Transparenz bei der Steinkohle: Altlasten und Ewigkeitskosten

Das Tableau der Anschlussfinanzierung Steinkohle 2006-2012, das im Mai 2004 von der rot/grünen Bundesregierung und der rot/grünen Landesregierung NRW beschlossen wurde, unterscheidet zwischen Produktionskosten, Stilllegungsaufwand und Altlasten.

Altlasten sind gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1407 vom 23. Juli 2002 Kosten, „die durch die Rationalisierung oder Umstrukturierung des Steinkohlenbergbaus verursacht werden oder wurden und nicht mit der laufenden Förderung in Zusammenhang stehen." Altlasten sind somit Kosten, die auch nach einer kompletten Beendigung der Förderung anfallen werden.

Zu den Altlasten zählen gemäß Anhang der o. g. Verordnung Kosten und Rückstellungen für

Belastungen durch Zahlung von Sozialleistungen, soweit sie auf die Pensionierung von Beschäftigten vor Erreichung des gesetzlichen Pensionsalters zurückzuführen sind, andere außergewöhnliche Ausgaben, soweit sie auf die Auflösung von Arbeitsverhältnissen als Folge von Umstrukturierungen und Rationalisierungsmaßnahmen zurückzuführen sind,

Gewährung von Pensionszahlungen und Abfindungen außerhalb der gesetzlichen Versicherung an infolge von Umstrukturierungen und Rationalisierungsmaßnahmen ausgeschiedene Beschäftigte sowie bereits zuvor Anspruchsberechtigte,

Aufwendungen für die Umschulung von Arbeitnehmern,

Aufwendungen für die Lieferung von Deputatkohle, verbleibende Belastungen aufgrund von behördlichen, gesetzlichen und steuerlichen Bestimmungen (insb. Verpflichtungen gegenüber der Berufsgenossenschaft),

Aufwendungen für die Sanierung ehemaliger Bergwerke (insb. Wassermaßnahmen), verbleibende Belastungen aus der Krankenversorgung ehemaliger Bergarbeiter, außerordentliche Substanzverluste, soweit sie durch die Stilllegung von Produktionseinheiten verursacht werden.

Den Antworten des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) auf am 29. Januar 2004 von MdB Hempelmann und MdB Hustedt vorgelegte Fragen (LT-Vorlage 13/2808) ist zu entnehmen, dass die „Altlasten" zurzeit mehr als 500 Mio. /Jahr betragen, die hierin enthaltenen Wasserhaltungskosten zurzeit 100 Mio. /Jahr betragen und nach Auslaufen der personalgebundenen Kosten ein Altlastensockel in Höhe von ca. 50 Mio. /Jahr verbleiben wird (Ewigkeitskosten).

Dem Finanzierungstableau 2006 ­ 2012 liegen Altlasten in Höhe von 440 Mio. /Jahr zugrunde.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie stellt sich ­ gegliedert nach Kostenart und Kostenhöhe ­ die Struktur der Altlasten in den Abrechnungsjahren 2000 - 2004 dar?

2. Aufgrund welcher Rechtsansprüche entstehen die einzelnen Kostenkomponenten?

3. In welcher Höhe und auf welcher Zeitachse werden sich die einzelnen Kostenkomponenten unter der Annahme eines sozialverträglichen Auslaufens des Bergbaus im Jahr 2015 bis zu dem vom BMWA genannten "Sockelbetrag" entwickeln?

4. Wie hoch ist die geschätzte Gesamtsumme, die unter der Annahme eines sozialverträglichen Auslaufens des Bergbaus im Jahr 2015, für Altlasten von 2007 bis zum Erreichen des Sockelbetrags gezahlt werden muss?

5. In welcher Größenordnung müsste ­ wiederum unter Annahme eines sozialverträglichen Auslaufens des Bergbaus im Jahr 2015 ­ in Verbindung mit einem RAG-Börsengang 2007 ein Fonds/Sondervermögen angelegt werden, um aus den diesbezüglichen Erträgen sowohl die bis zur Beendigung des Bergbaus auflaufenden Altlasten, als auch die nach Auslaufen des Bergbaus anfallenden abschmelzenden Altlasten bis hin zu einem dauerhaften Sockelbetrag finanzieren zu können?

