BUNDESRATSINITIATIVE DES LANDES NRW ZUR EINFÜHRUNG EINES GENERELLEN TEMPOLIMITS VON 130 KM/H AUF DEUTSCHEN AUTOBAHNEN

I. Der Landtag stellt fest: Deutschland ist weltweit das einzige Industrieland, auf dessen Autobahnen keine generelle Geschwindigkeitsgrenze gilt. Alle unsere Nachbarländer haben ein Tempolimit. In Frankreich, Luxemburg, Österreich, Tschechien, Polen und Dänemark liegt es bei 130 km/h, in Belgien, in den Niederlanden und der Schweiz bei 120 km/h.

Ein Tempolimit von 130 km/h würde den deutschen Sonderweg endlich beenden und einen Beitrag zur Harmonisierung der Geschwindigkeiten auf EU-Ebene liefern. Insbesondere für das Transitland NRW ist das besonders wichtig.

Eine Entscheidung für die Einführung eines Tempolimits trifft auch auf hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Aktuelle Umfragen belegen, dass sich die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für ein Tempolimit auf Autobahnen als eine Maßnahme für mehr Klimaschutz ausspricht.

Im Februar 2007 befürworteten in einer Forsa-Umfrage für das Magazin „stern" 60 Prozent der Befragten eine Geschwindigkeitsbeschränkung, um so den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid zu verringern.

Eine Studie des Umweltbundesamtes ermittelte bei einer generellen Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 km/h einen Rückgang der von PKW auf Bundesautobahnen verursachten CO2-Emissionen um 9 Prozent. Bezogen auf die Gesamtemissionen des Pkw-Verkehrs, ließen sich 3 Prozent der CO2-Emissionen einsparen. Bezieht man die Gesamtemissionen des Pkw-Verkehrs (CO2-Reduktion um 3 Prozent) auf den aktuellen Fahrzeugbestand und Kraftstoffverbrauch, so ließen sich als Sofortmaßnahme, nach dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) bis 2020 40 Mio. t CO2 einsparen. Das entspricht einer jährlichen CO2 Emmission von 3,3 Mio. t und damit der Emission aller Busse bzw. eines Steinkohlenkraftwerkes.

Für die übrigen Schadstoffe wurden für die Autobahn Reduktionen von 9 bis 28 Prozent ermittelt. Geschwindigkeitsreduktionen führen ebenfalls zur Reduktion der Feinstaubimmissionen. Eine Verbesserung des Verkehrsflusses kann einen zusätzlichen Reduktionsbeitrag liefern: Die ständigen Brems- und Beschleunigungsvorgänge, die zu hohen Schadstoffausstößen führen, werden reduziert. Außerdem werden die Feinstäube reduziert, die durch Reifenabrieb und Aufwirbelungseffekte (Straßenstaub) entstehen. Ein Tempolimit trägt auch dazu bei, Betriebszustände im Bereich höherer Geschwindigkeiten zu vermeiden, in denen der Katalysator ansonsten seine so genannte Volllastanreicherung erreicht, die zu einem sprunghaften Anstieg des Schadstoffausstoßes führt. Insbesondere in den Ballungsräumen des Landes entlang der Rhein- und Ruhrschiene mit dem dichten Autobahnnetz würde mit einem generellen Tempolimit ein nachhaltiger Beitrag zur Senkung der Hintergrundbelastung bei den Feinstaub- und Stickoxydemissionen geleistet.

Der große Vorteil gegenüber technischen Maßnahmen, deren Notwendigkeit als Teil einer Klimaschutzstrategie trotz eines Tempolimits zu unterstreichen ist, ist die Sofortwirkung, die ohne zusätzliche Kosten eingeführt werden kann.

Deutsche Autobahnen gelten im Allgemeinen als sicher. Dies gilt jedoch nur in Relation zu anderen Straßen mit Gegenverkehr. Dieser Vergleich blendet die Tatsache aus, dass es auf Autobahnen weder Gegenverkehr noch Fußgänger oder Radfahrer gibt. 12,4 Prozent der Verkehrsopfer sterben auf Autobahnen. Behauptungen auf deutschen Autobahnen würde doch schon heute durchschnittlich nicht schneller als 130 km/h gefahren, blenden die großen Gefahren aus, die gerade durch Spitzengeschwindigkeiten von 180 km/h und mehr entstehen.

