Entschlossen gegen K.O.-Tropfen handeln!

I. Gefahren sexueller Gewalt für Frauen und Mädchen: Frauennotrufe in NRW warnen bereits seit geraumer Zeit vor den Gefahren von K.O.Tropfen. Unter Einfluss dieser Droge (im Engl. „rape-drug") werden mutmaßlich auch hierzulande immer mehr Frauen und Mädchen Opfer hinterhältiger Sexualverbrechen. Mit Hilfe präparierter Drinks machen Täter ihre Opfer vorübergehend willenlos und manipulierbar, mit der Absicht sie sexuell zu missbrauchen. Bevorzugt werden Mixgetränke und Cocktails, die eine möglicherweise leichte Trübung durch die Tropfen nicht erkennen lassen. Bekannt wurden Fälle heimlicher Verabreichung von K.O.-Tropfen und anschließender Vergewaltigung in der Kneipen- und Discoszene, bei Volksfesten, Betriebsausflügen und privaten Partys.

Mädchen und Frauen, die mit K.O.-Tropfen überwältigt und Opfer sexueller Misshandlungen werden, haben selten eine konkrete Erinnerung an den Täter bzw. mögliche Beteiligte, den Tathergang und Tatort. Der oder die Täter wiegen sich durch diese Umstände in Sicherheit vor strafrechtlicher Verfolgung. Nicht selten wachen die Opfer an ihnen unbekannten Orten auf und wissen nicht, wie sie dort hingelangt sind. Körperliche Schmerzen z. B. im Genitalbereich, Blutungen und Verletzungen bleiben ihnen unerklärlich. Vorherrschend sind vage Gefühle hinsichtlich eines sexuellen Übergriffs oder einer Vergewaltigung. Aus Angst, dass ihnen nicht geglaubt oder hoher Alkoholkonsum unterstellt wird, vertrauen sie sich oftmals niemandem an. Sie verzweifeln an ihren Gedächtnislücken und der Ungewissheit darüber, was genau ihnen passiert ist. Bei vorliegender Bekanntheit zwischen Opfer und Täter wird den Frauen oftmals aktive Mitwirkung unterstellt oder die Täter behaupten, die Geschehnisse mitgefilmt zu haben und drohen den Opfern mit einer Veröffentlichung, um sie zum Schweigen zu bringen.

Unter K.O-Tropfen begangene Vergewaltigungen werden tatsächlich in manchen Fällen von den Tätern bzw. Beteiligten gefilmt oder fotografiert und per Handy sowie über das Internet in Umlauf gebracht (Ärzte Zeitung 02.02.2007; frau TV, 23.03.2005). Neben dem Deliktsbereich "Verstoß gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht" - in vielen Fällen einhergehend mit Freiheitsberaubung - handelt es sich hierbei auch noch um Straftaten hinsichtlich der illegalen Herstellung und Verbreitung von pornografischem Material. Zurück bleiben Opfer mit einem zerstörten Selbstbild, extremen Schuld- und Schamgefühlen, denen nicht klar ist, dass sie ihr Verhalten in keiner Weise haben steuern können.

II. Als K.O.-Tropfen eingesetzte Substanzen:

Als K.O.-Tropfen verwenden die Täter verschiedene betäubende Substanzen wie Mixturen aus Barbituraten und derzeit zunehmend die Droge "Liquid-Ecstasy" (synonym Liquid X, Fantasy, Soap, G-Juice, Gamma oder Salty Water). Die chemische Bezeichnung für diese Substanz lautet Gammahydroxybuttersäure (GHB), Handelsname Xyrem und Somasonit.

Ihr freier Verkauf ist in Deutschland untersagt. Seit 2002 untersteht GHB dem Betäubungsmittelgesetz (BMTG). Ausgenommen ist im deutschen BTMG das Medikament GHB als Injektionslösung, wie Somasonit. Ungeachtet dessen wird GHB im Internet, in der Sport-, Drogen- und Techno-Szene angeboten und es finden sich zum Teil detaillierte Anleitungen zur Herstellung der Substanz im Internet.

