbauordnung sind, ist in § 2 Abs. 1 BauO NRW geregelt. Die Vorschrift lautet: „Bauliche Anlagen sind mit dem Erboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Eine Verbindung mit dem Erdboden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Erdboden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden.

§ 2 Abs. 1 der bremischen Landesbauordnung lautet demgegenüber: „Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Eine Verbindung mit dem Boden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, nicht nur vorübergehend ortsfest benutzt zu werden. Zu den baulichen Anlagen zählen auch:

1. Wohn-, Verkaufs- und andere Wagen, die nicht nur vorübergehend ortsfest benutzt werden."

Der einzige Unterschied zwischen den ansonsten wortgleichen Regelungen besteht daher darin, dass in Bremen ein Verkaufswagen bereits dann als bauliche Anlage gilt, wenn er nicht nur vorübergehend ortsfest benutzt wird, während in Nordrhein-Westfalen eine überwiegend ortsfeste Benutzung verlangt wird.

Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe der Länder hat sich zu der Frage, wann ein Verkaufswagen als bauliche Anlage zu betrachten ist, bereits seit längerer Zeit verfestigt. So führt z. B. das OVG Münster bereits in einem Beschluss vom 4. September 1968 aus, es habe bereits vor Inkrafttreten der BauO NRW Verkaufswagen als genehmigungspflichtige bauliche Anlagen qualifiziert und an dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung festgehalten.

Die auch in der Kommentarliteratur wiedergegebenen Urteile der oberen Verwaltungsgerichte der Länder sehen das Merkmal einer überwiegend ortsfesten Benutzung einhellig dann als erfüllt an, wenn zwischen dem Vorhaben und dem zu seiner Ausführung vorgesehenen Grundstück eine erkennbar verfestigte Beziehung besteht (so z. B. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 12. Oktober 1988, BRS 48, Seite 322).

Zu den Fragen 1 und 2:

Mobile Fahrzeuge, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW erfüllen, benötigen eine Baugenehmigung und sind nur dann zulässig, wenn sie am vorgesehenen Ort auch unter Berücksichtigung der städtebaulichen Vorgaben aufgestellt werden dürfen.

Im Rahmen des von der Landesregierung beschlossenen Gesamtkonzepts zum Bürokratieabbau werden auch die Regelungen der Landesbauordnung systematisch auf Deregulierungsmöglichkeiten überprüft.

Zu Frage 3:

Ob ein Verkaufswagen nach seinem jeweiligen Verwendungszweck als bauliche Anlage qualifiziert werden muss, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Welche Erwägungen daher die zuständigen Behörden des Landes Bremen bei einer gleich lautenden Regelung und der bekannten, verfestigten Verwaltungsrechtsprechung zu einer anderen Beurteilung eines bestimmten Falles geführt haben, vermag die Landesregierung nicht zu beurteilen. Im Übrigen bewertet die Landesregierung nicht rechtliche Beurteilungen von Behörden eines anderen Landes.

Zu Frage 4:

Die Landesregierung setzt voraus, dass sowohl die zuständigen unteren als auch die oberen Bauaufsichtsbehörden des Landes das geltende Recht zutreffend anwenden. Für weitergehende Weisungen in Bezug auf Verkaufswagen bestand kein Anlass.

Zu Frage 5:

Eine landesweite Regelung ist in § 2 Abs. 1 BauO NRW auch für vergleichbare Verkaufsstellen vorhanden. Einer Tätigkeit der Landesregierung bedarf es daher nicht.