Erfahrungen mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen zeigen, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen positive Wirkungen entfalten. Die situationsangepassten Geschwindigkeitsregelungen sorgen für eine Reduktion der Unfälle mit Personenschäden um durchschnittlich 20 bis 30 Prozent. Ähnliche Erfahrungen wurden auf deutschen AutobahnTeststrecken mit Tempo 130 gemacht. Dort wurden 30 Prozent weniger Unfälle mit 20 Prozent weniger Toten festgestellt. Von 1984 bis 1987 galt auf einigen Autobahnen in Hessen ein Tempolimit von 100 km/h. Hierdurch sank die Zahl der Toten und Schwer- verletzten um 25 bis 50 Prozent auf den betroffenen Abschnitten.

Geschwindigkeitsbegrenzungen verbessern die Zugangsgerechtigkeit. Durch die Extremgeschwindigkeiten von einer Minderheit von Rasern und Autofahrern trauen sich viele ­ und nicht nur ältere ­ Autofahrerinnen und Autofahrer nicht mehr auf der Autobahn zu fahren.

Diese Problematik wird durch den demografischen Wandel weiter verschärft werden, denn im Jahr 2010 wird in Deutschland jeder vierte älter als 65 Jahre sein, 2030 sogar jeder dritte.

Ein Tempolimit entschärft diese untragbare Situation und führt dazu, dass sich wieder mehr Fahrerinnen und Fahrer auf die Autobahn trauen, die sich an der gültigen Richtgeschwindigkeit orientieren.

Die Leistungsfähigkeit einer Straße wird nicht durch die maximal zulässige Geschwindigkeit, sondern durch die Anzahl der Fahrspuren bestimmt. Fahren die Fahrzeuge langsamer, kann der Sicherheitsabstand reduziert werden, wodurch die Kapazität steigt Ein allgemeines Tempolimit harmonisiert also den Verkehrsfluss insbesondere auf Autobahnen, weil die Geschwindigkeitsdifferenzen reduziert werden. Bei hohen Verkehrsbelastungen nehmen Unregelmäßigkeiten im Verkehrsfluss ab, was spontane Staubildungen verhindern kann. Wenn alle mit geringerer Höchstgeschwindigkeit fahren, können auch alle schneller ankommen.

Durch diese Kapazitätssteigerung könnten sehr teure Ausbaumaßnahmen reduziert werden, so dass mehr Geld für den Erhalt vorhandener Infrastruktur zur Verfügung stehen würde.

Zum Vergleich: Der höchste Verkehrsfluss mit bis zu 2 600 Autos pro Stunde und Fahrspur würde sich bei ca. 85 km/h einstellen, wenn sich die Geschwindigkeiten der einzelnen Fahrzeuge einander anpassen und das Lückenspringen im Rahmen gehalten wird. Ein verbesserter Verkehrsfluss sorgt auch für eine Reduktion von Luftschadstoffen und klimaschädlichem Kohlendioxid-Emissionen.

Die Lärmimmissionen würden ebenfalls abnehmen, denn Lärmminderungen beziehen sich nicht nur auf die geringeren Durchschnittsgeschwindigkeiten, sondern auch auf der sich daraus ergebenden Verstetigung des Verkehrsflusses. Außerdem tragen insbesondere Exzessivgeschwindigkeiten von 150 km/h und mehr zu aggressiven Geräuschen bei, die durch ein generelles Tempolimit verhindert würden.

Neben den unmittelbaren Effekten, die sich auf die Verkehrssicherheit und den Energieverbrauch im Straßenverkehr auswirken, ist auch ein positiver Technologieeffekt zu erwarten

Ein Tempolimit ist Grundvoraussetzung und Signal an die Autoindustrie für den Bau sparsamerer Autos. Niedrigere Geschwindigkeiten ermöglichen den Einbau leichterer Motoren, die Sicherheit der Insassen kann mit geringerem Aufwand und Fahrzeuggewicht sichergestellt werden. Dieses "Downsizing" der Fahrzeuge könnte die CO2-Emissionen von PKW in relativ kurzer Zeit halbieren und die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Autoindustrie im globalen Markt weiter verbessern.

II. Der Landtag beschließt:

Die Landesregierung wird aufgefordert, einen Gesetzesvorschlag für die notwendigen Änderungen des Straßenverkehrsgesetzes bzw. der Straßenverkehrsordnung zu erarbeiten, mit denen auf deutschen Autobahnen als klimapolitische Maßnahme zur Reduktion der CO2 Emissionen aus dem Verkehrssektor und als Beitrag für mehr Verkehrssicherheit auf Autobahnen eine generelle Geschwindigkeitsobergrenze von 130 Kilometern pro Stunde eingeführt wird.

Dieser soll als Initiative des Landes NRW bis zum Ende des Jahres in den Bundesrat eingebracht werden.