Noch einfacher zugänglich ist die chemisch sehr ähnliche Vorstufe der Substanz GBL (yGammabutyrolacton oder -Butyro-1,4-lacton). GBL unterliegt nicht dem Betäubungsmittelgesetz und wird in der Industrie als Lösungsmittel sowie als Ausgangsstoff zur Herstellung von Pharmazeutika und Chemikalien eingesetzt. Nach Aufnahme wird GBL im menschlichen Körper rasch zu GHB umgebaut.

Hier ist angezeigt, dass der Gesetzgeber tätig wird und Regelungen schafft, wonach GBL nur noch an Unternehmen abgegeben werden darf, die die Substanz nachweislich zur Produktion benötigen. Die Abgabe an Privatpersonen ist auszuschließen.

In Reinform handelt es sich bei GHB um eine farblose, wasserlösliche Substanz, deren an sich leicht salziger Geschmack gut durch Zumischung von Getränken überdeckt wird. Die in der Regel unbeobachtete Verabreichung als K.O.-Tropfen in das Getränk des Opfers löst zunächst in geringer Dosierung einen alkoholähnlichen Rausch mit Wohlbefinden und Entspannung bis hin zur sexuellen Stimulation aus. Höhere Dosierungen und die Wirkungsverstärkung durch Alkohol können zu Übelkeit, Erbrechen und Herzrhythmusstörungen führen.

Insbesondere rasch einsetzende Müdigkeit, Bewusstseinseintrübung und Willenlosigkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit gelten als typische Wirkungen von GHB. Außerdem kann durch den Mischkonsum mit Alkohol Atemnot bis hin zum Atemstillstand ausgelöst werden. Die Täter gefährden somit durchaus das Leben ihrer Opfer.

Da es sich bei GHB um eine körpereigene Substanz handelt, ist ihre zeitliche Nachweisbarkeit aufgrund einer sehr geringen Halbwertzeit begrenzt. Bereits ca. 8 Stunden nach der Aufnahme kann GHB nicht mehr im Blut nachgewiesen und nach ca. 12 Stunden kein positiver Nachweis mehr im Urin geführt werden. Viele Opfer warten aus Scham zu lange, bevor sie eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen und Anzeige erstatten. Hier ist dringend mehr zielgerichtete Prävention durch Aufklärungsarbeit für die Opfer erforderlich. Anderseits wird in der ärztliche Praxis ­ oder auch im Rahmen einer polizeilichen Kontaktaufnahme - oft zu spät oder gar nicht an eine Verabreichung von K.O.-Tropfen gedacht und somit kein oder kein ausreichender Nachweis geführt. Es bedarf daher der Informationsweitergabe an im Gesundheitswesen Tätige sowie an die Polizei. Die rechtsmedizinischen Institute in Düsseldorf und Köln stehen hier beratend zur Verfügung.

III. Zunahme der Verdachtsfälle:

Bereits seit den neunziger Jahren wird über die Verabreichung von GHB bei Vergewaltigungsstraftaten berichtet. Seitdem Frauennotrufe im Rahmen ihrer Präventionsarbeit gegen sexuelle Gewalt mit ihrer Kampagne "K.O.cktail? Fiese Drogen im Glas" gezielt über die Ge fahren von K.O.-Tropfen informieren, steigt die Zahl der Verdachtsfälle. Über 30 Frauen haben sich allein im vergangenen Jahr beim Aachener Frauennotruf mit dem Verdacht gemeldet, Opfer von K.O.-Tropfen geworden zu sein. Die Kölner Rechtsmedizin sprach ebenfalls 2006 von einer deutlichen Zunahme der Fälle. Fast wöchentlich melden sich dort Personen mit dem Verdacht, ihnen seien K.O.-Tropfen heimlich in ihr Getränk gemischt worden (Rheinische Post, 8.11.2006). In der Statistik des Landeskriminalamtes NRW werden allerdings Sexualdelikte unter Einfluss von GHB nicht aufgelistet. International wird dem Thema bereits seit längerer Zeit Beachtung geschenkt, hier besteht durchaus bundes- und landesweiter Nachholbedarf.

