Sanierung eines ehemaligen Zechengeländes in Neukirchen-Vluyn auf Kosten der Anwohner/innen?

Das ehemalige Zechengelände „Niederberg" mit einer Gesamtfläche von 80 ha steht vor der Entlassung aus dem Bergrecht. Voraussetzung ist die abgeschlossene Sanierung der Altlasten von 50.000 m³ kontaminierter Böden. Die Endlagerung soll in Form einer Altlastendeponie, genannt „Umlagerungsbauwerk" erfolgen, das anschließend begrünt wird und im Winter zum Schlittenfahren einladen soll. Die Deponie soll eine Länge von 200 m, Breite von 40 m und eine ansteigende Höhe bis zu 12 m haben.

Diese Deponie würde unmittelbar an das alte Zechenwohngebiet „Alte Kolonie" angrenzen.

Der abschließende L-Stein der Deponieaufschüttung wird laut Planung direkt auf die Grundstücksgrenze gesetzt werden. An dieser Stelle gibt es ebenfalls eine frühere Ablagerung belasteter Böden zu Zeiten des Betriebes der Zeche Niederberg. Diese wurden einfach in ein sog. Klärschlammbecken gekippt. Es handelt sich um ca. 16.000 m³ belastetes Material. Um diese Kontaminationen nicht ausgraben und abtransportieren zu müssen, werden einfach weitere belastete Böden oben drauf gepackt. Dadurch ergeben sich die Größe der Deponie und ihre fragliche Platzierung direkt neben den Häusern der Zechenkumpel.

Die gesamte Sanierungsplanung wurde vom Bergamt genehmigt, die Genehmigung der Detailplanung steht allerdings noch aus. Unbeschadet dessen hat die Montangrundstücksgesellschaft (MGG) bereits 16.000 m3 kontaminierte Böden verbracht. Dies wurde zunächst durch den Protest der Anwohner/innen gestoppt. Diese fordern die Rücknahme der Deponiegestaltung in ihrer bisher geplanten Form und befinden sich derzeit in Verhandlung mit der MGG. Begründet wird das Vorgehen der MGG mit § 4 und § 13 BBoSchG, wonach Sicherungsmaßnahmen als auf dem Gelände angelegte "Deponien" möglich sind. Dazu können innerhalb des Grundstücks auch Materialien verschoben und zusammengefasst werden.

§ 4 BBoSchG besagt aber auch, dass die VerursacherInnen von schädlichen Bodenverunreinigungen verpflichtet sind, so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche Behörden waren an der Genehmigung der beschriebenen Sicherungsmaßnahme beteiligt?

2. Mit welcher Begründung werden die Gefahren, erheblichen Nachteile und Belästigungen der NachbarInnen hingenommen, obwohl nach § 4 BBoSchG bei Sanierungen dieser Art diese für einzelne und die Allgemeinheit dauerhaft auszuschließen sind?

3. Welche Alternativen wurden von Seiten der Behörden geprüft und in die Ermessensentscheidung mit einbezogen?

4. Durch welche Rechtsvorgabe wird das Nachbarschaftsrecht außer Kraft gesetzt, das derartige Bauwerke auf der Grundstücksgrenze nicht ohne Zustimmung der Nachbarn zulässt?

5. Welche Deponien oder Bodenwaschanlagen kommen für die Entsorgung der belasteten Böden in Frage?

Antwort der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie vom 9. Mai 2007 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Innenminister, der Justizministerin und dem Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:

Vorbemerkung:

In der nach Beteiligung der Träger öffentlicher Belange am 08.10.2002 ausgesprochenen Zulassung des Abschlussbetriebsplans für das Bergwerk Niederberg hat das Bergamt Moers der Deutsche Steinkohle AG (DSK) auferlegt, auf Grundlage einer Gefährdungsabschätzung einen Sanierungsplan unter Beachtung des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) zur Zulassung einzureichen. Diesen Sanierungsplan hat das Bergamt Moers ­ ebenfalls nach Beteiligung der Träger öffentlicher Belange ­ am 11.08.2003 zugelassen. Die Details, wie dieses Umlagerungsbauwerk im Einzelnen aufgebaut und gestaltet werden soll, standen 2003 noch nicht fest. Aus diesem Grund enthält die Zulassung von 11.08.2003 auch die Auflage, dass Detailplanungen dem Bergamt noch zur Zulassung vorzulegen sind. Der Bergverwaltung Moers wurden Detailplanungen vorgelegt, die zurzeit allerdings überarbeitet werden. Eine Entscheidung über die Zulassung steht noch aus.

Das vorgesehene Umlagerungsbauwerk stellt keine abfallrechtliche Deponierung, sondern eine durch das BBodSchG vorgesehene Sanierungsvariante in Form einer Sicherungsmaßnahme dar, deren Anforderungen in der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) weiter konkretisiert werden.

Zur Frage 1:

Am Abschlussbetriebsplanverfahren für die Betriebsflächen des Bergwerks Niederberg in Neukirchen-Vluyn hat die Bergverwaltung die Bezirksregierung Düsseldorf, das Staatliche Umweltamt Duisburg (heute Bezirksregierung Düsseldorf), den Kreis Wesel, die Linksniederrheinische Entwässerungsgenossenschaft (LINEG) und die Stadt Neukirchen-Vluyn beteiligt.