Antwort der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie vom 3. August 2005 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und dem Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:

Zur Frage 1:

Nach hier vorliegenden Informationen beträgt die Höhe der Altlasten in den Abrechnungsjahren 2000 bis 2004 durchschnittlich 573 Mio. Euro/Jahr.

Derzeit werden im Rahmen der durch den Bund erfolgenden Abrechnung der Steinkohlenbeihilfen die Altlasten nicht getrennt ausgewiesen. Erst mit der Abrechnung 2006 ist eine weitere Aufschlüsselung im Rahmen der Abrechnung vorgesehen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) hat in seiner Beantwortung von Fragen des MdB HempelLANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 14. Wahlperiode Drucksache 14/88 mann und der MdB Hustedt vom 29. Januar 2004 (siehe Landtagsvorlage 13/2808) zu den Kostenarten und Kostenstrukturen wie folgt Stellung genommen.

Zur Frage 2:

Die Regulierung der Bergschäden erfolgt auf der Grundlage der einschlägigen Regelungen des Bundesberggesetzes (BBergG) und des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Weitere Kostenkomponenten basieren auf bundesgesetzlichen, steuerlichen sowie behördlichen Bestimmungen sowie auf vertraglichen Verpflichtungen des Unternehmens.

Zu den Fragen 3 und 4:

Über die zukünftige konkrete Entwicklung der Altlasten im Steinkohlenbergbau liegen Einschätzungen des Unternehmens auf der Grundlage der Unternehmensplanung bis 2012 vor, die auf dem Zuwendungsbescheid des Bundes für die Plafonds 2006 bis 2008 und auf den politischen Zusagen des Bundes bis 2012 basiert.

Abweichend von einer vorlaufenden Modellrechnung ist nach der tatsächlichen Unternehmensplanung von einer Höhe der Altlasten in den Abrechnungsjahren 2006 bis 2012 von durchschnittlich 513 Mio. Euro/jährlich auszugehen. Auf dieser Grundlage ergibt sich nach unseren Informationen folgende Entwicklung der Kostenstruktur bei den Komponenten der Altlasten im Zeitraum bis 2012:

Die höhere Schwankungsbreite in Punkt 4 der Tabelle ergibt sich durch die zeitliche Verteilung der vorgesehenen Stilllegungen.

Konkrete Einschätzungen über die Höhe der Altlasten nach dem Jahr 2012 liegen nicht vor.

Das BMWA hat zur langfristigen Entwicklung der Altlasten im Rahmen der Anfrage des Abgeordneten MdB Hempelmann und der Abgeordneten MdB Hustedt vom 29. Januar 2004

(LT-Vorlage 13/2808) darauf hingewiesen, dass die Kosten für die Altersversorgung der infolge von Umstrukturierung/ Rationalisierungsmaßnahmen ausgeschiedenen Beschäftigten und die Belastungen aufgrund von steuerlichen, behördlichen oder gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere Verpflichtungen gegenüber Bergbauberufsgenossenschaft) in mehreren Jahrzehnten auslaufen würden. Allmählich würden sich die auf unbestimmte Zeit bestehenden Altlasten auf einen Sockelbetrag verringern (im Wesentlichen Pumpkosten und Aufwendungen für den Stillstandsbereich).

Zur Frage 5:

Wie bereits in der Antwort zu den Fragen 3 und 4 dargelegt, ist zurzeit eine Einschätzung der Größenordnung der Höhe der Altlasten nach dem Jahr 2012 bis hin zu einem dauerhaften Sockelbetrag (Ewigkeitslast) nicht möglich. Hierfür sind zunächst die Rahmenbedingungen für den sozialverträglichen Auslauf des subventionierten Bergbaus einschließlich der Altlastenfrage zusammen mit allen Beteiligten festzulegen. Diese kohlepolitischen Festlegungen wären in einer Auslaufplanung des Unternehmens umzusetzen. Auf dieser Grundlage ist dann der Finanzbedarf für die Altlasten gutachterlich zu ermitteln. Die Landesregierung geht davon aus, dass dies zu gegebener Zeit durch den Bund erfolgt.