III. Opferschutz verbessern: Präventiv ist es dringend geboten, die Öffentlichkeit - und hier sind insbesondere Frauen, Mädchen und Eltern anzusprechen - sowie beteiligte Berufsgruppen über die Gefahren von K.O.-Tropfen intensiver als bisher zu informieren. Den Betroffenen muss ein bedarfsgerechtes Angebot an Beratung und Betreuung zur Verfügung stehen. Das ist bisher in NRW nicht gewährleistet. Polizei und im Gesundheitswesen Tätige müssen für die Beweismittelsicherung und Aufklärung der unter K.O.-Tropfen begangenen Straftaten erheblich besser sensibilisiert und fortgebildet werden. Derzeit entwickelt der Notruf Aachen Informationsmaterial für medizinisches Personal (sogenannte "Kitteltascheninfos"), dessen Herstellung und Verbreitung in NRW durch das Land unterstützt werden muss. Darüber hinaus bedarf es der Entwicklung angepasster Beratungsansätze für die Opfer, denen in aller Regel ein Erinnerungsvermögen an die gegen sie begangenen Taten fehlt. Die Frauennotrufe NRW, die sich unter schwierigsten finanziellen Voraussetzungen des Themas als zusätzliche Aufgabe kompetent angenommen haben, sind derzeit noch völlig unzureichend finanziell und personell für diese Aufgaben ausgestattet. Auch für eine notwendige und sinnvolle Vernetzung der Notrufe mit Polizei, Gesundheitswesen und Suchthilfe fehlen die personellen und finanziellen Kapazitäten in den Beratungsstellen. Im Sinne eines umfassenden Opferschutzes ist das Land NRW hier in der Pflicht, den Beratungseinrichtungen die fehlenden Finanzmittel zur Verfügung zu stellen

IV. Forderungen:

Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung auf:

- sich auf Bundesebene für einen gesetzlich beschränkten Zugang zu GBL und allen GHB-haltigen Medikamenten einzusetzen,

- unter Beteiligung des Frauennotrufe in NRW eine öffentliche Kampagne zu den Gefahren von K.O.-Tropfen, insbesondere für Frauen und Mädchen zu initiieren und in diesem Zusammenhang

- die Präventions-, Öffentlichkeits-, Beratungs- und Vernetzungsarbeit der Frauennotrufe NRW gegen K.O.-Tropfen bedarfsgerecht zu finanzieren,

- die Entwicklung angepasster Beratungs- und Begleitungskonzepte für von K.O.Tropfen betroffenen Opfern zu finanzieren,

- vorliegende Handlungsansätze zu unterstützen, sowie weitere gezielte Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer verstärkten Aufklärung, Sensibilisierung und Vernetzung in den Bereichen Schule und Jugendarbeit, Gesundheitswesen und Polizei führen,

- zu gewährleisten, dass insbesondere zeitnah in Schulen intensiv über den Missbrauch und die Gefahren von K.O.-Tropfen aufgeklärt wird; hierzu bieten sich u.a. Gesundheitswochen und Themenfelder wie Sexualkunde, Gesundheitsförderung und Suchtprävention an,

- die Fort- und Weiterbildung von PolizeibeamtInnen im Themenfeld K.O.-Tropfen zu unterstützen,

- zu veranlassen, dass in den Statistiken des Landeskriminalamtes NRW Verdachtsfälle und begangene Sexualdelikte unter Beteiligung von K.O.-Tropfen gesondert aufgelistet werden.