Diese Stellen hat die Bergverwaltung auch am Zulassungsverfahren für den Sanierungsplan beteiligt. Die Genehmigung des Abschlussbetriebsplans und der Sicherungsmaßnahme in Gestalt des Umlagerungsbauwerks erfolgte durch das Bergamt Moers.

Zur Frage 2:

Durch die geplante Sicherungsmaßnahme werden die Anforderungen des BBodSchG und der BBodSchV erfüllt. Nach Errichtung des Umlagerungsbauwerks wird eine Ausbreitung der Schadstoffe im Bereich der ehemaligen Klärbecken langfristig verhindert und werden die aus der übrigen Verfahrensfläche anfallenden belasteten Böden im Umlagerungsbauwerk sicher eingekapselt sein. Die belasteten Böden werden durch eine Kunststoffdichtungsbahn abgedeckt, die von der Bundesanstalt für Materialprüfung für diese Zwecke zugelassen ist. Belästigungen im Zuge der Sanierungsarbeiten können nicht vollständig verhindert werden ­ z. B. beim Einsatz von Bodenverdichtungsgeräten. Es wird jedoch dafür Sorge getragen, dass diese möglichst gering gehalten werden. Auch andere Sanierungsvarianten würden im Übrigen nicht ohne gewisse Belästigungen für die Anwohner durchführbar sein.

Zur Frage 3:

In der Sanierungsuntersuchung hat der hinzugezogene Gutachter die spezifischen Kosten für verschiedene Sanierungsvarianten abgeschätzt. Bei Realisierung des Umlagerungsbauwerks liegen diese bei 20 je Tonne kontaminiertem Boden. Für die thermische Behandlung der kontaminierten Böden oder die Entsorgung auf einer Deponie lägen die Kosten bei 75 je Tonne. Aufgrund dieser Kostenschätzung hat sich die Antragstellerin für das Sicherungs/Umlagerungsbauwerk entschieden.

Gemäß § 55 Bundesberggesetz hat die zuständige Behörde den Abschlussbetriebsplan zuzulassen, wenn die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind. Da dies der Fall war, hat die Bergbehörde die Zulassung für das Sicherungs-/Umlagerungsbauwerk erteilt. Ein Ermessen, andere geeignete Sanierungsarten zur Auflage zu machen als die von der Antragstellerin gewählte, hat die Bergbehörde nicht, wenn die beantragte Variante zulassungsfähig ist. Daher waren seitens der Bergverwaltung die genannten Alternativen nicht zu prüfen.

Zur Frage 4:

Nachbarschaftsrecht wird durch die Betriebsplanzulassung nicht außer Kraft gesetzt. Eine Zustimmung der Nachbarn für die Errichtung des Sicherungs-/Umlagerungsbauwerks ist jedoch nicht im Betriebsplanverfahren vorgesehen. Die Bergverwaltung Moers beabsichtigt dennoch, die betroffenen Anwohner am Verfahren zur Zulassung der derzeit in der Überarbeitung befindlichen Detailplanung zu beteiligen und anzuhören.

Soweit die Antragstellerin für die Bauausführung Zustimmungen benachbarter Grundstückseigentümer ­ etwa nach dem Nachbarrechtsgesetz NRW - oder sonstige Genehmigungen benötigt, hat sie diese gesondert einzuholen. Mit der derzeitigen Überarbeitung der Detail planung ist beabsichtigt, das Umlagerungsbauwerk mehrere Meter von der Grenze zu benachbarten Grundstücken abzurücken und das Volumen und die Höhe des Bauwerks zu reduzieren.

Nach der Landesbauordnung (BauO NRW) sind für Gebäude und bauliche Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, Abstandsflächen einzuhalten. Jedoch gilt die Bauordnung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 BauO NRW nicht für Anlagen, die der Bergaufsicht unterliegen, mit Ausnahme von Gebäuden, und ist somit hier nicht anzuwenden.

Zur Frage 5:

Im Rahmen der Sanierungsuntersuchung sind die Belastungsschwerpunkte durch Feststoffund Eluatuntersuchungen auf der Untersuchungsfläche ermittelt worden. Durch die Wahl des Sicherungsverfahrens - Umlagerung und Errichtung eines Sicherungsbauwerkes - war eine Deklarationsanalytik für die Ablagerung auf einer Deponie nicht vorzunehmen. Wegen der unterschiedlichen Annahmekriterien auf den Deponien hätte im Falle der Entsorgung der Bodenmaterialen, je nach deren Belastungsgrad eine Klassifizierung vorgenommen werden müssen. Entsprechend wäre bei einer Deponierung der belastete Boden ggf. auf unterschiedlich klassifizierten Deponien zu entsorgen gewesen.

Gleiche Maßstäbe wären auch für die Entsorgung in einer Bodenwaschanlage oder bei einer thermischen Behandlung anzulegen gewesen.

In NRW wird derzeit keine Bodenwaschanlage betrieben. Die einzige in NRW betriebene thermische Bodenbehandlungsanlage befindet sich in Herne. Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Einsatz der Bodenwäsche ist ein möglichst geringer Feinkornanteil. Im vorliegenden Fall wurde wegen der heterogenen Zusammensetzung der kontaminierten Böden, mit örtlich hohen Feinkornanteilen, der wirtschaftliche Einsatz eines Waschverfahrens ausgeschlossen.