Wirrwarr um Bußgeld für "Delfin"-Verweigerer

Im Kreis Lippe hat ein Elternpaar die Teilnahme des vierjährigen Sohnes an der jüngsten Sprachstandsfeststellung "Delfin 4" verweigert. Die Eltern begründen die Verweigerung mit der Tatsache, dass ihr Sohn, der seit einem halben Jahr eine Förderung durch eine Logopädin bekommt, sehr lange braucht, um Vertrauen zu fassen. Im Übrigen waren die Eltern besorgt, dass das Kind mit dieser Situation nicht zurechtkommen würde.

Auf ausdrückliche Nachfrage der Eltern war es nicht möglich, im Vorfeld der Sprachstandsfeststellung genauere Informationen im Schulamt des Kreises Lippe zu erhalten, weil unter anderem auch das Faltblatt, auf das in der Einladung zur Sprachstandsfeststellung Bezug genommen wird, vergriffen war.

Jetzt hat die Familie einen Bußgeldbescheid über 2.400 Euro bekommen mit der Begründung, dass die Pflicht zum Sprachtest so sei wie eine Schulanmeldung. Im Rahmen der Berichterstattung um diesen Fall im Kreis Lippe wurde festgestellt, dass in einem anderen Kreis, im Ennepe-Ruhr-Kreis, vierjährigen Kinder, die in logopädischer Förderung sind, nicht an den Sprachstandsfeststellungen teilnehmen sollten oder mussten.

Vor diesem Hintergrund frage ich daher die Landesregierung:

1. Kann die Landesregierung diese unterschiedlichen Verfahrensweisen im Kreis Lippe und im Ennepe-Ruhr-Kreis bestätigen?

2. Wenn ja, wie ist in den anderen Kreisen Nordrhein-Westfalens verfahren worden?

3. Gab es ähnliche Fälle wie im Ennepe-Ruhr-Kreis?

4. Hält die Landesregierung angesichts dieser unterschiedlichen Verfahrensweisen die Verhängung eines Bußgeldes von 2.400 Euro für gerechtfertigt?

5. Ist es richtig, dass die Eltern im Kreis Lippe keine Informationen aus dem Schulamt über die Art und Weise der Durchführung der Sprachstandsfeststellung erhalten konnten, weil Faltblätter vergriffen waren?

Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung vom 20. Dezember 2007 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration:

Zu den Fragen 1 bis 4:

Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 Schulgesetz NRW (SchulG) stellt das Schulamt zwei Jahre vor der Einschulung fest, ob die Sprachentwicklung der Kinder altersgemäß ist und ob sie die deutsche Sprache hinreichend beherrschen. Ist dies nicht der Fall und wird ein Kind nicht in einer Tageseinrichtung für Kinder sprachlich gefördert, soll das Schulamt das Kind verpflichten, an einem vorschulischen Sprachförderkurs teilzunehmen.

Die Notwendigkeit einer zusätzlichen pädagogischen Sprachförderung ist nicht zu verwechseln mit einer möglicherweise bei Kindern aus medizinischen Gründen angezeigten logopädischen oder sprachtherapeutischen Förderung. Dies ist immer nur auf ärztliche Diagnose hin möglich und zielt zumeist auf andere Fördernotwendigkeiten als eine pädagogische Förderung. Daher sind auch Kinder, die eine logopädische oder sprachtherapeutische Förderung erhalten, ebenfalls verpflichtet, an der Sprachstandsfeststellung teilzunehmen.

Ausnahmen gibt es lediglich für Kinder, die einen heilpädagogischen Kindergarten besuchen, oder als Kind mit einer Behinderung integrativ gefördert werden, wenn der Test nicht für sie anwendbar ist oder keine zusätzlichen Erkenntnisse bringen kann.

Das Schulamt für den Ennepe-Ruhr-Kreis hat gegenüber den am Verfahren zur Sprachstandsfeststellung beteiligten Grundschulen und Kindertageseinrichtungen die oben genannte Rechtsauffassung kommuniziert.

Es sind keine konkreten Einzelfälle aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis und den übrigen Schulamtsbezirken des Landes bekannt, in denen abweichend verfahren wurde.

Eltern, die fahrlässig oder vorsätzlich nicht für die Teilnahme ihres Kindes an der Feststellung des Sprachstandes sorgen, handeln ordnungswidrig; eine solche Ordnungswidrigkeit kann gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2 SchulG in Verbindung mit § 17 OWiG pro Elternteil mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 1.000,- geahndet werden.

Darüber hinaus sind die Kosten des Verfahrens gemäß §§ 105, 107 OWiG in Verbindung mit §§ 464 Abs. 1, 465 Strafprozessordnung (StPO) zu tragen.

In dem hier angesprochenen Fall im Kreis Lippe ist der gemeinsame Bußgeldbescheid gegen bei Elternteile über jeweils 1.200 (einschließlich Verfahrenskosten) nach Einspruch der Eltern vom Schulamt für den Kreis Lippe zurückgenommen worden. Die Eltern haben inzwischen dafür gesorgt, dass das Kind an der Sprachstandsfeststellung teilnimmt; das bußgeldbewehrte Verhalten ist damit entfallen.

Zur Frage 5:

Das Schulamt für den Kreis Lippe verfügte für das diesjährige Verfahren zur Feststellung des Sprachstandes über eine ausreichende Anzahl der vom Ministerium für Schule und Weiterbildung und vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration herausgegebenen Faltblättern „Sprachstandsfeststellung zwei Jahre vor der Einschulung ­ Informationen für Eltern". Darüber hinaus waren diese Informationen auch über die Internetseite des Ministeriums für Schule und Weiterbildung zugänglich.